Im Gerangel um Platz auf Straße und Gehweg hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) an der Wohlfartstraße in Freimann eine Lösung im Interesse der Fußgänger umgesetzt: Autos dürfen nicht mehr halb auf dem Gehweg parken, sie müssen komplett auf der schmalen Fahrbahn abgestellt werden. Damit es dort nicht zu eng wird, hat die Behörde Anfang August Halteverbotsschilder aufgestellt. Jetzt ist nur noch einseitiges Parken im Wechsel erlaubt. Während sich die Fußgänger freuen, zeigen sich autofahrende Anwohner wütend und enttäuscht. Sie hatten sich eine Legalisierung des jahrelang geduldeten Gehwegparkens gewünscht. Der Streit ist exemplarisch: Auch in anderen Stadtgebieten werden die Verkehrsflächen knapp, Interessen prallen aufeinander.
Thomas Nindl wohnt in der Wohlfartstraße und ist sauer. "Argumente zählen nicht", lautet sein Vorwurf an das Kreisverwaltungsreferat. Als im Mai die Frage, wo in der Wohlfartstraße künftig geparkt werden darf, im Bezirksausschuss im Beisein von rund 40 Anwohnern debattiert wurde, stand am Ende ein klares Votum: Das Gremium sprach sich für eine pragmatische Lösung aus, nämlich dafür, das seit Jahren verbotene, aber fleißig praktizierte Halb-auf-dem-Gehsteig-Parken zu legalisieren. Damit bleibe noch immer genug Platz für Fußgänger und für Autos gebe es ausreichend Stellplätze, so die Einschätzung.
Die Behörde folgte der Empfehlung des Bezirksausschusses jedoch nicht und verbannte die Autos auf die Fahrbahn. Links und rechts im Wechsel gilt seit Anfang August abschnittsweise absolutes Halteverbot. "Die Gesamtbreite der Straße reicht für beidseitiges Gehwegparken nicht aus", heißt es in der Stellungnahme des KVR. Die Straßenverkehrsordnung erlaube das Gehwegparken nur unter der Bedingung, dass ungehinderter Verkehr von Fußgängern - auch mit Kinderwagen - und von Rollstuhlfahrern - auch im Begegnungsverkehr - möglich ist. Das sei an der Wohlfartstraße nicht gegeben.
Gunhilde Peter, Vorsitzende der SPD München-Freimann und Mitglied im Bezirksausschuss, begrüßt das Halteverbot: "Wir sollten uns langsam daran gewöhnen, dass die ,autogerechte Stadt' der 70er-Jahre der Vergangenheit angehört", schreibt sie in einer Stellungnahme. Gerade die Gehsteige müssten wieder von den Fußgängern zurückerobert werden.
"Das ist eine Riesenenttäuschung in der Nachbarschaft", fasst dagegen Nindl die Reaktion der autofahrenden Anwohner zusammen. Wer dort sein Auto abstelle, wohne auch dort. In der Vergangenheit, als Gehwegparken noch geduldet war, habe man sich miteinander arrangiert. Viele Ein- und Mehrfamilienhäuser stammten aus einer Zeit, als es noch weniger und kleinere Autos gab. In die kleinen Garagen passe maximal ein Golf, sagt Nindl. Das Gehwegparken sei sozusagen Selbsthilfe gewesen.
In Gang kam der Streit um Parkplätze an der Wohlfartstraße, weil ein Mann aus dem Landkreis Freising es sich zur Aufgabe gemacht hat, Autos bei der Polizei zu melden, die halb auf dem Gehsteig parken. Es folgten Strafzettel, die Anwohner parkten fortan legal auf der Fahrbahn, was aber zu Verkehrsbehinderungen führte, schließlich ordnete das KVR die Halteverbote an.
Mit der neuen Regelung fielen mindestens 25 Parkplätze weg, rechnen Nindl und eine Nachbarin vor, die nicht namentlich genannt werden will. Im Moment sei das wegen der Ferienzeit und aufgrund der Spielpause des Metropoltheaters an der Ecke zur Floriansmühlstraße noch zu verkraften. Aber nach den Sommerferien werde es zum Problem werden. Das KVR hält dagegen: Es seien keine legalen Parkplätze weggefallen. Vielmehr hätten sich die Anwohner durch das illegale Gehwegparken selbst Parkplätze geschaffen, die eigentlich keine seien. Man habe sich bemüht, die Halteverbote so einzurichten, dass möglichst viele legale Parkmöglichkeiten entstanden seien.
Der Streit an der Wohlfartstraße zeigt ein größeres Problem. Nach Aussagen des Kreisverwaltungsreferats gibt es geschätzt Hunderte Straßen in Münchner Wohngebieten, in denen auf dem Gehweg geparkt wird. Es liegen mehrere Anträge von Stadtratsmitgliedern vor, die zum Ziel haben, das zunehmende Gehwegparken zu reduzieren. Ein Argument ist, dass Fußgänger sich in Gefahr begeben, wenn sie auf die Fahrbahn ausweichen müssen. Für Personen im Rollstuhl oder mit Rollatoren sind die zugeparkten Gehwege ein unüberwindbares Hindernis.
In den betroffenen Straßen scheint man sich jedoch wie einst an der Wohlfartstraße mit der Situation arrangiert zu haben. Laut Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle gibt es nur wenige Beschwerden. Außerdem verlagere sich das Problem meist einfach in die nächste Straße, wenn das KVR Halteverbotsschilder aufstelle. Die Zahl der Autos sinkt ja nicht.
Seit Anfang August weichen auch Thomas Nindl und seine Nachbarn von der Wohlfartstraße zum Parken in die Nebenstraßen aus. Manchmal finde sich jetzt morgens ein Zettel an der Windschutzscheibe, auf dem die dortigen Anwohner "ihren" Parkraum verteidigen. Für Nindl und seine Nachbarin ist der Streit noch nicht zu Ende.