Münchner Stadtrand:Kahlschlag mitten im Erholungsgebiet

Wald zwischen Neuried und Gauting.

Grüne Lunge Münchens: Der Forst Kasten ist Erholungs- und Klimaschutzgebiet gleichermaßen. Hier sollen bald wieder Tausende Bäume fallen.

(Foto: Catherina Hess)

Im Forst Kasten werden wohl Tausende Bäume dem Kiesabbau weichen - mit dem Ja der grün-roten Rathauskoalition, die das eigentlich nicht möchte.

Von Thomas Anlauf

Es wird ein Kahlschlag mitten im Erholungsgebiet. Schätzungsweise bis zu neuntausend Bäume sollen schon bald im Forst Kasten am Münchner Stadtrand gerodet werden, damit eine Neurieder Firma tonnenweise Kies aus dem Waldboden baggern kann. Sämtliche Versuche, den Kiesabbau doch noch zu stoppen, sind bislang gescheitert. Die grün-rote Rathauskoalition wird dem Kiesabbau nun zähneknirschend zustimmen müssen. Denn die Stadträte müssen in diesem Fall als Organ der Heiliggeistspital-Stiftung abstimmen, der der Wald gehört. Die Grünen-Fraktion sieht in dem Prozedere "einen massiven Eingriff in die freie Mandatsausübung".

In dem bereits jahrelang schwelenden Streit geht es um den Kiesabbau auf einer Fläche von etwa 9,5 Hektar im Forst Kasten zwischen Neuried und Planegg. Mit dem Kiesabbau kann die Heiliggeistspital-Stiftung schnell Geld erwirtschaften, das sie vor allem für den Unterhalt des Altenheims Heiliggeist in Neuhausen verwendet. Mittlerweile wird seit sechs Jahrzehnten in dem Wald im Südwesten Münchens Kies abgebaut, in der Vergangenheit war das meist das Würmtaler Unternehmen "Bernhard Glück Kies - Sand - Hartsteinsplitt GmbH".

Die Firma wollte auch jetzt wieder einen Pachtvertrag mit der Stiftung abschließen, doch dazu kam es nicht, seither liegen die Firma Glück und die Stiftung im Rechtsstreit. Unterdessen hat die Neurieder Firma "Gebrüder Huber Bodenrecycling GmbH" in einem Ausschreibungsverfahren das beste Angebot abgegeben und wartet seit 2019 auf den Zuschlag für den Kiesabbau. Doch bislang konnte sich der Münchner Stadtrat nicht endgültig festlegen. Dieser ist als Stiftungsorgan zuständig und müsste eigentlich im Sinne der Stiftung handeln.

Hier beginnt das Dilemma. Denn so müssten die Stadträte zustimmen, dass Tausende Bäume gefällt werden, um Rohstoff für die Bauindustrie zu erhalten, obwohl sie Ende 2019 für München den Klimanotstand ausgerufen haben und somit alle Entscheidungen des Stadtrats auf Klima- und Umweltverträglichkeit hin basieren sollten. Die Grün-Rosa Stadtratsfraktion lehnt deshalb die Auskiesung und die damit verbundene Rodung "aus politischen Gründen" ab, wie sie am Dienstagnachmittag mitteilte. Die Sozialausschuss-Mitglieder dürften bei der nächsten nicht-öffentlichen Sitzung am 20. Mai, in der der Kiesabbau auf der Tagesordnung steht, "nicht im Rahmen ihres kommunalen Mandats handeln". Die Grünen kritisieren zudem, dass der Sozialausschuss lediglich wirtschaftliche Belange der Stiftung berücksichtigen solle, nicht jedoch klima- oder umweltpolitische Belange. Sie hoffen nun darauf, dass das Landratsamt München bei einer möglichen Genehmigung des Kiesabbaus im Forst Kasten diese Aspekte berücksichtigen wird.

Die Regierung von Oberbayern als Stiftungs- und Rechtsaufsicht der Heiliggeistspital-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass ein Stadtratsbeschluss, den Zuschlag zum Kiesabbau nicht zu erteilen, rechtswidrig wäre, da das wahrscheinlich einen hohen finanziellen Schaden der Stiftung bedeuten würde und damit gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Stiftung verstoßen würde. Auch könnte es zu Schadenersatzansprüchen durch die Neurieder Firma kommen, die seit Jahren auf den Kiesabbau warte und wohl auch Auslagen gehabt habe, argumentiert die Regierung. Das Sozialreferat stellt dazu fest, dass sich die Stadtratsmitglieder als Organ der Stiftung auch schadensersatzpflichtig machen würden, wenn sie nicht den rechtlichen Vorgaben folgen würden und den Kiesabbau noch stoppen wollten.

Christian Hierneis, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in München, ist empört über die Haltung von Regierung und Sozialreferat. "Wenn die Stadt will, kann sie das jederzeit beenden. Es ist nicht richtig, dass der Wald abgeholzt werden muss", sagte Hierneis am Dienstag der Süddeutschen Zeitung. "Wenn dem so wäre, müsste jede Stiftung, die einen Wald hat, diesen abholzen, wenn es darunter Bodenschätze gibt." Die Stiftung betone auf ihrer Homepage, sie wolle Verantwortung durch ökologisches Handeln übernehmen. "Das ist offensichtlich gelogen. Die Stiftung agiert nicht nachhaltig. Ihre Gemeinnützigkeit wird konterkariert durch ihr Handeln, das der Allgemeinheit Schaden zufügt", sagt der Landtagsabgeordnete der Grünen.

Der Bund Naturschutz in München will nun alle rechtlichen Schritte prüfen, um die Abholzung zu verhindern. "Eine Stadt, die den Klimanotstand ausruft und dann einen Klimaschutz- und Bannwald, der gleichzeitig einer der wichtigsten Erholungswälder der Münchner ist, abholzt, hat jede Glaubwürdigkeit verloren."

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