Homosexualität:Morddrohung in der Flüchtlingsunterkunft

LGBTI*- Geflüchtete Trans-Frau Hannaa

Der Lebensgefahr entkommen: Hanaa aus Tansania erhielt in ihrer Flüchtlingsunterkunft eine Todesdrohung.

(Foto: Corinna Guthknecht)

"Wir sind hier nicht sicher." Sie fliehen aus ihrer Heimat, weil sie wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden - doch auch hier fühlen sich Homosexuelle und Transgender oft verfolgt.

Von Thomas Anlauf

Sie sollten sterben. So steht es auf dem Zettel, den Rogers nun zitternd in der Hand hält: "Ihr Homosexuelle verdient zu sterben", ist dort mit blauem Kugelschreiber auf Englisch geschrieben. Fett in Großbuchstaben das Wort DIE.

Am Freitagabend hatte Hanaa ihr Zimmer betreten, das sie in der Flüchtlingsunterkunft mit Rogers und Dennis bewohnte. Die anderen beiden waren noch nicht da, Dennis sollte in dieser Nacht gar nicht kommen. Das kleine Gemeinschaftszimmer war verwüstet. "Mein Bett war zerstört, meine Frauenkleider zerschnitten", erzählt Hanaa mit leiser Stimme. Dann fand sie den Zettel mit der Morddrohung.

Als Rogers später das Zimmer betrat, weinte sie und sagte: "Wir sind hier nicht sicher." Nach einer schlaflosen Nacht alarmierten sie Konrad Hirsch vom Münchner Schwulenzentrum Sub und die Caritas, die in der staatlichen Flüchtlingsunterkunft in Fürstenfeldbruck Asylbewerber betreut. Sie gingen zur Polizei - und dort nahmen die Beamten die Morddrohung sehr ernst. Noch am selben Tag wurden sie nach München in eine andere staatliche Unterkunft gebracht. Dort fühlen sich Hanaa und Rogers ein wenig sicherer. Noch. Denn im neuen Lager wissen die anderen Bewohner nicht, dass Rogers homosexuell und Hanaa Transgender ist.

Rogers floh aus Uganda nach München, in seinem Heimatland werden Homosexuelle verfolgt und eingesperrt, auch er war im Gefängnis, einzig wegen seiner sexuellen Neigung. Rogers ist Schauspieler, zudem war er Manager einer bekannten ostafrikanischen Sängerin. "Ich habe es dort nicht mehr ertragen", sagt er. Seit 9. April ist er nun in Deutschland, in der Hoffnung, Schutz vor Angriffen und Verfolgung zu finden. Hanaa floh aus Tansania, dort kam es in jüngster Zeit zu regelrechten Hetzjagden auf Homosexuelle. Hanaa fühlt sich als Frau, sie musste dort um ihr Leben fürchten. Doch nun, in riesigen Flüchtlingsunterkünften wie in Fürstenfeldbruck, wo derzeit etwa 800 Menschen vor allem aus Afrika leben, hat sie wieder Todesangst.

Und doch ist sie sehr mutig. Hanaa und Rogers sitzen an diesem Donnerstag im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum Sub an der Müllerstraße, erzählen von ihrer Angst und lassen sich sogar fotografieren, um der Öffentlichkeit zu zeigen: Sie werden hier mit dem Tod bedroht, von Menschen, die wie sie vor Krieg und Verfolgung geflohen sind. Ihre Nachnamen wollen sie aus Sicherheitsgründen dennoch nicht nennen. In vielen afrikanischen Staaten drohen Homosexuellen Haftstrafen, in Mauretanien, dem Sudan sowie in Teilen von Nigeria und Somalia nach Angaben der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) sogar die Todesstrafe.

Auch in der Bevölkerung dieser Länder ist Homophobie oft weit verbreitet, dementsprechend unter Geflüchteten, die nun hier in Unterkünften leben. "Wir raten, sich nicht zu outen und sich an den zuständigen Sozialdienst zu wenden", sagt der Diplompädagoge Andreas Maier, psychosozialer Berater beim Sub. Kai Kundrath, Geschäftsführer des Schwulenzentrums, schätzt, dass wohl mehr als jeder zehnte Geflüchtete in Bayern der LGBTI-Szene zuzurechnen ist. Und viele dieser Menschen sind in den Unterkünften bedroht oder sind Ablehnung und Ausgrenzung ausgesetzt.

LGBTI*- Geflüchteter Roger K.

Rogers floh aus Uganda nach München.

(Foto: Corinna Guthknecht)

Vor zwei Jahren wurde ein schwuler Geflüchteter vor einer Münchner Unterkunft verprügelt. Damals schrieb das Sub an Sozialreferentin Dorothee Schiwy und die damalige Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, die heutige Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU). Schon damals forderte das Sub die Anerkennung von LGBTI-Geflüchteten als vulnerable Gruppe, die eines besonderen Schutzes bedarf sowie eigene Unterkünfte möglichst in München, wo es zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für diese Gruppe gibt. Damals beschloss der Münchner Stadtrat auch, Unterkünfte für LGBTI-Geflüchtete zur Verfügung zu stellen und signalisierte dem Freistaat, Menschen dieser Gruppe in München aufzunehmen. Doch das wurde bislang abgelehnt.

Einen erneuten Vorstoß von Kundrath im vergangenen Herbst, dass diese Geflüchteten in Münchner Einrichtungen untergebracht werden sollten, lehnte Innenminister Joachim Herrmann am 23. Oktober 2018 freundlich, aber bestimmt ab. Doch das Schwulenzentrum Sub will nicht aufgeben: In den kommenden Monaten sollen in München Unterschriften für eine Landtagspetition gesammelt werden: Darin wird gefordert, eigene Unterkünfte für LGBTI-Geflüchtete in München zu schaffen, um sie vor Diskriminierung und Übergriffen zu schützen.

Zwar betonte Herrmann in seinem Brief an Kundrath, dass es "in allen Regierungsbezirken Unterkünfte für vulnerable Gruppen" und somit auch für Personen, die der LGBTI-Gruppe zuzurechnen seien, "existieren". Zudem sei die Sicherheit der Untergebrachten in ganz Bayern polizeilich sichergestellt. Doch dazu müssten die Betroffenen erst zur Polizei gehen, wenn sie bedroht werden. Viele Geflüchtete trauen sich das aber nicht, weil sie in ihren Heimatländern selbst die Polizei als Bedrohung erlebt haben.

Auch Hanaa ging zunächst nicht zur Polizei, obwohl sie in der Flüchtlingsunterkunft in Fürstenfeldbruck wegen ihrer sexuellen Orientierung verhöhnt und in ihrer Intimsphäre verletzt wurde. Geflüchtete Frauen ließen Hanaa in ihre Gemeinschaftsduschen, dort fühlte sie sich sicherer vor den Männern. Doch die Sanitärbereiche können nicht abgeschlossen werden. Ein Mann drang dort ein und filmte Hanaa unter der Dusche. Sie hatte Angst, sich zu wehren, obwohl sie wusste, wer der Mann war. "Er hat viele Freunde", sagt sie. Selbst durch die Flucht nach Deutschland konnte sie ihre Peiniger nicht abschütteln.

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