Stadtführung:Wo Freddie Mercury in München bis zum Exzess feierte

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Sechs Jahre lebte Freddie Mercury in München. (Foto: dpa)

Der Queen-Sänger komponierte in der Stadt Hits, drehte Videos und ließ es in Schwulen-Clubs krachen. Eine Führung verrät, warum es ihn ausgerechnet an die Isar zog und auf welchen Typ Mann er stand.

Von Wolfgang Stelljes

14 mehr oder weniger große Queen-Fans haben sich zu einer Stadtführung am Isartor versammelt, weil sie mehr wissen wollen über „Freddie Mercurys Zeit in München“. Von 1979 bis 1985 war der charismatische Sänger Dauergast in der Landeshauptstadt. Wer „Bohemian Rhapsody“ gesehen habe, fragt Stadtführer Roman Stefka zu Beginn. Fast alle Finger gehen hoch.

Kein Wunder, der mit vier Oscars prämierte Film, der 2018 in die Kinos kam, gehört zu den erfolgreichsten Filmbiografien überhaupt. Nur, dass München darin „schlecht wegkam“ und der Sänger dort regelrecht untergegangen sein soll. Ganz so war es nicht, sagen viele, unter anderem Nicola Bardola, Musikjournalist und Autor des Buches „Mercury in München. Seine besten Jahre“, auf das sich Stefka bei seiner Führung stützt.

Rund zwei Kilometer sind es, die Stefka mit seinen Gästen zurücklegt. Ein erster Schlenker führt zur Stollbergstraße 2. Hier, am Rande der Altstadt, mietete Mercury 1979 eine Wohnung, möbliert und nach hinten raus. Nur zwei Straßenecken weiter: das „Petit Café“, damals ein Geheimtipp in der Schwulenszene. Mercury soll hier Exzesse gefeiert haben, begleitet von der Schauspielerin Barbara Valentin, „eine der wenigen Frauen, die in Schwulen-Clubs reinkam“, sagt Stefka. „Das Petit Café ist die einzige Stätte, die noch komplett original erhalten ist.“

In der Stollbergstraße hatte Mercury seine erste Wohnung in München. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Stadtführer Roman Stefka vor dem Petit Café, damals ein Geheimtipp in der Schwulenszene. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa)

Die meisten Orte, an denen Freddie Mercury verkehrte, haben Namen und Besitzer gewechselt. Das ehemalige „Heiliggeiststüberl“ am Viktualienmarkt zum Beispiel, auch so ein kleiner Laden, wie Mercury sie mochte. Eines Morgens wollte er hier zusammen mit Barbara Valentin ein Weißwurstfrühstück zu sich nehmen, das es von 6 Uhr an gab. Weil aber am Abend zuvor nicht aufgeräumt worden war, drückte Valentin dem Queen-Sänger einen Besen in die Hand und kümmerte sich selbst um den Abwasch. Und erst danach gab es Weißwurst.

Mercury stand auf Bayern mit Schnauzer

Das Glockenbachviertel ist nicht weit, damals wie heute das Zentrum der Schwulenszene, die Ampeln mit gleichgeschlechtlichen Fußgängerpaaren sind ein erster Hinweis. „Freddie Mercury entdeckte sich sexuell gerade neu“, er sei schwul oder bi gewesen, so ganz genau wisse man das nicht, sagt Stefka. Die Adressen der einschlägigen Clubs standen in einem Reiseführer für Gays. Zum Beispiel die vom „Pimpernel“, heute ein Nachtclub mit DJ-Musik, bei dem nur noch der Name an einst verrufene Zeiten erinnert. Oder die vom „Ochsengarten“, der ältesten Leder-Bar Deutschlands. „Solche Locations mochte Freddie, er stand auf Leder und gestandene Bayern mit Schnauzer.“

Krachen ließ es der Sänger am 5. September 1985. An diesem Tag feierte er seinen 39. Geburtstag im Travestie-Club „Old Mrs. Henderson“, heute die „Paradiso Tanzbar“. Mercury ließ auffahren: Kaviar, Koks, alles. Eine Ahnung vom wilden Geschehen vermittelt das Musikvideo „Living on My Own“, das in Teilen bei der Feier aufgenommen wurde – zugleich so etwas wie eine Abschiedsparty. Er ging zurück nach London, machte mit Queen Furore. „Man munkelte bereits, dass er krank ist“, sagt Stefka. Aids hieß das Gespenst. Mercury starb 1991 an den Folgen einer HIV-Infektion.

Im "Paradiso", das damals noch „Old Mrs. Henderson“ hieß, wurde das Video zu "Living on My Own" aufgenommen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Deutsche-Eiche-Wirt Dietmar Holzapfel führt fast jeden Tag Fans durchs Haus. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa)

Wer auf den Spuren von Freddie Mercury durch München wandelt, kommt an der „Deutschen Eiche“ nicht vorbei. „Hier hat er häufig das Frühstück eingenommen, nachmittags um drei“, erzählt Dietmar Holzapfel, einer der beiden Inhaber. Am liebsten aß er Nudeln, in Knoblauchöl geschwenkt. An der Wand in der Wirtsstube große Fotos: Freddie Mercury und Barbara Valentin hier, der Regisseur Rainer Werner Fassbinder, der schräg gegenüber wohnte, dort. Holzapfel führt fast jeden Tag Gruppen durchs Haus.

München war liberal wie New York oder Amsterdam

Die Runde mit Roman Stefka endet am Holzplatz. Hier hatte Freddie Mercury eine gemeinsame Wohnung mit Barbara Valentin. Und auch hier ist er heute sichtbar, auf dem „schönsten Toilettenhäuschen von München“. Seit ein paar Jahren ziert sein Porträt einen achteckigen gusseisernen Pavillon aus dem Jahre 1900. Daneben: der junge, noch bartlose Albert Einstein und Rainer Werner Fassbinder. Alle drei sind eng mit dem Glockenbachviertel verbunden. Es gibt auch eine Freddie-Mercury-Straße, sagt Stefka noch, aber die ist weiter draußen im Stadtteil Neuhausen und in seinen Augen kein Ruhmesblatt. „Die endet in einem Hinterhof an Mülltonnen, die musst du suchen.“

Das Toilettenhäuschen am Holzplatz erinnert an den Queen-Frontmann. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa)
In der Wanne im Hilton-Hotel am Englischen Garten hatte Mercury die Idee zum Nummer-eins-Hit „Crazy Little Thing Called Love“. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa)

Besonders nahe kommt man Freddie Mercury im „Hilton“ am Englischen Garten, hinter der Tür mit der Nummer 1104 im elften Stock. Allerdings muss man dafür ziemlich tief in die Tasche greifen, denn es ist die Präsidenten-Suite. Bei einem Schaumbad kam dem Sänger hier 1979 die Idee zu dem Lied „Crazy Little Thing Called Love“ – es wurde zum ersten Nummer-eins-Hit von Queen in den USA. Überhaupt war die Band in München sehr produktiv, die Musicland Studios waren eine der ersten Adressen für Plattenaufnahmen in Europa. Auch das kommt in dem Film „Bohemian Rhapsody“ zu kurz, sagt Herbert „Herbi“ Hauke, laut Visitenkarte „Rock-History Guru“.

Er war 1974 bei einem frühen Konzert von Queen dabei. Hinter der Bühne entspann sich ein kurzer Dialog mit Mercury, Hauke verlor werbende Worte über München. Mercury kam wieder, vor allem aber wohl, weil die Stadt als ähnlich liberal galt wie New York oder Amsterdam, er aber zugleich als Weltstar ziemlich unbehelligt durch die Gegend laufen konnte.

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