Fotoprojekt:"Wichtig ist die Authentizität"

"Die Freiheit zum ,Anderssein' ist hart erkämpft", sagt Fotografin Bethel Fath. Zwölf Lebensgeschichten von lesbischen Frauen.

Von Sabine Buchwald

Ihren Platz in der Welt suchen

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Franziska & Sabine. Zur Welt kam Franziska 1989 in Leipzig, aufgewachsen aber ist sie in einem bayerischen Dorf. Sie glaubt, in einer Großstadt wäre ihr früher bewusst geworden, dass sie Frauen liebt. Weder an ihrer Schule noch in ihrer sehr christlichen Familie gab es Kontakt zu homosexuellen Menschen. Als sie Mitte 20 ihre erste Freundin hatte, dachte sie: "Okay, ich bin lesbisch. Ich gehöre jetzt zu einer Minderheit! Aber es fühlt sich nicht so an, denn für mich ist es ja normal." Franziska arbeitet bei Münchenstift in der Stabsstelle Vielfalt. Sabine, Jahrgang 1945, ist eine der Mitbegründerinnen von Lillemor's Frauenbuchladen. In den Sechzigerjahren floh sie vor ihrer Familie von Hamburg nach München. Sie fühlte sich "anders", als eine Frau, die ihren Platz in der Welt erst suchen muss. Beide verstört es, wenn sie sich etwa beim Bäcker erklären müssen, weil jemand Grüße an den Mann schickt.

Jahrelang keine Beziehung

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Daniela & Anke. Im Frühjahr hat Daniela, geboren 1990 in Portugal, ihrer Familie eröffnet, dass sie eine Frau heiraten werde. Es sei anstrengend gewesen, mit allen zu sprechen, erzählt sie. "Das war nicht nur ein Coming-out." Besonders am Herzen lag ihr das Gespräch mit der Oma, die überraschend zu ihr sagte: "Das ist keine Neuigkeit für mich. Nun gewinne ich eben eine Enkelin dazu." Diese Reaktion erleichterte Daniela enorm. Sie kam für ein Masterstudium nach München und arbeitet bei einer NGO für den Schutz von Regenwald und Natur. Anke, 75, arbeitete 31 Jahre als Übersetzerin für Englisch, Französisch und Italienisch in einer großen Firma. Ihren Sohn aus der Ehe mit einem Mann zog sie alleine groß. Das Muttersein und ihr Beruf ließen ihr kaum Zeit für eine Beziehung. Geoutet hat sie sich erst, als eine lesbische Kollegin sie ansprach. Da war sie schon fast 50. Seit 16 Jahren ist sie nun mit ihrer Partnerin liiert.

Die Frauen waren nicht sichtbar

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Christine & Sabine. Als Studentin im Frankfurt der Siebzigerjahre suchte Christine, Jahrgang 1944, eine Selbsterfahrungsgruppe, um andere Lesben kennenzulernen. "Sie waren nicht sichtbar, auch nicht in der Frauenbewegung", erzählt sie. Zu dieser Zeit sei es auch schwierig gewesen, als Deutsch- und Englischlehrerin zu arbeiten. In München ist sie seit Jahren in der Frauen- szene aktiv. Jetzt im Alter ist ihr der Zusammenhalt sehr wichtig: "Damit wir uns gegenseitig den Rücken stärken können." Sabine, 33, wuchs auf einem Bauernhof auf. Sie wurde katholisch erzogen. 2003 outete sie sich in ihrem Heimatdorf - wohl als erste Person überhaupt - und stieß auf Ablehnung. Anders sein, das gebe es da nicht, sagt sie. "Da gehst du schön in die Kirche. Und wenn nicht, dann kommt Gottes Strafe." Sie kämpft nicht mehr darum, im Dorf akzeptiert zu werden. Sie hat ihren Frieden gefunden, lebt mit ihrer Frau Nele und zwei ihrer drei Kinder bei Augsburg.

