Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:Messe wird zum Notquartier für Tausende Geflüchtete

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Die Stadt hat zwei Hallen mit Feldbetten und Matratzen ausgestattet und kann die Kapazitäten noch aufstocken. Doch wie es danach für die Geflüchteten weitergeht, kann noch niemand beantworten.

Von Bernd Kastner

Die Messe in Riem ist zur größten Münchner Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine geworden. Am Montag waren in den Hallen C5 und C6 bereits 1450 Menschen untergebracht, insgesamt stehen 2300 Feldbetten und Matratzen zur Verfügung. Die Kapazität lässt sich laut Stadt kurzfristig auf 4000 ausbauen. Vergangene Woche habe man zusammen mit Hilfsorganisationen und Freiwilligen mehr als 6000 Bettplätze in Hotels und Notquartieren organisiert, wo die Menschen mit dem Nötigsten versorgt würden. "Das ist eine beeindruckende Leistung", erklärte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Inzwischen hat sich eine Regelstruktur nach Ankunft der Menschen weitgehend etabliert. Zentraler Ort ist der Hauptbahnhof, wo nicht nur aus Zügen täglich Hunderte Ukrainerinnen und Ukrainer aussteigen, sondern auch Busse und Privattransporte ankommen. Dort gibt es für die erste Orientierung in der Schalterhalle den Infopoint der Caritas. Von dort werden die meisten Menschen in den Starnberger Flügelbahnhof geschickt, der bislang als Parkplatz für Fahrräder genutzt wurde. Jetzt ist ein Teil freigeräumt, wo das Polizeipräsidium eine Registrierstelle eingerichtet hat.

Zwar ist derzeit niemand aus der Ukraine verpflichtet, sich zu melden, doch den Behörden ist geholfen, wenn sie wissen, wer in München ankommt und wer bleiben will. Diese Menschen werden nach einem Corona-Test im benachbarten Hotel Regent mit Bussen in Notunterkünfte gefahren. Die Stadt hat auch einige Schulturnhallen sowie Hotels zu vorübergehenden Herbergen gemacht. Wie 2014 stehen im Olympiastadion Räume unter der Haupttribüne zur Verfügung.

Dass Behörden und Hilfsorganisationen weiterhin improvisieren müssen, liegt nicht nur an der hohen Zahl der Ankommenden. Es gilt auch, sehr viele Freiwillige koordiniert einzusetzen, sodass sie nicht enttäuscht wieder heimgehen.

Ein großes Problem aller Helfenden ist, dass unklar ist, wie es nach der Zeit in Notschlafstellen für die Geflüchteten weitergeht. Dauerhafte Unterkünfte für viele Tausend Menschen gibt es auf absehbare Zeit nicht in München. Deshalb appelliert nicht nur OB Reiter an Bund und Freistaat, rasch die Weiterverteilung in andere Städte und Kreise zu forcieren. Auch Andrea Betz, Vorständin der Diakonie, dringt darauf. Sie befürchtet, dass die Menschen womöglich über Wochen in Turnhallen ausharren müssen.

Die ungeklärte Verteilung macht die Situation noch schwieriger als 2015, als Zehntausende in München ankamen, aber als Asylbewerber nach klaren Vorgaben weitergeleitet wurden. Hinzu kommt jetzt, darauf weist Betz hin, dass man einerseits im Notfallmodus arbeite, man zugleich aber schon mit Zukunftsfragen konfrontiert werde: Wann darf ich wo arbeiten? In welche Schule kommt mein Kind?

Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen wohnen, wo sie wollen, und auch sofort arbeiten. So positiv das für die Betroffenen ist, so anspruchsvoll sei es für das Hilfesystem: Notversorgung und Integration gleichzeitig. Dann gebe es auch Anrufer, die Geflüchtete aufgenommen haben und nun fragen: Wie soll es weitergehen? Zwar ist ein Privatzimmer wesentlich angenehmer als ein Feldbett, aber für längere Dauer ist weder das eine noch das andere. Wie weiter? Darauf gibt es noch keine Antwort.

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