Die jüngsten Protestaktionen des Klimaschutzbündnisses "Letzte Generation" hatten sich am Donnerstag schnell sogar bis nach Südafrika herumgesprochen. In der dortigen Hauptstadt Pretoria meldete sich jedenfalls der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu Wort, und zwar mit einer Kritik am Versuch der Aktivisten, am Vormittag die Flughäfen in München und Berlin lahmzulegen. Protest gegen Umweltzerstörung oder Klimawandel sei ja grundsätzlich okay, sagte der Grünen-Politiker am Rande eines Besuches: "Aber er sollte so gewählt sein, dass Menschen nicht unnötig darunter leiden, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Klimaschutz nicht gefährdet wird."
Unter Politikern tendiert die Akzeptanz der Klimakämpfer und ihrer Belange anscheinend bereits gegen Null, wie diversen Äußerungen zu entnehmen war. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) twitterte dabei noch relativ gemäßigt: "Klima-Kleber schaden dem Klimaschutz und gefährden ihre Mitmenschen. Bayern geht deshalb konsequent gegen die Chaoten vor. Es gibt sinnvollere Möglichkeiten, sich für den Klimaschutz zu engagieren." Und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ließ mitteilen: "Mit ihren kriminellen Machenschaften gefährden die Aktivisten der ,Letzten Generation' den gesellschaftlichen Konsens. Eine Demokratie entscheidet aufgrund von Mehrheiten und lässt sich nicht erpressen."
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Tatsächlich war aber gar nicht einmal so viel passiert, wie man angesichts der ganzen Aufregung hätte glauben können. Die Aktivisten hatten jedenfalls keinen Staatsstreich unternommen oder den Sturz der Regierung vorgehabt, im Gegenteil. Sie wollten auch dieses Mal die Regierung mit ihren Aktionen zum Handeln bewegen in Sachen Klimaschutz.
In der Bundeshauptstadt Berlin waren sechs Personen abgefangen worden, ehe sie tiefer aufs Gelände vordringen konnten, nur zwei schafften es, sich auf einem Vorfeld nahe des Zauns festzukleben. Bis zum Rollfeld seien sie aber nicht gekommen. Die Sicherheitskräfte seien gegen 9.20 Uhr alarmiert worden, rund eine Stunde später sei der Einsatz bereits beendet gewesen, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Der Flugbetrieb war in dieser Zeit kaum beeinträchtigt, geschweige denn "zum Erliegen gebracht", wie in einer Mitteilung der "Letzten Generation" behauptet wurde. Die Polizei sei kurz vor dem Vordringen aufs Flughafengelände informiert worden, teilte die Gruppierung mit. Eine Sprecherin der Bundespolizei wies das zurück; es seien keine konkreten Hinweise bekannt gewesen.
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In München war der Flugverkehr ebenfalls kaum beeinträchtigt, nur eine Dreiviertelstunde, wie Polizei und Flughafenverwaltung erklärten. Dort war die nördliche Start- und Landebahn kurzzeitig gesperrt worden, weil es um kurz vor zehn Uhr vier Personen gelungen war, sich auf einem nahegelegenen Rollfeld festzukleben; sie wurden jedoch schnell wieder entfernt. Drei weitere Aktivisten, die im Süden auf das Gelände wollten, wurden frühzeitig gestoppt. Die meisten Flieger wurden auf die südliche Piste umgeleitet, es sei dabei "zu keinen größeren Störungen" gekommen, heiß es. Ein Flugzeug mit einem 80-jährigen Notfall-Patienten, der über Schmerzen in der Brust klagte, konnte allerdings erst mit rund 20-minütiger Verspätung landen, berichtet die Polizei.
Livedaten auf der Internet-Plattform "Flightradar 24" zeigten, dass beide Start- und Landebahnen schnell wieder in Betrieb waren; es kam nur zu einzelnen, geringen Verspätungen. Die auf einen Großeinsatz eingestellte Polizei nahm die sieben Aktivisten in Gewahrsam. Ihnen stehen nun Ermittlungen wegen eines "Gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr" sowie weiterer Straftaten wie Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung bevor.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte nach der Störaktion eine umgehende Überprüfung des Sicherheitskonzepts am Münchner Flughafen. "Es ist absolut unverantwortlich, durch Blockadeaktionen in den Flugverkehr einzugreifen", betonte er und sprach von einer unverfrorenen Rücksichtslosigkeit der Aktivisten. Die würden nicht nur laufend gegen Gesetze verstoßen, sondern potenziell auch viele Menschen gefährden.
"Diese Aktivisten sind offenbar so verbohrt, dass es ihnen egal ist, wenn andere Menschen zu Schaden kommen", echauffierte sich Herrmann. Er stellte für die begangenen Delikte einen Strafrahmen von "bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe" in den Raum.
"Letzte Generation" bekennt sich zur Aktion
In dem am Vormittag verschickten Bekennerschreiben betonte Aimée van Baalen, eine Sprecherin der "Letzten Generation": "Wir sind immer bereit für konstruktive Gespräche." Als Beispiel nannte sie ein Gespräch mit Bayerns Innenminister Herrmann am Dienstag auf Initiative des evangelischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm. "Aber was wir angesichts der drohenden Klimahölle brauchen", so van Baalen weiter, "sind Handlungen und nicht nur leere Worte."
Die Gruppe, die zuletzt meistens Straßen in München und Berlin blockierte, fordert von der Bundesregierung einen besseren Klimaschutz sowie unter anderem ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen und ein Neun-Euro-Bahnticket für ganz Deutschland.
Ende November war es Vertretern der "Letzten Generation" gelungen, den Berliner Hauptstadtflughafen BER für fast zwei Stunden lahmzulegen. Damals verschafften sich zwei Gruppen bestehend aus jeweils mehreren Menschen Zugang auf das Flughafengelände. Einige von ihnen hatten sich damals nach Polizeiangaben am Boden festgeklebt; die Gruppe selbst teilte mit, dass Aktivisten mit Fahrrädern über das Gelände gefahren seien. Der Berliner Flughafen hatte damals den Betrieb auf beiden Start- und Landebahnen gestoppt.
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) kritisierte solche Protestaktionen am Donnerstag scharf. Ihm fehle dafür "jedes Verständnis", sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Sicherheit des Luftverkehrs gefährdet wird." Die Teilnehmer solcher Aktionen würden "zurecht strafrechtlich verfolgt".