Fraunhoferstraße:Ein Radweg wie ein Graben

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Umstrittene Markierung: Die roten Streifen sind nur eine Übergangslösung. Die Behörden arbeiten an einem Konzept für eine Neugestaltung der Fraunhoferstraße. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Proteste von Anwohnern wegen des Wegfalls der Parkplätze in der Fraunhoferstraße werden immer wütender. Die Stadt stellt nun Anpassungen in Aussicht - doch am Pilotversuch soll sich zunächst wenig ändern.

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Wenn es eine Rangliste von Orten in der Innenstadt gäbe, deren Anwohner es geschafft haben, den Politikern so richtig auf die Nerven zu gehen, wäre wohl die Fraunhoferstraße ganz vorne dabei. Seit die Stadt dort in einer schnellen Aktion sämtliche Parkplätze abgebaut und stattdessen rote Radwege abmarkiert hat, machen Anwohner deutlich, dass sie - vor allem die Geschäftsleute - ohne jene Parkplätze nicht leben können und wollen. Nun hatte der Bezirksausschuss (BA) zu seiner jüngsten Sitzung einige Anträge zur Verbesserung der Lage vorbereitet: mehr Grün, Behindertenparkplätze, Ladezonen, Tempo 30. Im Stadtrat, wo die Anwohner der Fraunhoferstraße auch auftraten, wurden bereits Initiativen eingeleitet. Einigen Anliegern sind sie zu wenig, andere sind misstrauisch, ob sich wirklich etwas tut - und es waren wieder einige Anlieger zur BA-Sitzung gekommen, um über ihre Lage zu sprechen.

So berichtete eine Anwohnerin, dass sie infolge des Abbaus der Parkplätze ihre Anstellung verloren habe. Ein weiterer Anlieger erzählte von einem Handwerker in seinem Haus, der jetzt eine Werkstatt außerhalb der Stadt gesucht habe, da er von der Fraunhoferstraße aus keine vernünftige Logistik mehr gewährleisten könne. Das sei schon der zweite Betrieb, der jetzt gehe, sagte der Anwohner.

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Die Geschäftsleute an der Fraunhoferstraße wehren sich gegen die beiden Radspuren, denen 130 Parkplätze zum Opfer fallen sollen. Sie befürchten große Schwierigkeiten bei der Anlieferung und erhebliche finanzielle Einbußen.

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Ein anderer sprach im Zusammenhang mit der Fraunhoferstraße von "Terror". Durch den Wegfall der Parkplätze sei sie hässlicher und breiter geworden. Man könne jetzt, da kein Auto mehr den Blick versperrt, von der Papa-Schmid-Straße bis zur Isar durchschauen, das verleite zum Rasen. Durch die neue Radspur sei die Straße für überquerende Fußgänger praktisch sechsspurig und "hochgefährlich" geworden. "Wir sind doch keine Aussätzigen", rief ein Besucher, als ob an den Anwohnern der Fraunhoferstraße ein Exempel für schlechte Behandlung von Münchner Bürgern statuiert werden solle.

Der BA-Vorsitzende Andreas Klose (Rosa Liste) unterband die Redebeiträge nach einer Weile sehr konsequent und wies, wie schon öfter, darauf hin, dass die derzeitige Lösung als Provisorium zu betrachten sei. Bei der Stadt macht man nun deutlich, dass man gerne die Anträge prüfe. Doch schnell umgesetzt wird nichts: Die Straße soll erst nach Abschluss der Pilotphase umgebaut werden.

Eine Initiative zweier Gewerbetreibender ist bereits vom Tisch. Vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung hieß es, deren Idee, in der Fraunhoferstraße Lieferparkplätze auf verbreiterten Gehwegen unterzubringen und dafür die Fahrbahn schmaler zu machen, sei nicht kurzfristig umsetzbar. Dafür wäre eine bauliche Veränderung des gesamten Straßenquerschnitts erforderlich.

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Dazu komme, dass der Vorschlag der Gewerbetreibenden den Zielen des Bürgerbegehrens Radentscheid widerspreche. Denn in der Initiative der Geschäftsleute ist auch von einer Verschmälerung des Radwegs die Rede. An Hauptverkehrsstraßen wie der Fraunhoferstraße müssten Radwege nach dem Radentscheid, dessen Ziele der Stadtrat übernommen hat, mindestens 2,30 Meter breit sein - so breit also, wie die Radwege derzeit in der Fraunhoferstraße markiert seien. Auch den Platz für Fußgänger schränke das Konzept ein: Sie müssten sich teils mit einer Breite von 1,70 Metern statt 2,70 Metern Gehweg begnügen, mehr als zwei Meter breite Lieferfahrzeuge ließen sogar noch weniger Platz.

Die Verwaltung hatte vor der Umsetzung des Provisoriums aus Sicherheitsgründen Haltemöglichkeiten für den Lieferverkehr verworfen. Stattdessen wurden fünf Lieferzonen an zuführenden Straßen eingerichtet, die nun allerdings - so sagen es die Anlieger - laufend besetzt sein sollen und kaum kontrolliert würden. Hier wird nun angepasst: Die kommunale Verkehrsüberwachung soll die Lieferzonen stärker kontrollieren. Die Verwaltung will auch prüfen, ob weitere oder andere Schilder Abhilfe schaffen. Außerdem wird, wenn die Baustelle an der Ecke zur Jahnstraße aufgehoben ist, eine weitere Lieferzone eingerichtet. Und es soll Ausnahmegenehmigungen für Härtefälle geben.

Im Juni hatte der Stadtrat für eine fahrradfreundliche Neugestaltung der Fraunhoferstraße ein zweistufiges Verfahren beschlossen: Als Übergangslösung sollten rot eingefärbte Radfahrstreifen markiert werden. In einem zweiten Schritt geht es um eine mögliche Neugestaltung mit baulichen Eingriffen, breitere Gehwege zum Beispiel. Daran arbeiten die Behörden derzeit. Die Erfahrungen und Vorschläge der Gewerbetreibenden und Anwohner würden in die Planungen mit einfließen, hieß es.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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