Bis Ende April müssen rund 900 Geflüchtete aus ihren Unterkünften in München ausziehen. Bis Ende Juni trifft es nochmals weitere 300. Es handelt sich überwiegend um Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Sie sind aktuell noch in Hotelzimmern in der Stadt untergebracht, weil man aufgrund des Platzmangels in München auf schnelle Lösungen angewiesen war. Nun will der Freistaat aber nicht mehr für diese Kosten aufkommen - Ende März kam die Mitteilung von der Regierung von Oberbayern.
Das sei für die Stadt „überraschend“ gewesen, sagt ein Sprecher des Sozialreferats. Vier Hotels seien zunächst betroffen. Das städtische Amt für Wohnen und Migration muss nun schleunigst Ersatzplätze für die vielen Menschen organisieren. Dabei ist der Platz für neue Unterkünfte denkbar knapp. Und die 43 kommunalen Unterkünfte, in denen insgesamt etwa 8400 Betten stehen, sind laut Sozialreferat bereits nahezu voll belegt.
Ein Versuch, die Frist zu verlängern, ist gescheitert. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) habe sich an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gewandt, so das Sozialreferat, um die Kostenzusicherung zumindest bis zum 31. Dezember 2025 zu erbitten. Es hätte der Stadtverwaltung mehr zeitlichen Spielraum bei der Schaffung von Ersatzunterkünften verschafft. Dieser Bitte sei jedoch nicht entsprochen worden.
Eine Sprecherin des Staatsministeriums teilt mit, man habe die Neuvergabe der betroffenen Hotelplätze „mit Blick auf die immensen Kosten“ abgelehnt. Es gelte, die stark gestiegenen Kosten zu dämpfen. Daher prüfe man besonders Unterbringungsformen, die im Vergleich zu anderen Unterkünften unwirtschaftlich seien. Die Regierung von Oberbayern und auch das Ministerium würden München nach Kräften unterstützen, um weitere Kapazitäten zu schaffen, so die Sprecherin.
Kritik kommt vor allem von den Wohlfahrtverbänden in der Stadt, die für die soziale Versorgung der Geflüchteten zuständig sind. Karin Majewski, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in München (Arge Freie), sagt, der Freistaat gefährde damit die Integration von Geflüchteten. Man sei „entsetzt“ über die Entscheidung.
Sie gehe davon aus, dass die Wohnsituation sich deutlich verschlechtere, mit „negativen Auswirkungen auf das Kindeswohl“. Die Kinder würden drei Monate vor Ende des Schuljahres möglicherweise aus ihren Schulen gerissen, wo sie sich langsam eingewöhnen und Fuß fassen. Andere verlören eventuell einen mühsam erkämpften Kita-Platz.
Besonders die Kurzfristigkeit stelle die Menschen und auch die Stadt vor enorme Herausforderungen, so Majewski. Wenigstens bis zu den Sommerferien hätte die Unterbringung in den angemieteten Hotels finanziert werden müssen. „Menschen sind keine Manövriermasse, Integration kann nicht gelingen, wenn Geflüchtete einfach hin- und hergeschoben werden“, sagt sie. Auch die Linken-Fraktion formuliert deutliche Kritik: Dies sein ein ungeheuerlicher Vorgang, so der Vorsitzende Stefan Jagel. „Ich erwarte von der Regierung, dass das rückgängig gemacht wird.“

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Zugutekommt der Stadt, dass im Mai die Eröffnung von zwei Unterkünften geplant ist, mit insgesamt 360 Plätzen. Es handelt sich allerdings um eine Leichtbauhalle in Feldmoching und eine Container-Unterkunft in Trudering. Ab Juni ist außerdem eine weitere Unterkunft in Englschalking mit 150 Plätzen geplant. Eine ältere Leichtbauhalle südlich der Fröttmaninger Arena mit 280 Plätzen soll außerdem wieder instandgesetzt werden.
Ursprünglich waren diese Betten hauptsächlich für Neuankömmlinge geplant. Doch hier kommt die Regierung von Oberbayern der Stadt entgegen. Laut Sozialreferat hat sie zugesagt, dass bis Ende Mai keine weiteren Geflüchteten zugewiesen werden. Außerdem seien weitere Verhandlungen dazu Mitte Mai vorgesehen, so der Sprecher des Sozialreferats.
Auch hat man sich geeinigt, dass die Regierung von Oberbayern dabei hilft, die Erstanlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge an der Dachauer Straße zu leeren und die Betten dort den bisherigen Hotelnutzern zu geben. Das Rückgebäude der Erstanlaufstelle mit etwa 300 Bettplätzen soll zusätzlich genutzt werden können.
Dieses Entgegenkommen würdigt Anne Hübner, Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat. „Man hat uns im Rahmen der Möglichkeiten Luft geschaffen.“ Alle bemühten sich, Ersatzplätze zu finden, „ohne, dass man Turnhallen aufmachen muss“, so Hübner. Sie zeigt außerdem grundsätzliches Verständnis für die Sparzwänge des Freistaats, schließlich kenne München das Problem auch. Doch die Kurzfristigkeit bedeute für die Menschen und die Stadt viel Stress, so Hübner.
Ein Hotelplatz sei bis zu dreimal teurer als ein regulärer Platz in einer Sammelunterkunft, sagt Hübner. Eine konkrete Summe, die durch den Wegfall der Hotelkosten eingespart wird, will allerdings niemand nennen. Auch das Staatsministerium nimmt dazu keine Stellung.