Hilfsaktion:Stadt will minderjährige Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen

Lesezeit: 2 Min.

  • Die SPD-Fraktion hat einen Antrag gestellt, mit dem sie erreichen will, dass München freiwillig minderjährige Geflüchtete aus Griechenland aufnimmt.
  • Dank freier Träger gäbe es Kapazitäten für bis zu 100 Kinder und Jugendliche.
  • Das Sozialreferat begrüßt das Vorhaben, der Stadtrat soll darüber demnächst entscheiden.

Von Thomas Anlauf, München

Der Stadtrat entscheidet demnächst darüber, ob München freiwillig unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufnimmt, die derzeit auf griechischen Inseln unter unwürdigen Bedingungen leben. Das Sozialreferat bereitet derzeit eine entsprechende Beschlussvorlage vor. Da die Stadt nur wenige freie Plätze in Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung hat, gab es bereits Gespräche mit der Freien Wohlfahrt in München, welche Kapazitäten es dort gibt, Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern aus ihren Heimatländern geflüchtet sind, in Obhut zu nehmen.

Die SPD-Fraktion, die kürzlich einen Antrag gestellt hat, minderjährige Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, hatte als Ziel etwa 40 Jugendliche angegeben. Nach SZ-Informationen könnten die freien Träger der Jugendhilfe jedoch deutlich mehr Geflüchtete aufnehmen, es soll Kapazitäten für bis zu 100 Kinder und Jugendliche geben. "Wir prüfen zur Zeit, wie viele der existierenden Plätze für den laufenden Betrieb der Jugendhilfe in München notwendig sind und deshalb nicht mit unbegleiteten Minderjährigen belegt werden können", teilte Sozialreferentin Dorothee Schiwy auf SZ-Anfrage mit. Die SPD-Politikerin begrüßt sowohl die humanitäre Initiative des Städtebündnisses "Seebrücke - Städte sicherer Häfen", dem sich München im vergangenen Juli angeschlossen hat, als auch die Bereitschaft der Münchner Wohlfahrtsverbände, Kinder und Jugendliche in ihren Einrichtungen aufnehmen zu wollen.

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Allerdings betont Schiwy, dass jetzt vor allem wichtig sei, "wie sich das Bundesinnenministerium in dieser Frage positioniert". Denn eigentlich muss Innenminister Horst Seehofer (CSU) grünes Licht geben, damit Städte wie München auch tatsächlich junge Geflüchtete aus den Lagern der griechischen Inseln holen könnten und die Finanzierung gesichert wäre. Die Haltung Seehofers ist allerdings noch nicht ganz klar. Zunächst hatte er die Aufnahmebereitschaft so vieler Kommunen begrüßt, am Dienstag teilte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) jedoch mit, dass Seehofer den Vorschlag, deshalb ein Sofortprogramm aufzulegen, abgelehnt habe.

Unterdessen wächst der Druck auf den Bundesinnenminister. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern mit Sitz in München fordert Seehofer auf, eine begrenzte Aufnahme vor allem von Kindern zu ermöglichen. Zudem solle sich die Bayerische Staatsregierung zu einer Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen bekennen. "Dabei sind auch die bayerischen Kommunen, die eine Aufnahmebereitschaft erklärt haben, zu unterstützen", heißt es in einer vom Präsidium des Landeskomitees einstimmig beschlossenen Stellungnahme. Auch die Landesflüchtlingsräte, Pro Asyl und der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge fordern die Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus Griechenland.

"Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich die Stadt dafür stark macht, minderjährige Geflüchtete aufzunehmen", sagt Andrea Betz, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege München. Für die Sozialverbände wäre es deshalb unverständlich, wenn angesichts der großen humanitären Bereitschaft dies nun nicht umgesetzt werden könne. Arge-Sprecherin Betz geht deshalb davon aus, "dass der Bundesinnenminister den Handlungsbedarf erkennt" und der Aufnahme eines bestimmten Kontingents an minderjährigen Geflüchteten zustimmt.

Unterdessen hat Potsdam am Mittwoch die ersten 25 aus Seenot geretteten Geflüchteten in Obhut genommen, nachdem der Landtag von Brandenburg die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter beschlossen hatte. Potsdam koordiniert bundesweit das Städtebündnis der "Sicheren Häfen". Vor allem Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und seine Sozialbeigeordnete Brigitte Meier setzen sich für die Aufnahme von jugendlichen Flüchtlingen aus Griechenland ein. Meier war von 2010 bis 2016 Sozialreferentin in München und organisierte mit ihrem Referat und Hunderten ehrenamtlichen Helfern die Ankunft Zehntausender Geflüchteter im Herbst 2015.

© SZ vom 24.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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