Extravaganter Nebenjob:"Ich bin immer der coole Typ mit der Limousine"

Extravaganter Nebenjob: Manchmal jubeln die Menschen, wenn Marco Manzau in der Limousine vorfährt. Ganz anders als auf dem Bau, wo er in schmutzigen Klamotten steckt und sich die Menschen ärgern, weil wieder einer die Straße aufreißt.

Manchmal jubeln die Menschen, wenn Marco Manzau in der Limousine vorfährt. Ganz anders als auf dem Bau, wo er in schmutzigen Klamotten steckt und sich die Menschen ärgern, weil wieder einer die Straße aufreißt.

(Foto: Robert Haas)

Marco Manzau hatte schon viele Jobs, gerade stellt er Baustellenabsperrungen auf. Am Wochenende aber zieht er einen Anzug an und fährt Menschen durch die Stadt, die etwas zu feiern haben.

Von Ana Maria Michel

Marco Manzau wartet. Er wartet vor dem Standesamt, der Kirche und dann vor der Oper, dem Siegestor oder dem Friedensengel, wo die Hochzeitsfotos gemacht werden. Und das kann dauern. Manzau, glattrasiert, kurze Haare, bullige Statur, wartet im Moment vor einem grauen Mehrfamilienhaus am Frankfurter Ring. Drinnen machen sich die beiden Brautpaare fertig, die er gleich zum Nymphenburger Schloss fahren soll, für die Fotos, und danach zu einem türkischen Kulturzentrum, für die Feier.

Manzau sitzt auf dem Fahrersitz der weißen Lincoln Town Car Stretchlimousine, Modell X 2, 8,60 Meter lang, schwarze Ledersitze. Der Wagen blockiert eine der beiden Fahrspuren Richtung Westen, der Warnblinker tickt, Autos hupen im Vorbeifahren. Manzau schaut durchs Beifahrerfenster zum Haus, seine Fahrgäste sind noch nicht da, aber er ist auch 20 Minuten zu früh.

Anzugshose, Jackett, darunter eine Weste, ein kurzärmeliges weißes Hemd und eine Krawatte: Seit zwei Jahren trägt Manzau diese Uniform, die ihn ein wenig wie verkleidet wirken lässt. So lange arbeitet der 28-Jährige bereits für den American Limousine Service und damit für seine Freundin Melissa Strempel, der die Firma gehört. Immer am Wochenende fährt er Leute, die etwas zu feiern haben, durch die Stadt.

Die Limousine verändert die Menschen. Für ein paar Stunden können ganz normale Leute etwas sein, was sie sonst nicht sind - und dabei gesehen werden, denn das lange Fahrzeug fällt auf. Die Passanten schauen hin, fragen sich, wer sich da wohl chauffieren lässt. Ein Superstar oder nur irgendwer, der einen auf dicke Hose machen will? Von außen erkennt man es nicht, die Scheiben sind getönt.

Nun also eine türkische Doppelhochzeit. Bevor es losgeht, will Manzau hinten schon mal die Beleuchtung anmachen, aber irgendwas stimmt nicht. Auch das Radio geht nicht, wahrscheinlich die Sicherungen. Manzau ruft seine Chefin an, das Wort "Schatzi" leuchtet auf seinem Handybildschirm auf. Er soll erst mal warten. Es ist nicht das erste Mal, dass mit einem der alten Fahrzeuge etwas nicht stimmt. Einen Platten, ein gerissener Keilriemen, ein Auspuff, der abfällt. Hat Manzau alles schon erlebt.

Die nächste Anweisung: Er soll zurück in die Firma, die Limousine austauschen. Er fährt über zwei Kreuzungen, an denen die Ampeln schon Gelb zeigen. Dann noch ein Anruf. Er soll zurück zum Kunden. Manzau dreht in einer Einfahrt, schimpft über den großen Wendekreis der Limousine.

Wieder vor dem Haus leuchtet noch einmal "Schatzi" auf seinem Display auf. Er soll nach dem Sicherungskasten hinter Fahrer- und Beifahrersitz schauen. Er klappt die Abdeckung zurück. Keine Ahnung, welche Sicherung kaputt sein soll. Manzau setzt sich wieder auf den Fahrersitz. Strempel und ein Kollege mit einer Ersatzlimousine sind auf den Weg.

