Krieg in der Ukraine:Mieter gekündigt - weil er Flüchtlingen helfen wollte

Krieg in der Ukraine: Viele Ukrainer, die im vergangenen Jahr am Hauptbahnhof ankamen, wurden von Münchnern privat untergebracht.

Viele Ukrainer, die im vergangenen Jahr am Hauptbahnhof ankamen, wurden von Münchnern privat untergebracht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Stefan B. nahm zwei Ukrainerinnen vorübergehend bei sich auf, nun will ihn sein Vermieter aus der Wohnung werfen. Das Münchner Amtsgericht aber schützt den Mieter - zumindest in diesem Fall.

Von Bernd Kastner

Er wollte Geflüchteten aus der Ukraine helfen, und als Konsequenz hätte er beinahe seine Wohnung verloren. Der Mieterverein macht die Geschichte von Stefan B. publik, der eine Ukrainerin mit ihrer erwachsenen Tochter vorübergehend bei sich aufnahm - und dem deshalb vom Vermieter die Wohnung fristlos gekündigt wurde. Vor Gericht aber obsiegte der Mieter, die Kündigung sei unbegründet, entschied das Amtsgericht. In einem anderen Fall von Untervermietung an ukrainische Geflüchtete hatte das Gericht Ende vergangenen Jahres den Vermietern recht gegeben.

Stefan B., 40, wohnt seit 2005 in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Neuhausen. Dort nahm er in der Vergangenheit mehrmals Untermieter als WG-Mitbewohner auf und informierte darüber, wie vereinbart, seinen Vermieter. So steht es in der Urteilsbegründung. Nie habe es Probleme gegeben, teilt der Mieterverein mit.

Ende März vergangenen Jahres, kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, habe B. helfen wollen. Er nahm eine Frau aus der Ukraine mit ihrer erwachsenen Tochter bei sich auf, zunächst als Besuch. Die Frauen hätten vier Wochen bleiben wollen, wofür es keiner Genehmigung durch den Vermieter bedürfe, so der Mieterverein. Nach vier Wochen hätten die Frauen nach Dortmund weiterreisen wollen. Weil aber die Mutter erkrankt sei, hätten die beiden Frauen nicht fahren können. Daraufhin bat B. seinen Vermieter am 1. Juli um Zustimmung zur Untervermietung. Als Antwort erhielt B. die fristlose Kündigung: Angeblich habe er wiederholt ohne Erlaubnis untervermietet, argumentierte der Vermieter.

Als die Kündigung bei B. eintraf, waren die beiden Ukrainerinnen gar nicht mehr bei ihm in München, sondern bereits in Nordrhein-Westfalen. Weil es Probleme mit Behörden gegeben habe, kamen die Frauen im August nochmals für einige Tage bei Stefan B. unter. Wenig später zogen sie in eine Flüchtlingsunterkunft, im Oktober dann zurück in ihre Heimat. Der Kündigung folgte die Räumungsklage. Stefan B. darf in seiner Wohnung bleiben. Die Richterin urteilte, dass B. in den vergangenen Jahren "immer bemüht" gewesen sei, nicht gegen den Willen des Klägers zu handeln, auch im Fall der Ukrainerinnen: Als er die Kündigung erhielt, habe er die Frauen aufgefordert, seine Wohnung zu verlassen.

Der Mieterverein, der B. unterstützte, wertet das Urteil als Sieg der Humanität, wie die Vorsitzende Beatrix Zurek betont: "Unser Mitglied hat nur getan, was man tun sollte - er hat geholfen." Es sei "gut und richtig", dass er dafür nicht seine Wohnung verliere. Sie rate Mieterinnen und Mietern, sich in einem solchen Fall rasch rechtliche Hilfe zu holen. Mieter B. sagt im Gespräch mit der SZ, er sehe den Gesetzgeber in der Pflicht: Es müsse klar geregelt werden, dass das Unterbringen von Geflüchteten ein "berechtigtes Interesse" für eine Untervermietung sei.

Hoffen auf ein Grundsatzurteil

In einem anderen Fall hat ein Mitglied des Mietervereins vor Gericht den Streit verloren. Der Mann hatte an eine Seniorin aus der Ukraine und deren Enkelin untervermietet. Der Mieter, der in einem Haus in Gräfelfing lebt, bat seine Vermieter, der Untervermietung des Dachgeschosses zuzustimmen. Die Vermieter lehnten dies ab, der Mieter wollte die Untervermietung vor Gericht durchsetzen - und scheiterte in erster Instanz. Die Richterin betonte, dass es nicht um die Bewertung der Hilfe für Flüchtlinge gehe. Sondern um die Frage, ob der Mieter ein berechtigtes Interesse an einer Untervermietung habe, dann stehe sie ihm zu. Dieses sah die Richterin aber nicht. In diesem Fall gehe es nicht um seine Interessen, sondern um die von Dritten, zwei Geflüchteten.

Das will der Mieterverein nicht akzeptieren. Er hat laut Geschäftsführerin Angela Lutz-Plank Berufung eingelegt, man strebe ein Grundsatzurteil an. Aus Sicht des Mietervereins ist eine gesellschaftlich erwünschte humanitäre Hilfe ein berechtigtes Interesse für eine Untervermietung.

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