Hub Operation Center am Münchner Flughafen:Wie Passagiere trotzdem noch ans Ziel kommen

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Im Hub Operation Center gibt es viele Bildschirme, um den Überblick zu behalten. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Mitarbeiter im Hub Operation Center sorgen dafür, dass die Flüge sicher und pünktlich abgefertigt werden. Sie haben alles im Blick – und Tricks, damit Fluggäste verpasst geglaubte Maschinen noch erreichen.

Von Andreas Schubert

Vor ein paar Minuten ist ein Flieger aus Frankfurt gelandet, an Bord ein Mensch, der weiter nach Miami will beziehungsweise wollte. Der Mensch, nennen wir ihn John Doe, hat wenig Zeit, seinen Anschlussflug zu erwischen, da die Maschine aus Frankfurt Verspätung hat. Genauer: Er hätte 32 Minuten Zeit gehabt, für den Weg zum Anschlussflug. Inklusive Ausreiseformalitäten hätte John Doe nach Berechnungen der Lufthansa allerdings 36 Minuten gebraucht. Vier Minuten zu viel. Das klingt nach wenig, doch der Flieger nach Miami konnte nicht warten.

Man kann den Ablauf auf dem Bildschirm von Liakos Ayhanissios verfolgen. Ayhanissios ist ein sogenannter Hub Controller im Hub Operation Center im Terminal 2, das Kontrollzentrum des internationalen Drehkreuzes. Es wird von der Lufthansa und dem Flughafen betrieben; von hier aus wird der nationale und internationale Flugverkehr der Kranichlinie und der Star-Alliance-Airlines gesteuert. 70 Prozent der im Terminal 2 ankommenden Passagiere steigen dort in einen anderen Flug um. Und Mitarbeiter wie Ayhanissios tun alles, damit der Flugbetrieb rund läuft und die Passagiere reibungslos ihr Ziel erreichen.

Im Fall von John Doe hat es nicht geklappt, obwohl Ayhanissios mehrfach herumtelefoniert hat, damit der Passagier seinen Flieger noch bekommt. Nun muss er auf einen anderen Flug umgebucht werden. Anderen Passagieren, die nicht durch eine Grenzkontrolle müssen, geht es unter Umständen besser. Wenn die Zeit noch reicht, werden sie am Gate abgeholt und mit Bussen direkt zum Anschlussflug gebracht. Und schon beim Buchen sorgt eine KI dafür, dass Umsteige-Passagiere möglichst weit vorne im Flieger sitzen, damit sie schneller aus der Maschine und zum Anschlussflug kommen.

Besucher dürfen im Hub Operation Center (HOC) nur selten hinter die Kulissen blicken. Hier herrscht eine konzentrierte Atmosphäre. Etwa 150 Expertinnen und Experten der Flughafengesellschaft FMG und der Lufthansa koordinieren hier sieben Tage in der Woche rund um die Uhr die Flugplanung, Flugzeugabfertigung, den Umgang mit Passagieren, den Umsteigeverkehr sowie die Steuerung aller Prozesse auf dem Vorfeld des Terminal 2. Sie tun dies unter hohem Zeitdruck und mit dem Ziel, täglich über 400 Abflüge der Lufthansa, Star Alliance und weiterer im Terminal 2 beheimateten Fluggesellschaften sicher, pünktlich und wirtschaftlich abzufertigen. Hier haben die Mitarbeiter alles im Blick, seien es die Arbeitszeiten der Crews, die Wartungen der Maschinen oder das Wetter an den Destinationen.

Es gibt Tage, die bleiben im Gedächtnis

Anke Degel leitet das HOC seit zwei Jahren. „Für mich ist es der schönste Arbeitsplatz der Welt“, schwärmt sie. Wenn sie aus dem Fenster schaue, sehe sie die Flieger hautnah. Man nimmt ihr die Begeisterung durchaus ab. Denn Degels Job und die Jobs der Mitarbeiter bringen jeden Tag neue Herausforderungen und Überraschungen mit sich. Da sind Verspätungen, mit denen sie im HOC umgehen müssen. Wenn Flüge annulliert werden, schauen die Mitarbeiter, wie die Passagiere trotzdem ans Ziel kommen. Da werden dann unter anderem größere Maschinen eingesetzt, sofern verfügbar.

Anke Degel leitet das HOC und mag ihren Job. (Foto: Marco Einfeldt/)
Wenn der Anschlussflug noch erreicht wird, ist das oft der Arbeit im HOC zu verdanken. (Foto: Marco Einfeldt)

Es gibt dabei Tage, die Degel im Gedächtnis bleiben. Da wären etwa die jüngsten Streiks am Flughafen, die den Flugbetrieb weitgehend lahmgelegt haben. Im HOC sind sie dann stolz, wenn der Umsteigeverkehr trotz des Ausstands einigermaßen funktioniert und, ganz wichtig, der Betrieb am Tag nach dem Streik wieder normal läuft. Die Airlines versuchen in extremen Situationen, die Passagiere möglichst am selben Tag weiterzutransportieren, auch indem sie mit anderen Fluggesellschaften zusammenarbeiten. Das klappt allerdings nicht immer. Manchmal müssen die Fluggäste am Boden bleiben und werden an Hotels vermittelt.

Auch der Chaos-Tag während der Wiesn 2024, bei dem sich kilometerlange Schlangen an der Sicherheitskontrolle bildeten, ließ den allgemeinen Adrenalinspiegel im HOC steigen. 750 Passagiere verpassten ihren Flug, mussten umgebucht werden und wurden teils sogar mit der Bahn weitergeschickt. Auch im Sommer 2023, als nach den Corona-Beschränkungen der Flugbetrieb zu schnell wieder hochfuhr, Tausende Koffer nicht rechtzeitig oder gar nicht ans Ziel kamen, waren die HOC-Leute vor allem Krisenmanager, wie der Operative Leiter Oktay Degirmenci erzählt.

Er arbeitet seit 23 Jahren im HOC und wirkt wie die Ruhe in Person. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, sein Arbeitsplatz umfasst mehrere Bildschirme, auf denen alle wichtigen Informationen zu sehen sind. Am Freitagnachmittag etwa sieht er auf der Karte, dass in Palma de Mallorca schlechtes Wetter herrscht.  Wenn es wirklich schlimm ist, werden Flüge umgeleitet, erzählt Degirmenci, oder sie fallen gleich ganz aus. Dann geht es wieder los mit den Umbuchungen und allem, was dazugehört. Langweilig dürfte es den Leuten im HOC jedenfalls nicht werden.

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