Die Brautpaare sind noch immer nicht da. Manzau kennt das schon, die meisten brauchen länger, um sich fertig zu machen. Ein kleines Mädchen beobachtet den Wagen vom Fenster aus. Ein Mann kommt aus dem Haus, Manzau soll ein Foto von ihm und der Limousine machen. Manchmal bekommt er dafür Trinkgeld, heute aber nicht.

"Wir arbeiten auch mit Strippern zusammen", sagt er an einer roten Ampel

Die meisten seiner Kollegen sind Rentner, die sich für 450 Euro im Monat etwas dazuverdienen wollen. Auch Manzau arbeitet in Strempels Firma auf Minijobbasis. Er war in seinem Leben schon Zeitungsausträger, Türsteher oder hat nachts Halteverbotsschilder aufgestellt. Wenn er nicht Limousine fährt, stellt er im Moment Baustellenabsperrungen auf. Es ist eine schwere Arbeit, früh aufstehen, bei jedem Wetter draußen sein. Danach fährt er nach Olching in das Boxstudio, das er mit seinem Vater und seinem Bruder betreibt. Für ihn ist das Boxen aber mehr ein Hobby, sagt er. Boxerhände hat Manzau, die breiten Finger sehen nicht so aus, als könnte man damit gut im engen Sicherungskasten herumfummeln. Dabei hat er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, aber das war auf Dauer nichts für ihn.

Die Bräutigame sind zum Rauchen aus dem Haus gekommen. Plötzlich stehen zwei weiße Limousinen vor ihrer Tür, der Kollege und Strempel sind da. Manzau nimmt die blaue Kühlbox mit drei Proseccoflaschen à zehn Euro aus dem ersten Fahrzeug und räumt sie in den Kofferraum des zweiten. Er setzt sich auf den beigen Fahrersitz, es riecht nach warmem Leder. Manzau beobachtet Strempel durch die Frontscheibe, die sich hinter den Beifahrersitz gezwängt hat, um sich den Sicherungskasten vorzunehmen.

Auf seinem Handy zeigt er ein Foto von einem Limousinenmodell von Chrysler, mit Türen, die nach oben aufgehen. So eines würde er gerne für die Firma kaufen, aber das kostet. Strempel kommt rüber, sie hat die Sicherungen ausgetauscht. Manzau holt die Kühlbox wieder aus dem Kofferraum, trägt sie zurück. Als die beiden Bräute kommen, streicht er noch einmal seine Weste über dem Bauch glatt und steht bereit. Er hält den Frauen und ihren riesigen weißen Reifröcken die Türe auf. Der Innenraum der Limousine ist jetzt ein Meer aus weißem Stoff. Dann geht es los. Im Radio läuft Charivari, hinten fallen ein paar Sätze auf Türkisch, nach dem Prosecco im Kofferraum verlangt niemand. Eine ziemlich untypische Fahrt für Manzau.

"Wir arbeiten auch mit Strippern zusammen", sagt er an einer roten Ampel. Manchmal, wenn er für einen Junggesellinnenabschied unterwegs ist, fährt er zu einem Parkplatz, wo sie ein Polizist heranwinkt. Kein echter natürlich, es ist der gebuchte Stripper. Die Männer seien nicht besonders groß, sagt Manzau, sie hätten keine Probleme, sich im Wagen auszuziehen. Von der Show bekommt er vor allem das Johlen der Frauen mit. Er fährt währenddessen meist langsam auf dem Parkplatz herum, den Blick geradeaus gerichtet. Nach etwa 15 Minuten steigt der Stripper, bekleidet mit einem String-Tanga, wieder aus, es geht weiter. Touren mit Stripperinnen darf Manzau nicht fahren, das will Strempel nicht.

Irgendwann will Manzau mal Chef sein

Am Nymphenburger Schloss parkt er vor einer Feuerwehrzufahrt und hilft den Frauen aus der Limousine. Ein Brautstrauß fällt auf den Kiesweg. Einer der Männer hält Ausschau nach dem Fotografen. Für Manzau sieht das chaotisch aus.

Er wartet. Die Klimaanlage ist aus, Manzau öffnet die Fahrertür, damit etwas Luft reinkommt. Die Limousine ist eine Attraktion. Touristen in bunten Shorts und T-Shirts bleiben stehen und machen Fotos. Manchmal winkt oder lächelt Manzau. 99 Euro kostet die günstigste Fahrt. Eine Stunde kann man sich dafür herumfahren lassen. Bevor er mit dem Job angefangen hat, wusste Manzau nicht, dass Normalverdiener wie er mit so einem schicken Wagen fahren können. Manchmal mietet er sich mit seinen Kumpels selbst die weiße Lincoln, um sich vor eine Bar fahren zu lassen.

