Lasst Städte leuchten - so könnte das werkübergreifende Motto von Jan Kuck lauten. Der Konzeptkünstler versucht in seinen Projekten, mit den Mitteln des Lichts den Fokus auf ihm wichtige Themen zu lenken. Im Herbst dieses Jahres zum Beispiel mit dem " Designwalk.Art" auf die pandemieverwaisten bayerischen Innenstädte. Die Kunstspaziergänge durch München, Augsburg, Passau und Nürnberg sollten durch Licht- und Neoninstallationen die Menschen wieder in die Städte locken. Der Berliner realisierte bereits viele Projekte in München, nun verlegt er seinen Wohnsitz ganz hierher.
Montag: Auf ein Neues
Ein Umzug steht an: Nach 17 spannenden Jahren in Berlin habe ich jetzt meinen Hauptwohnsitz nach München verlegt. Ein Schritt, den ich mir früher nie hätte vorstellen können. Doch Corona hat viel verändert. Vor allem hat mich München mit offenen Armen aufgenommen, und als bildender Künstler habe ich hier tatsächlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten als in Berlin. Dank meiner Agentin Isabel Bernheimer habe ich hier Menschen gefunden, die genauso brennen wie ich und die wirklich etwas umsetzen und bewegen möchten, anstatt nur darüber zu reden. Ich nutze den Tag also zum Ankommen in München und freue mich auf alles, was kommt. Auch wenn so ein Umzug immer mit viel Arbeit, Wehmut und Ungewissheit verbunden ist.
Dienstag: Flammende Landschaften
Gleich um 10 Uhr steht ein spannender Termin im Gewerbepark von Gilching an. Oliver Lembke sitzt dort mit seiner Firma "Limelight Veranstaltungstechnik" und bespricht mit mir, wie wir im kommenden Februar "The Burning River" in den Bergen von Davos als "The Burning Mountain" neu aufleben lassen können. Mit Lembke habe ich schon mehrere größere Installationen im Außenraum realisiert und habe in ihm einen freundschaftlichen Vertrauten gefunden, der meine verrückten Ideen versteht und zusammen mit mir immer eine Lösung findet. So konnten wir im März 2020 etwa 100 Meter der Isar vor der Praterinsel in ein künstlerisches Flammenmeer verwandeln und viele Menschen begeistern. Dies werden wir nun für eine schneebedeckte Skipiste adaptieren und erweitern.
Mittwoch: Clubkultur auf Distanz
Morgens werde ich mit meiner Freundin unser mittlerweile fast tägliches Ritual vollziehen: Coronatest. Denn später am Tag geht es in die Ausstellung " Nachts. Clubkultur in München" im Stadtmuseum. Da wir seit der Pandemie keine Clubs mehr besuchen konnten oder uns schlicht nicht getraut haben, können wir hier zumindest gefühlsmäßig wieder in eine Welt eintauchen, die lange Zeit als Selbstverständlichkeit unserer Selbstzerstreuung galt. Am Nachmittag fahre ich dann ins Kinderkunsthaus, schaue, ob mit meiner in den Fenstern aufgehängten Neoninstallation alles in Ordnung ist und kaufe dort für die Kinder meiner Schwester Basteltüten. Mit denen können die Kleinen an einem der zahlreichen Online-Kurse teilnehmen und unter fachkundiger Anleitung wundervoll verrückte Dinge basteln.
Donnerstag: Perspektivwechsel
Murmeltierartig: der Conoratest. Danach gehen wir in die Ausstellung " Fantastisch real. Belgische Moderne von Ensor bis Magritte" in der Kunsthalle. Laut Beschreibung veranschaulicht sie, wie die damalige Kunst die Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit immer wieder aufs Neue auslotete. Eine Perspektive, die uns in unserer gerade sehr verunsicherten Zeit bestimmt gut tun wird. Am Nachmittag treffe ich mich mit meinem Künstlerkollegen Alexander Deubl in seinem Atelier in den " DomagkAteliers", um die nächste und letzte Station unserer Ausstellung "Design.WalkArt" in Nürnberg im kommenden Februar zu besprechen. Abends steht dann mein Lieblingsitaliener auf dem Programm, die Bar Giornale. Seitdem im Garten mein Neon "We are living in the future of yesterday" steht, zieht mich nicht nur das freundliche Personal und der fantastisch gegrillte Oktopus hierher.
