Krieg in der Ukraine:Hauptsache, erst einmal untergebracht

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Schlafsaal statt Klassenzimmer: Im Luisengymnasium sollen geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer untergebracht werden. (Foto: Catherina Hess)

Die Stadt räumt das Luisengymnasium für Geflüchtete, in der Schule nahe dem Hauptbahnhof werden Schlafplätze geschaffen. Trotz aller Bemühungen holpert es noch bei der Versorgung ankommender Ukrainer in München.

Von Thomas Anlauf

Die Stadt München hat das Luisengymnasium nahe dem Hauptbahnhof komplett gesperrt, um dort Schlafplätze für Geflüchtete aus der Ukraine zu schaffen. Nach Angaben der Schulleitung hatte das der Stab für außerordentliche Ereignisse (SAE) gemeinsam mit dem Stadtschulrat, dem Bildungsreferat und dem Ministerialbeauftragten für die Schulen in München kurzfristig am Freitag beschlossen. Für sämtliche Schülerinnen und Schüler in dem städtischen Gymnasium bedeutet das, dass sie nach den Faschingsferien für eine Woche Distanzunterricht erhalten. Das Gebäude darf sogar nur noch nach vorheriger Terminvereinbarung betreten werden, teilt Schulleiterin Gesa Hollauf in einem Rundbrief an Eltern und Kinder mit.

Damit reagiert die Stadt kurzfristig auf die stark steigende Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine, die derzeit in München ankommen. Allein am späten Freitagabend sollen es nach inoffiziellen Zahlen der Stadt etwa zweihundert Menschen gewesen sein, die Schlafplätze brauchten. Weit mehr als eintausend weitere kamen offenbar im Laufe des Wochenendes in München an, darunter viele Kinder. Am Sonntag meldete die Diakonie für München und Oberbayern auf Twitter, die im Ankunftszentrum die Asylsozialbetreuung übernommen hat: "Das Ankunftszentrum München ist voll." Busse bringen die Menschen nun in Unterkünfte auch außerhalb Münchens. Stadt und Regierung scheinen an die Grenzen ihrer Kapazitäten zu stoßen.

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Schon am Donnerstagabend wurde eine Halle im Hauptbahnhof, in der zuvor die Filiale der Restaurantkette "l'Osteria" war, in einen Notschlafsaal für 100 Menschen umfunktioniert, zudem gibt es auch in dem Tagesaufenthalt "D3" für Wohnungslose, der von der Caritas betrieben wird und ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs an der Dachauer Straße liegt, Notfallplätze für Frauen und Kinder.

Auch nur ein Lager für die Nacht: Der Notschlafsaal im Hauptbahnhof. (Foto: Catherina Hess)

Am Montag wird das Amt für Wohnen und Migration zudem eine Leichtbauhalle an der Neuherbergstraße aktivieren, bis Ende der Woche sollen bis zu einhundert Geflüchtete in einem Hotel nahe dem Bahnhof unterkommen, sagte Gerhard Mayer, Leiter des Amts für Wohnen und Migration, am Wochenende der Süddeutschen Zeitung.

Trotz aller Bemühungen läuft aber die Koordination zwischen Stadt, Regierung von Oberbayern und Hilfsorganisationen auch eineinhalb Wochen nach Kriegsausbruch in der Ukraine offenbar noch holprig. Die meisten Geflüchteten, die in München ankommen, begeben sich nach SZ-Informationen immer noch in das Ankunftszentrum der Regierung an der Maria-Probst-Straße im Münchner Norden, obwohl sich seit Donnerstag dort nur noch Menschen registrieren lassen müssen, die einen Asylantrag stellen wollen. Offenbar verteilten Beamte der Bundespolizei in den Zügen in Richtung München bislang Informationszettel, in denen die Geflüchteten aufgefordert wurden, sich ins Ankunftszentrum zu begeben.

Geflüchtete aus der Ukraine können jedoch auch ohne Asylverfahren Sozialleistungen und Hilfe bei der Wohnungssuche erhalten, sie müssen sich lediglich innerhalb der ersten 90 Tage nach ihrer Ankunft online bei der Regierung von Oberbayern melden ( ukraine.regierung-oberbayern@reg-ob.bayern.de). Am Wochenende kamen dennoch zahlreiche Menschen aus der Ukraine zum Ankunftszentrum und übernachteten dort. Allerdings gab es nach Beobachtungen einer Helferin, die in einem Bezirksausschuss Migrationsbeauftragte ist, nur sechs Feldbetten. "Die Kinder haben auf dem nackten Boden geschlafen", schilderte sie der SZ.

Andrea Betz, Vorständin der Diakonie München und Oberbayern, sagte auf Anfrage, dass es wegen der zahlreichen Menschen, die sich dort nach wie vor registrieren lassen wollen, einen Stau gebe, wohin die Geflüchteten anschließend über die Nacht gebracht werden können. Die Kinder hätten nach ihren Informationen nicht auf dem Boden, sondern auf Notbetten oder Stühlen geschlafen. Für die Unterbringung und die Verteilung der Menschen sowie ihre Registrierung ist die Regierung von Oberbayern zuständig.

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Mit einer Menschenkette protestieren am Samstag etwa 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegen die russischen Angriffe. Und auf dem Max-Joseph-Platz sind es am Sonntag 4000 - etwa doppelt so viele wie eine Woche zuvor.

Von Thomas Anlauf
An einem Stand der Caritas bekommen Ankommende das Nötigste - so lange jemand da ist. (Foto: Catherina Hess)

Anders als im Frühherbst 2015, als Zehntausende Geflüchtete am Hauptbahnhof und später auch am Zentralen Busbahnhof ankamen, gibt es aber bis auf einen Infostand der Caritas mit Dolmetschern noch keine größere Infrastruktur, wo die Ankommenden auch medizinisch betreut werden. Mittlerweile gibt es aber eine Essensausgabe. Am Sonntag teilte die Stadt mit, dass sich das Jugendamt um unbegleitete Minderjährige kümmere. Trotzdem: Die Koordination zwischen den Verantwortlichen scheint in München noch nicht richtig zu funktionieren. In einer internen Mail der Regierung heißt es, es werde chaotisch; aber Hauptsache, die Leute seien erst mal untergebracht. Auch bei Hilfsorganisationen und Helfern fällt immer wieder das Wort "chaotisch".

So hat sich auf Twitter eine Schwabingerin beschwert, dass in der Nacht auf Samstag offenbar kaum noch Ansprechpartner da waren, die den Geflüchteten weiterhelfen konnten. In der Halle im Hauptbahnhof mit Feldbetten habe es nicht genügend Bettdecken für die Menschen gegeben und lediglich eine Flasche Wasser und ein paar trockene Semmeln. Die Frau nahm nach eigenen Angaben kurzerhand drei Frauen und Kinder über Nacht mit zu sich nach Hause.

Aktuell ist die Bahnhofsmission Anlaufstelle für viele Ukrainerinnen. (Foto: Catherina Hess)

Auch am Wochenende strandeten Hunderte Menschen am Hauptbahnhof, viele wollen allerdings weiterreisen zu Verwandten oder Bekannten. So wie eine Ukrainerin, die sich in der Bahnhofsmission aufwärmte. Sie hatte sogar ihre Katzen auf der Flucht mitgenommen. Ihr Ziel ist allerdings nicht München, sondern Portugal.

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