Urteil:Baumbesetzer muss Strafe zahlen

Aktivisten besetzen Forst Kasten Aktivisten besetzen Forst Kasten. Sie protestieren damit gegen den geplanten Kahlschlag

Mitte Mai besetzten Aktivisten den Forst Kasten. Am Montag vergangener Woche wurde das Gelände von der Polizei geräumt.

(Foto: imago images/Thomas Vonier)

Der Angeklagte war einer der Baumbesetzer von Forst Kasten, die gegen den dort geplanten Kiesabbau protestierten. Als Beamte das Gelände räumten, soll er sie beleidigt haben.

Von Stephan Handel

Auf der Sitzungsliste des Amtsgericht steht dort, wo sonst der Name des Angeklagten zu lesen ist "Unbekannt Unbekannt" - und das erklärt auch schon, warum Andreas S. seit einer Woche wegen einer Kleinigkeit in Stadelheim sitzt: Er wurde festgenommen und weigerte sich, eine der wenigen Pflichten eines Beschuldigten zu erfüllen, nämlich zu sagen, wie er heißt. Deshalb wurde er in so genannte Hauptverhandlungshaft genommen, aus der er am Montag zu seinem Prozess vorgeführt wird.

Andreas S., 29 Jahre alt, war einer der Baumbesetzer von Forst Kasten, die gegen den dort geplanten Kiesabbau und die damit einhergehende Waldrodung protestierten. Als die Polizei am Montag vor einer Woche das Gelände räumte, soll S. Polizisten als "Trottel" und Vollidioten beschimpft haben. Deshalb lautet die Anklage auf Beleidigung.

Andreas S. nennt zunächst jetzt doch seinen Namen und verteidigt sich dann damit, dass einer der Polizeibeamten - er nennt sie Kletterpolizisten, offiziell heißen sie Höheninterventionsbeamte -, dass also einer dieser Beamten auf einen der Bäume geklettert sei, zwischen denen er, S., ein Seil gespannt hatte, so dass er zwischen den Stämmen in einer Art Hängematte campierte, und dass der Beamte mit seinen Steigeisen eventuell sein Sicherungsseil durchtrennen hätte können. Das ist der kürzere Teil des Eingangs-Statements, es folgt ein längliches Manifest gegen alles und jeden, bei dessen Verlesung Amtsrichter Alexander Fichtl schon große Geduld zeigt.

Es sagen zwei Polizeibeamte aus, die im Großen und Ganzen die Vorwürfe bestätigen, es wird ein Video der Szene betrachtet, in dem die Schimpfworte zwar nicht gut, aber doch zu hören sind. Richter Fichtl legt dem Angeklagten mehrmals nahe, sich doch bei dem Polizisten zu entschuldigen - dann könne man über eine Einstellung des Verfahrens reden.

Der mag aber nicht. Und stellt - die Verhandlung ist mittlerweile eineinhalb Stunden alt - elf Beweisanträge, größtenteils von der Qualität: Man möge einen Arzt befragen, ob ein Sturz aus sieben Metern eventuell tödlich ausgehen könne. Richter Fichtl unterbricht die Verhandlung für eine halbe Stunde, und weil mittlerweile der Haftbefehl aufgehoben wurde, kann S. zu seinen Fans vor dem Gerichtsgebäude gehen, die ihn mit Applaus begrüßen.

Die Beweisanträge werden alle abgelehnt, der Staatsanwalt fordert eine Strafe von 1050 Euro, der Verteidiger eine von 60. Und als Richter Fichtl sein Urteil begründet - 400 Euro -, legt S. den Kopf auf die Arme und tut, als würde er schlafen. Dann verlässt er das Gericht, und seine Freunde draußen haben wieder einen Helden zu beklatschen.

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