Streik am Flughafen:"Das Gehalt ist untragbar, vor allem in München"

Lesezeit: 2 min

Die eine oder andere lange Schlange hier, ein paar Wartende dort, aber viele Reisende hatten sich am Mittwoch offenbar auf den Warnstreik der Lufthansa eingestellt. (Foto: Alexander Pohl/imago)

Etwa die Hälfte des Lufthansa-Bodenpersonals hat am Mittwoch die Arbeit niedergelegt. Chaotische Zustände im Terminal blieben jedoch aus.

Von David Pister

Die Wörter "annulliert" und "cancelled" blinken abwechselnd hinter den meisten Flügen auf der Abflugtafel am Münchner Flughafen. Wegen des Warnstreiks des Lufthansa-Bodenpersonals sind am Mittwoch laut Fluggesellschaft rund 350 Flüge abgesagt worden, etwa 42 000 Passagiere sind betroffen. Zu chaotischen Zuständen hat das aber nicht geführt. Eine längere Schlange hier, ein paar Wartende und leere Ticketschalter dort, doch die meisten Fluggäste hatten sich auf die Streiks eingestellt und waren gar nicht zum Flughafen gefahren.

Eine, die noch nicht weiß, wie es weitergeht an diesem Tag, ist Jo Noonan. Langsam schiebt sie ihren Gepäck-Trolley vor sich her. Die Rentnerin aus Chicago war fünf Tage in München, um hier Urlaub zu machen. Von der Annullierung ihres Fluges zurück in die USA habe sie am Vortag per Mail erfahren. Sie habe noch keinen Ersatzflug, sagt sie auf Englisch: "Ich werde jetzt erstmal einen Kaffee trinken und warten, ob sich etwas ergibt."

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Auch Luke Oliver und Alethea Scoasa aus Australien wissen noch nicht, wie es weitergeht. Das Paar hätte nur einen kurzen Stopp in München gemacht und wäre dann weiter nach Kroatien geflogen. Doch der Flug nach Kroatien wurde gecancelt. Ihnen sei ein Flug nach Amsterdam angeboten worden, von dort hätten sie weiter nach Kroatien fliegen können. "Das dauert uns viel zu lange. Wir leihen uns jetzt ein Auto und fahren über Österreich und Slowenien", sagt Oliver, während er in sein Handy tippt. "Das wird teuer. Das kostet über 2000 Euro."

Ausstand vor dem Terminal 1: Die Streikenden fordern 9,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro monatlich. (Foto: Alexander Pohl/imago)

In der überdachten Halle zwischen den Terminals 1 und 2 stehen die Streikenden. Sie tragen gelbe Westen, Buttons und schwenken Verdi-Fahnen. "Bezahlt endlich meine Mutter gescheit" und "Solidarität mit allen Streikenden" steht auf Pappschildern geschrieben. Sie fordern höhere Gehälter - 9,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro monatlich. Monica Montes de Oca würde zu dieser Zeit eigentlich die Be- und Entladung der Flugzeuge planen, koordinieren und überwachen. Stattdessen steht sie in gelber Weste vor dem Flughafen und streikt. "Das Gehalt ist untragbar, vor allem in München. Bei den Technikern liegt der Stundenlohn teilweise bei 11,45 Euro", sagt sie.

Montes de Oca arbeitet seit den Neunzigern bei der Lufthansa - seit 2002 ist sie Mitglied bei der Gewerkschaft Verdi und im Betriebsrat. "Wir sind die letzte Instanz, die die Tür des Flugzeuges schließt. Wir schleppen auch mal einen Kinderwagen. Wir arbeiten immer draußen auf der Rampe. Auch bei gefühlten 60 Grad in der Sonne, dick eingepackt mit Sicherheitsschuhen", so Montes de Oca. Auch die Arbeitsbedingungen an den Ticketschaltern sei desaströs. "Kollegen werden angespuckt und mit Dingen beworfen", erzählt sie. Kunden hätten auch schon die Glasscheibe eingeworfen.

Mehr als die Hälfte der zwischen 2000 und 3000 Beschäftigten hat laut Verdi an diesem Tag die Arbeit niedergelegt. Sinan Öztürk, stellvertretender Landesbezirksleiter Bayern, freut sich über die "hohe Streikbereitschaft" und ist froh, "dass die Kundinnen und Kunden nicht zu stinkig sind". Auf der Kundgebung kommt auch Jens Ritter, Mitglied der Lufthansa-Geschäftsführung, zu Wort. "Ihre Belastung geht mir wirklich zu Herzen", so Ritter. Er habe den Eindruck, dass die Forderungen des Bodenpersonals und das Entgegenkommen des Konzerns "dicht beieinander" lägen.

Für den Ausstand zeigte er wenig Verständnis: "Ein Warnstreik von drei Stunden wäre angemessen. Über 24 Stunden sind unverhältnismäßig", so Ritter. Buhrufe und Pfiffe sind die Antwort auf seine Rede. "Die Menschen, die hier stehen, jeder einzelne, sind Arme, Beine und Kopf, aber vor allem das Herz der Lufthansa. Ohne diese Leute würde kein einziges Flugzeug abheben", sagt Verdi-Mitglied Peter Schmidt am Ende der Kundgebung an Ritter gerichtet.

Lufthansa und Verdi haben in zwei Runden über die künftigen Gehälter und Arbeitsbedingungen der rund 20 000 Bodenbeschäftigten gesprochen. Ein dritter Termin ist für den 3. und 4. August vereinbart.

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