Manzau streckt sich auf dem Fahrersitz, um über die Hecken zu schauen. Es ist schon eine ganze Weile her, dass seine Kunden ausgestiegen sind. Vorhin hat er noch gesehen, wie sie sich in der Nähe für die Fotos geküsst haben, jetzt sind zu viele Brautpaare unterwegs, von weitem sehen sie alle gleich aus.

Am Tag zuvor hat Manzau einen Junggesellinnenabschied gefahren, er ist erst um fünf Uhr ins Bett gekommen. 14 Stunden stand er bereit, um die Frauen von Location zu Location zu fahren. Auch eine Tour mit mehr Steh- als Fahrzeit. Eigentlich mag Manzau solche Fahrten, die meiste Zeit über hat er Ruhe.

Am Tag zuvor ist er in einem Restaurant gewesen, hat Vor- und Hauptspeise bestellt, dann noch einen Kaiserschmarrn als Nachtisch. Er hat es sich hinten in der Limousine bequem gemacht, hat "Independence Day" geschaut. Nur, dass sich eine der Frauen später im Fahrzeug übergeben musste, war nicht schön. Zum Glück hatten ihre Freundinnen Tüten dabei.

Die Limousinen sehen von außen nach Pomp aus, nach Prestige, nach Geld. Doch sie werden meist von Leuten gemietet, die vor allem eines wollen: richtig Party machen und die Sau rauslassen. Zur Fahrt im extralangen Fahrzeug gehört für viele extra viel Alkohol. Manzau erlebt Leute, die sich während der Fahrt mit dem Oberkörper aus den Fenstern lehnen und die Sektgläser schwenken. Weil sie das in irgendwelchen Filmen so gesehen haben. Daran, wie gefährlich das ist, denken sie dabei nicht, auch dafür sorgt der Alkohol.

Immerhin ist da einer, der aufpasst. Weil er nüchtern bleiben muss. Manzau vergeht jede Lust zu trinken, wenn hinter ihm gegrölt und gesoffen wird. Wenn es ihm zu wild wird, sagt er den Kunden, dass sie sich beruhigen sollen.

Die Limousine verändert nicht nur sie, sie verändert auch Marco Manzau. Hier hat er das Sagen. Und manchmal wird er Teil von etwas Großem. Zum Beispiel als ein Kunde seiner Freundin einen Heiratsantrag machen wollte. Manzau sollte vor der Limousine einen roten Teppich ausrollen, Kerzen aufstellen. Vor der geöffneten Tür kniete dann der Mann mit dem Ring, sie sagte ja. Manzau ist dieser Moment im Gedächtnis geblieben, dabei war er wie so oft in diesem Job nur ein Statist im Hintergrund.

Es gibt Leute, die sich als etwas Besseres fühlen, wenn Manzau ihnen die Türe aufhält. Die sich im Wagen gehen lassen, als wäre der Fahrer gar nicht da. Einmal holte Manzau einen Mann vom Flughafen ab, der fragte, ob es in Ordnung sei, wenn er mit seiner Begleiterin in der Limousine Sex hätte. Die Antwort: nein.

Trotz solcher Situationen macht Manzau den Job gerne. "Ich bin immer der coole Typ mit der Limousine", sagt er. Manchmal jubeln die Leute, wenn er vorfährt. Ganz anders als auf dem Bau, wo er in schmutzigen Klamotten steckt und sich die Menschen eher ärgern, weil wieder einer die Straße aufreißt.

Vor dem Nymphenburger Schloss sind Manzaus Kunden zurück. Mit den beiden Brautpaaren steigen noch zwei Frauen ein. Eine von ihnen trägt ein glitzerndes dunkelrotes Kleid. "Den Glitzer kriegst du nicht mehr raus", sagt Manzau. Als die Limousine am BMW-Hochhaus vorbeizieht, erzählt er, dass er mal das große BMW-Zeichen auf dem Turm eingerüstet hat, als er noch Gerüstbauer war. Auch einer seiner vielen Jobs. Irgendwann, sagt Manzau, wäre er gerne Chef. Im Moment will er aber erst mal nur nach Hause und etwas essen.

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