Im Forst Kasten wird der Kiesabbau nun doch nicht ausgeweitet. Das hat die Stadt München bekannt gegeben. Die städtische Heiliggeistspital-Stiftung - ihr gehört der gut 800 Hektar große Bannwald im Südwesten der Stadt - und ein Neurieder Kiesabbauunternehmen haben den Pachtvertrag für eine knapp zehn Hektar große Fläche zwischen Neuried und Planegg Ende Mai einvernehmlich aufgehoben. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zeigt sich erfreut: "Das ist eine sehr gute Nachricht für den Erhalt des Forsts", wird er in der Mitteilung aus dem Rathaus zitiert, "nicht nur zur Naherholung, sondern auch für den Umweltschutz".
Der Vertrag war im Juni 2021 geschlossen worden. Vorausgegangen war ein langjähriges Ausschreibungsverfahren, aus dem die Firma Gebrüder Huber Bodenrecycling GmbH als Sieger hervorging. Begleitet wurde die Entscheidung des Stadtrats damals von heftigen Debatten über die Frage, ob man in Zeiten der Klimakrise mehrere Hektar Wald für Kiesabbau opfern dürfe. Grüne und SPD taten sich sehr schwer mit der Entscheidung, zu der sie sich juristisch gezwungen sahen. In den Tagen vor der Abstimmung besetzten etwa 30 Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Wald.
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Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen habe man damals der Firma den Zuschlag geben müssen, so die Stadt in der aktuellen Mitteilung. Laut damaliger Einschätzung der Regierung von Oberbayern sei der Sozialausschuss des Stadtrats verpflichtet gewesen, im Sinne der Heiliggeistspital-Stiftung zu handeln, weil die Politiker den Stiftungsrat bilden und im Sinne der Stiftung abstimmen sollten.
Letztlich ausschlaggebend für die Zustimmung war 2021 offenbar ein Schreiben der Regierung: Darin weist sie darauf hin, dass die Stadträte bereits 2014 in ihrer Funktion als Stiftungsorgan beschlossen hätten, "eine Verpachtung des Stiftungsgrundstücks zum Zwecke des Kiesabbaus im Forst Kasten in die Wege zu leiten". Bei einem Rückzieher hätte der Stiftung "ein wirtschaftlicher Schaden" gedroht, auch Regressansprüche gegen die verantwortlichen Stadträte wären nicht ausgeschlossen gewesen.
Nun seien laut Stadt "geänderte Rahmenbedingungen" Grund für die geräuschlose Auflösung des Vertrags: Inzwischen stehe in Frage, ob der Kiesabbau überhaupt noch genehmigungsfähig sei, weshalb eine Fortführung des Vertrags für beide Parteien "nicht mehr sinnvoll" sei. "Nun ist doch gelungen, was zwischendurch unmöglich schien", wird OB Reiter in der Mitteilung des Rathauses zitiert. Man könne den Stiftungszweck für das Heiliggeistspital auch ohne Kiesabbau sichern.
Zuständig für die Genehmigung des Kiesabbaus ist das Landratsamt München. Landrat Christoph Göbel (CSU) hatte bereits kurz nach der Stadtratsentscheidung seine ablehnende Haltung zum Kiesabbau in dem Landschaftsschutzgebiet deutlich gemacht und durchblicken lassen, dass er eine Genehmigung nahezu ausschließe. Im Forst Kasten wird seit Jahrzehnten Kies abgebaut, auch in unmittelbarer Nähe der umstrittenen Fläche.
Erleichtert reagieren auch die Grünen im Stadtrat. Fraktionschefin Mona Fuchs erklärt, dass mit der Vertragsauflösung ein Anliegen der Grünen "endlich umgesetzt" werde, "die Auskiesung des wertvollen Waldgebiets zu beenden und das Naherholungsgebiet und die grüne Lunge des Würmtals zu erhalten". Durch den Kiesabbau wäre Lebensraum für viele Tierarten, Pflanzen und Organismen fragmentiert und zerstört worden, teilt Fuchs weiter mit. Sie würdigt zudem das Engagement diverser Bürgerinitiativen und Umweltschutzgruppen, ohne die "dieses Ergebnis so nicht möglich" gewesen wäre.
Auch die Aktivistinnen und Aktivisten, die den Wald besetzt hatten, reagieren positiv auf die Nachricht vom Erhalt des Forst-Kasten-Waldes. Zugleich kritisieren sie OB Reiter und die Grünen. In einer Mitteilung werfen sie diesen vor, nun so zu tun, als seien sie schon immer für den Erhalt des Forsts gewesen. Dabei hätten nur Linke und ÖDP 2021 gegen die Abbau-Genehmigung gestimmt. Die Klimaschützer machen die Stadt auch verantwortlich für den Polizeieinsatz, mit dem die Waldbesetzung beendet wurde. Im Nachgang hätten Aktivisten mehrere Tausend Euro Bußgelder zahlen müssen. In Anspielung auf die von der Stadt angedeuteten neuen Rahmenbedingungen schreibt Klimaaktivistin Lisa Poettinger: "Wir sind die geänderten Rahmenbedingungen." Der Erfolg zeige: "Kämpfen lohnt sich." Auch Waldbesetzer Ingo Blechschmidt verweist darauf, dass die Forstrettung "ohne den zivilgesellschaftlichen Protest nicht möglich gewesen" wäre.
Der Chor der Jubelnden ist groß
Der Bund Naturschutz stimmt in den Chor der Jubelnden ein: "Unsere grünen Lungen verdienen jeden Schutz, den wir ihnen geben können", erklärt Thorsten Kellermann, Vize-Vorsitzender der Kreisgruppe München.
Der Münchner Landtagsabgeordnete Florian Siekmann (Grüne) fordert, auch Kiesabbau im Lochhamer Schlag auf Gräfelfinger Gemeindegebiet zu verhindern. Der Wald dort ist nicht in öffentlichem Eigentum, eine Firma hat 2021 Kiesabbau auf zwölf Hektar beantragt, das Genehmigungsverfahren läuft noch. Laut Bauministerium wäre eine Baumfällung im Bannwald nur dann möglich, wenn direkt angrenzend ein Wald "neu begründet wird", der den Verlust ausgleiche.