Süddeutsche Zeitung

Freiwilligenmesse:Helfer gesucht

Mentoren für benachteiligte Schüler, Vermittlung von kostenlosen Theaterkarten: Bei der Freiwilligenmesse sollen soziale Organisationen und Ehrenamtliche zueinander finden.

Von Sven Loerzer

Sich ehrenamtlich engagieren, das wollte Eva Bauer gerne tun im Vorruhestand. "Als Rollstuhlfahrerin war ich skeptisch, ob ich was für mich finde, wo ich einsetzbar bin", sagt die ehemalige Lehrerin. Über die Freiwilligenmesse und die Freiwilligenagentur Tatendrang fand sie zum Kulturraum München, dort vermittelt sie seit mehr als zehn Jahren kostenfreie Eintrittskarten an Menschen mit geringem Einkommen. Dazu muss sie nicht einmal aus dem Haus: "Ich sitze am PC, kann auf die Veranstaltungsliste zugreifen." Und dann ruft die 66-Jährige die beim Kulturraum angemeldeten Gäste an, die schon länger kein Angebot erhalten haben. "Kino, Theater, Ausstellungen, Museen liebe ich", Lust auf Kultur macht die ehemalige Lehrerin den Angerufenen um so lieber und baut dabei auch Schwellenängste ab. Wenn Menschen, die noch nie im Theater waren, sagen, "ich habe ja gar nichts zum Anziehen", dann antwortet Eva Bauer: "Im Theater darf man sich schön anziehen, muss man aber nicht."

"Couragiert gegen Armut. Engagement wirkt!" lautet das Motto der 17. Münchner Freiwilligenmesse. Nach zwei Corona-Jahren kann die Messe, die einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten von ehrenamtlichen Einsätzen und gesellschaftlicher Beteiligung gibt, nun wieder in Präsenz stattfinden. Im Alten und Neuen Rathaus bieten 60 Organisationen am Sonntag, 15. Januar, von 10 bis 17 Uhr Beratung und Hilfe bei der Suche nach einem Engagement an, das sowohl von Interessen und Fähigkeiten als auch vom zeitlichen Umfang her passt. "Es geht uns um gesellschaftliche Beteiligung", sagt Gerlinde Wouters, Geschäftsführerin der Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement, die alljährlich die Messe veranstaltet. "Wir können helfen, dass der Zusammenhalt in der Stadt wächst."

Messe-Projektleiterin Michèle Rotter betont, Freiwillige seien nicht diejenigen, die Fachkräfte beim Thema Armut ersetzen, sondern sie würden durch ihre Zeitspenden Chancen zur Teilhabe ermöglichen. Anne-Isabelle Zils, Ehrenamts-Koordinatorin beim Kulturraum, erklärt, ohne die rund 50 ehrenamtlichen Vermittlerinnen und Vermittler, ohne die "persönliche und direkte Ansprache" der Gäste, sei die kulturelle Teilhabe nicht zu leisten. Mehr als 300 Veranstalter unterstützten den Kulturraum mit kostenfreien Tickets. In der Corona-Zeit, als alle Veranstaltungen ausfielen, haben die Ehrenamtlichen trotzdem die registrierten Gäste angerufen. "Ich habe Online-Angebote rausgesucht und den Link geschickt", berichtet Eva Bauer.

Kinder stark zu machen und ihnen zu Bildungschancen zu verhelfen, dieser Aufgabe haben sich die Kinderhelden verschrieben. "Wir sind an sechs Kooperationsschulen in München tätig für Kinder im Grundschulalter, die erschwerte Startbedingungen haben", sagt Ehrenamtskoordinatorin Klara Spiesberger. Ein ehrenamtlicher Mentor bildet dazu mit einem von den Lehrkräften vorgeschlagenen Kind ein "Tandem".

Rüdiger Barth, 49, ist selbst Familienvater. Ihm ist bewusst, "wie behütet, wie privilegiert die eigenen Kinder aufwachsen". Er kümmert sich inzwischen einmal pro Woche zwei bis drei Stunden um einen Neunjährigen mit Fluchthintergrund, "ein sehr lebendiges Kind". Mit dem Jungen übt er Lesen, Schreiben und Rechnen, "im Anschluss unternehmen wir etwas zusammen". Im Sommer einen Ausflug an einen Badesee, mal in den Tierpark oder zum Spielenachmittag in die Stadtbibliothek, das habe der Junge alles nicht gekannt. "Die Horizonterweiterung macht ihm viel Spaß." Und Barth natürlich auch.

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