Freitag: Gute Laune beim Italiener
Der Tag beginnt mit dem Einräumen meines Studios und geht am Nachmittag mit einem - wer hätte es gedacht? - Coronatest weiter. Danach schaue ich mir die Ausstellung " Tuchfühlung - stay in touch" im Gasteig HP8 an. Sie scheint mir besonders spannend zu sein, da sie Positionen von Künstler*innen aus Polen und Deutschland zeigt, die mithilfe von Stoff räumliche Distanzen überwinden, die durch die Lockdown-bedingten Grenzschließungen zu den Nachbarländern entstanden sind. Am frühen Abend gehen wir zu " Eataly" in der Schrannenhalle und kaufen fürs Wochenende italienische Lebensfreude gegen den Winterblues. Seitdem ich regelmäßig in München bin, versuche ich mindestens einmal im Monat hier einzukaufen. Danach geht es mir einfach immer gut.
Samstag: Im grünen Labor
Erst testen. Dann geht ich mit meinem Notizblock bewaffnet auf ein kleines Frühstück ins Palmenhaus im Schlosscafé Nymphenburg. Unter Palmen zu frühstücken ist vielleicht etwas unnötig, macht aber Spaß und bringt viele neue Ideen. Danach schaue ich mir das benachbarte " Biotopia Lab" im Botanischen Garten an. Ein Besuch, den ich schon lange geplante hatte, zumal ich Ende 2019 mit dem Gründer Michael John Gorman gemeinsam auf der "TEDx Munich"-Bühne stehen durfte und seitdem begeistert von seiner Idee eines neuen Naturkundemuseums bin. Abends geben wir eine Online-Führung durch die "Artmuc 2021", die man jetzt auch virtuell besuchen kann.
Sonntag: Ausgewählte Alte Meister
Ich versuche mal wieder auszuschlafen, was mir meistens nicht ganz gelingt. Nach dem obligatorischen Test treffe mich mit Konrad Bernheimer in der Alten Pinakothek und lasse mir von ihm einige ausgewählte Alte Meister zeigen. Bei einem unserer ersten Treffen sagte er mir, dass die Alten Meister früher ja auch nichts anderes als Zeitgenossen waren. Und fragte mich danach, ob ich eine Idee hätte, wie wir sie in die Gegenwart übertragen können. Meine halbernste Antwort war, dass dies nur mit größtmöglicher Respektlosigkeit möglich sei. Seitdem versuchen wir regelmäßig zusammen in die Alte Pinakothek zu gehen. Wir schaffen es nicht oft, aber es ist jedes Mal etwas ganz Besonderes für mich und hilft, die Kunst im Allgemeinen intensiver zu verstehen. In jedem Fall ein perfekter Abschluss für eine ziemlich intensive Woche.
Zum Autor: Jan Kuck, geboren 1978 in Hannover, lebt und arbeitet in Berlin und München und wird durch die Künstleragentur "Bernheimer Contemporary" mit Hauptsitz in Berlin vertreten. Er studierte zunächst mehrere Semester Jura und schloss danach ein Magisterstudium in Philosophie und Geschichte ab, um sich als Konzeptkünstler eine theoretisch profunde Grundlage zu erarbeiten. In seinen Werken versucht Kuck, den Witz, aber auch die Tragik unserer Gesellschaft pointiert herauszuarbeiten.
Ein wichtiges Thema, dass sich durch alle seine Arbeiten zieht, ist die Verwendung von Licht, oft in Verbindung mit Worten. Als erster Künstler durfte er das Münchner Siegestor während der Kunstmesse MCBW 2020 mit seiner Lichtinstallation " Design! No Sign ?" bespielen. Seine bislang größte Installation im öffentlichen Raum ist "The Burning River" . Derzeit bereitet Jan Kuck diverse Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland vor.
(Anmerkung der Redaktion: Der Gastautor hat sich für die Schreibweise mit Gender-Sternchen entschieden. Da es sich um einen persönlichen Artikel handelt, wurde dies entgegen der sonstigen SZ-Regelung übernommen.)