Hafteinrichtung am Airport:"Überteuertes Symbol bayerischer Abschreckung"

Hafteinrichtung am Airport: In der Transit - und Abschiebungshafteinrichtung am Flughafen gibt es einen Aufenthaltsraum mit Tischkicker und Spielen, darunter ein 1000-Teile-Puzzle, das zusammengesetzt ein Alpenpanorama ergibt.

In der Transit - und Abschiebungshafteinrichtung am Flughafen gibt es einen Aufenthaltsraum mit Tischkicker und Spielen, darunter ein 1000-Teile-Puzzle, das zusammengesetzt ein Alpenpanorama ergibt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Freistaat hat eine kombinierte Haftanstalt am Flughafen errichtet - für Menschen, die abgeschoben werden sollen, und für solche, die womöglich gar nicht einreisen dürfen. Der Flüchtlingsrat kritisiert die Einrichtung scharf.

Von Thomas Anlauf

Als der junge Mann von Reihe zwölf mit etwa 180 weiteren Passagieren am Münchner Flughafen die Lufthansa-Maschine verlässt und Richtung Ausgang geht, muss er sich einer besonderen Kontrolle unterziehen. Während die meisten anderen Reisenden den Bundespolizisten ihre Impfausweise, Einreiseanmeldungen und aktuelle PCR-Tests vorzeigen sollen, muss er die Gesichtsmaske abnehmen und erklären, was er in Deutschland will.

Er hat einen arabisch klingenden Namen, murmelt, dass er weiter nach Norwegen wolle. Seine Aussage ist offenbar plausibel und er darf weiterreisen. Sonst wäre er wohl später in der neuen, 17 Millionen Euro teuren Transit- und Abschiebungshafteinrichtung am nordwestlichen Rand des Münchner Flughafens gelandet, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch offiziell eröffnet hat.

Der Innenminister spricht an diesem neblig-grauen Vormittag vor dem eisgrauen Gebäude davon, dass "die Maßstäbe unserer Asylpolitik Humanität und Ordnung" seien. Wer als individuell politisch Verfolgter Schutz brauche, bekomme Hilfe und Solidarität. "Diejenigen aber, die nach den bestehenden Gesetzen kein Bleiberecht in Deutschland haben, müssen unser Land wieder verlassen. Unsere speziellen Abschiebungshafteinrichtungen sind deshalb ein überaus wichtiger Baustein unserer konsequenten Asylpolitik."

Hafteinrichtung am Airport: Bis zu 49 Menschen können in der Einrichtung am Flughafen untergebracht werden.

Bis zu 49 Menschen können in der Einrichtung am Flughafen untergebracht werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Diese sieht in München nun so aus: Innerhalb von 15 Monaten hat der Freistaat eine kombinierte Haftanstalt errichtet - für Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden sollen und für Menschen, bei denen im Schnellverfahren überprüft werden soll, ob sie überhaupt legal nach Deutschland und in diesem Fall nach München eingereist sind. In der Einrichtung am Flughafen, die laut Innenministerium als eine Art extraterritoriales Gebiet gilt, in dem die Asylbewerber sozusagen noch nicht bayerischen Boden betreten haben, sollen künftig bis zu 49 Menschen unterkommen.

In zwei getrennten Gebäudetrakten werden zum einen maximal 29 Menschen untergebracht, die gerade erst gelandet sind und deren Aufenthaltsrecht innerhalb von etwa zwei Tagen geklärt werden soll. In der sogenannten Transiteinrichtung gibt es einen Aufenthaltsraum mit Tischkicker und Spielen, darunter ein 1000-Teile-Puzzle, das zusammengesetzt ein Alpenpanorama ergibt. Im Schlafbereich eines Zimmers steht ein hölzernes Gitterbett vor dem Fenster, durch das man auf eine Kiesfläche und einen hohen Zaun aus Nato-Draht blickt.

Hafteinrichtung am Airport: Der Blick aus dem Fenster: Zäune und eine graue, leere Landschaft.

Der Blick aus dem Fenster: Zäune und eine graue, leere Landschaft.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im anderen Gebäudetrakt werden maximal 20 Menschen gleichzeitig inhaftiert, die möglichst innerhalb von durchschnittlich 16 Tagen abgeschoben werden sollen. Bei der offiziellen Eröffnung der "kombinierten Transit- und Abschiebungshafteinrichtung" (kTA) am Mittwochvormittag ist dort ein junger Mann aus Gambia in sogenannter Verwaltungshaft. Er hat nun einen kleinen Fitnessraum für sich allein zur Verfügung, es gibt laut Minister Herrmann Wlan und Fernsehen. Axel Ströhlein, Präsident des Landesamts für Asyl und Rückführungen, geht davon aus, dass der junge Gambier "in den nächsten Tagen" vom Münchner Flughafen aus abgeschoben wird.

Wohin der Abschiebeflug für den Gambier letztlich geht, ist unklar. Denn viele Menschen sind auf der Flucht bereits in anderen europäischen Ländern registriert, etwa in Bulgarien oder Rumänien. Innenminister Herrmann betont, die Anordnung von Abschiebungshaft "ist immer ultima ratio". Für sein Ministerium habe die freiwillige Ausreise "oberste Priorität", was mit Anreizen wie einem bayerischen Rückkehrprogramm finanziell flankiert werde. So seien 2020 insgesamt 7998 Menschen "freiwillig" ausgereist, im vergangenen Jahr waren es bis Ende November 8871 Menschen. Demgegenüber seien 2021 bis Ende November 1825 Menschen abgeschoben worden, die nicht freiwillig ausreisen wollten.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die neue Einrichtung in München als "überteuertes Symbol bayerischer Abschreckung". "Das jetzt vorgestellte Gebäude und die Politik des Bayerischen Amts für Abschiebung sind kein Beitrag zu Humanität, nicht einmal ein Beitrag zur Ordnung", so Stephan Dünnwald vom Flüchtlingsrat. Der überwiegende Teil der etwa 8000 "freiwillig" Ausreisenden sei wegen drohender Abschiebung abgetaucht oder in andere Staaten wie Frankreich oder Italien weiter geflüchtet und erscheine nicht mehr in der Statistik.

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