Süddeutsche Zeitung

Baugebiet Freiham:Grau verdrängt Grün

Bewohnerzahl und Dichte in Freiham sollen steigen und steigen. Weil der Verkehr im Westen ebenfalls zunimmt, wird die A 99 erweitert. Dafür muss wohl der Landschaftspark schrumpfen.

Von Ellen Draxel, Freiham

In Freiham wird laufend die Planung im Detail modifiziert. Nun heißt es, dort sollen einmal 25 000 bis 30 000 Menschen wohnen. Genauer will man sich im städtischen Planungsreferat nicht mehr festlegen, auch wenn im Herbst noch von bis zu 32 000 Menschen die Rede gewesen war: Die erneut abgeänderten Zahlen, so Stadtbaurätin Elisabeth Merk in einer Reaktion auf einen Antrag der Stadtrats-ÖDP vom Februar, hingen letztlich von der städtebaulichen Dichte, der Belegung der Wohnungen sowie vom Prognosezeitraum ab.

Derzeit rechnet man bei der Planungsbehörde mit 12 100 Menschen, die im ersten Realisierungsabschnitt rund 4400 Wohnungen beziehen. Diese Daten sind relativ verlässlich, denn der erste Teil des neuen Quartiers ist bereits im Bau. Weniger konkret wird es beim zweiten Realisierungsabschnitt: Weitere 15 300 Menschen, so die aktuelle Schätzung, bevölkern Freiham-Nord "bei Annahme eines Vollausbaus bis zum Jahr 2037". Leben sollen die neuen Bewohner in rund 6000 Wohnungen, vielleicht werden es aber auch 7000. Diese Mehrung um tausend Wohnungen, zu finden im Siegerentwurf des Wettbewerbs für den zweiten Realisierungsabschnitt, stuft man im Planungsreferat als "verträglich" ein. Sie soll im Zuge des Rahmenplan-Prozesses genauer untersucht werden.

In ihrem Antwortschreiben geht Merk außerdem auf die Verkehrslage ein. Die Infrastruktur bereitet Bürgern und Lokalpolitikern im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied seit Jahren erhebliche Bauchschmerzen - nicht umsonst hatte der Bezirksausschuss im Dezember den Aufstellungsbeschluss zum zweiten Realisierungsabschnitt Freiham-Nord abgelehnt.

Klar ist seit Anfang 2018, dass die U 5 bis Freiham verlängert wird. Die Planungen der Gesamtstrecke wurden inzwischen so forciert, dass der Bau der U-Bahn-Linie von Pasing bis Freiham bei optimalem Planungsverlauf im Jahr 2027 und damit voraussichtlich ein bis zwei Jahre vor Inbetriebnahme der Strecke vom Laimer Platz bis Pasing beginnen kann. Zudem, dessen ist sich die Verwaltung sicher, dürfte es Bauzeit und Kosten "erheblich" reduzieren, noch vor Beginn der Wohnbebauung die Wände und den Deckel des künftigen U-Bahnhofs Freiham-Zentrum im Rohbau zu errichten. 1,6 Millionen Euro an Planungsmitteln hat die Stadt im Münchner Investitionsprogramm (MIP) 2019 bis 2023 für die Realisierung der U 5 bis Freiham mittlerweile eingestellt. Und im ÖPNV-Programm 2020 bis 2024 wurden 750 Millionen Euro für die Verlängerung der U 5 von Pasing nach Freiham bei der Regierung von Oberbayern angemeldet.

Finanzierungszusagen von Land und Bund gibt es bislang aber keine, denn sie erfordern belastbare Aussagen zur Höhe der Kosten. Zwar existiert eine erste überschlägige Kosteneinschätzung des Baureferats: 60 bis 80 Millionen Euro für die Vorhaltemaßnahme U-Bahnhof Freiham-Zentrum plus 40 bis 80 Millionen Euro für das Vorbereiten einer Abstellanlage für elf Langzüge im Westen des Bahnhofs. Doch genaue Zahlen können laut Baubehörde "erst nach Abschluss der Vorplanung und der Genehmigungsverfahren im Rahmen der Projektgenehmigung getroffen werden". Bis dahin muss die Stadt die Bauten vorfinanzieren.

Und wie funktioniert die Anbindung, bis die U-Bahn kommt? Geplant ist laut Merk eine Expressbus-Linie: Sie soll Fahrgäste entlang der Strecke Aubinger Allee/Stadtplatz/Busbahnhof Freiham aufsammeln, um anschließend schnell und eventuell ohne weiteren Halt über Freiham-Süd und die Autobahn A 96 bis zur Westendstraße zu fahren, wo die U 5 erreicht wird. Starten könnte die Linie 2022/23, gleichzeitig mit der Eröffnung der provisorischen Bustrasse über den Quartiersplatz. Denkbar wären aus stadtplanerischer Sicht dafür auch Sonderfahrspuren für Busse auf Autobahnen, bislang allerdings sieht das die Straßenverkehrsordnung nicht vor. Gespräche mit der Autobahndirektion Südbayern zum Thema Expressbus-Linie fanden aber bereits statt.

Dass die Autobahnen im Münchner Westen speziell im Berufsverkehr völlig überlastet sind, ist indes Fakt. Die Autobahndirektion prüft verschiedene Varianten zum sechsstreifigen Ausbau der A 99 West, erste Ergebnisse werden für die zweite Jahreshälfte erwartet. Offen bleibt, inwieweit der Ausbau zulasten des benachbarten Landschaftsparks geht. Dass es zu einem "Eingriff" komme, davon sei "auszugehen", sagt Merk. Ziel der Verwaltung sei aber "nach wie vor eine weitgehende Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses des ersten Preisträgers des Landschaftsparks".

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SZ vom 27.05.2020/aner
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