Höhere Akzeptanz

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Chris-Tina & Irena. 1993, als verheirateter Mann, zog Chris nach München und lernte bald seine jetzige Ehefrau kennen. Nach fünf Jahren fand er den Mut, sich zu outen. Die beiden haben einen 19-jährigen Sohn und sind nicht geschieden, leben aber getrennt. Sie telefonieren und treffen sich regelmäßig. Chris-Tina, 49, wusste sehr früh, dass er/sie transsexuell ist und sagt: "Vollkommen egal, ob in einer lesbischen, schwulen oder Trans*-Situation - wichtig ist Authentizität. Die Akzeptanz ist dann höher, als wenn du unsicher bist." Irena, 58, wuchs in einem toleranten Elternhaus auf. Die Kleinstadt im Schwarzwald wurde ihr dennoch zu eng. Sie ging für einige Jahre nach San Francisco. Zurück in München begann für sie ein freies Leben. Sie leitet den Bereich Psychosoziale Beratung und Prävention bei der Münchner Aidshilfe, zu dem auch die Beratungsstelle "Rosa Alter" gehört. Sie sagt, es brauche Mut, um zu sich selbst zu stehen, "wenn du das, was du bist, offen lebst".

Gute Unterstützung

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Corinna & Lena. Mit Anfang 20 erkannte Corinna, 53, was an ihr besonders war: Sie verliebte sich in Frauen. Über den Fußball lernte sie ihre Partnerin kennen, mit der sie seit 2000 liiert ist. Ihre Familie hat positiv auf ihr Coming-out reagiert. Bedenken kennt sie dennoch, etwa im Fußballverein als Trainerin. Da habe sie sich erst mal nicht geoutet, weil sie befürchtete, dass man ihr etwas nachsagen könnte. Inzwischen schreibt Corinna Romane über die Ängste des Sichtbarwerdens als Lesbe. Sie lebt seit 1989 in München und arbeitet als Verwaltungsbetriebswirtin im Evangelischen Landeskirchenamt. Lena, 20, kommt aus einer oberbayerischen Kleinstadt und studiert Soziale Arbeit. Schon mit 14 war ihr klar, dass sie Frauen attraktiv findet. Ihre Familie unterstützte ihr inneres Coming-out Schritt für Schritt nach außen. Wenn andere wissen wollen, woran sie gemerkt habe, dass sie lesbisch sei, fragt sie gerne mal zurück: "Woran hast du denn gemerkt, dass du hetero bist?"

Heimliches Begehren

Mut der Generationen, lesbisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit; Ausstellungsprojekt zur PrideWeek 2021 von Münchenstift
(Foto: (c)Bethel Fath)

Barbara & Verena. Als Kriegsflüchtling hat Barbara, 83, schon jung Diskriminierung erlebt. Und doch ist die ehemalige Lehrerin jemand, die das Leben nicht zu schwer nimmt, die gerne flirtet. Bevor sie sich endgültig entschied, mit Frauen zusammen zu sein, war sie mit einem Mann verheiratet. Sie hat zwei Söhne. Für sie steckt in jeder Frau auch ein lesbisches Begehren - egal, ob sie sich das eingesteht, es auslebt oder nicht. Gerade diejenigen, die das vehement zurückweisen, seien insgeheim oft einer Frau zugeneigt, sagt sie. Die Informatikstudentin Verena, 41, kam aus dem Allgäu nach München, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Sie ist gern in der Natur und lebt mit ihrer Partnerin "sehr glücklich", wie sie sagt. Die beiden wollen bald heiraten. Als sie sich mit ihrer Partnerin auf eine Wohnung beworben hatte, fragte sie sich dennoch: "Haben wir schlechtere Chancen?" Doch es gebe Länder, wie die Ukraine, wo viel mehr Mut nötig sei, um als lesbische Frau zu leben.

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Ausstellung in München
:"Wenn man sich verbiegen muss, kann man nicht glücklich sein"

Das Fotoprojekt von Bethel Fath und Gertraud Rieger zeigt die Lebenswelt von lesbischen Frauen. Ihre Geschichten machen deutlich: Es braucht viel Mut, so zu sein, wie man möchte.

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