Wenn Trainerin Thekla Grimpen den Schläger schwingt, muss Torwart Stefan Bauer schnell sein. Konzentriert beobachtet er hinter seinem Gitterhelm jede Bewegung. „Das Bein nach vorn“, ruft Grimpen. Die richtige Position im Tor ist entscheidend, denn wenn der kleine weiße Ball erst einmal fliegt, bleibt kaum Zeit zum Reagieren. Bei den Profis erreicht er Geschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometern pro Stunde. Das macht den Sport, der wahlweise Floorball oder Unihockey genannt wird, zu einer rasanten Angelegenheit.
Trotzdem stellt die Trainerin klar: „In dieser Mannschaft kann jeder in seinem eigenen Tempo spielen.“ Mit dieser Mannschaft meint sie die Specials Mannschaft, die sie im September 2023 gegründet hat. Hier spielen ausschließlich Menschen mit einer geistigen Behinderung. Der Wunsch nach einer solchen Mannschaft sei schon lange da gewesen, erzählt die 57-Jährige. Aber wie das eben immer so ist, sei die Idee in den Hintergrund gerutscht. Bis Grimpen eines Tages beim Fleischer auf zwei junge Männer und deren Betreuer traf. So habe sie vom Wohnprojekt RiO der Franziskuswerke in Riem erfahren, wo Menschen mit geistiger Behinderung in Wohngemeinschaften leben.
Kurzerhand nahm sie Kontakt zum Betreuerteam auf und startete ein sechswöchiges Probetraining, aus dem bald eine regelmäßige Trainingszeit entstand. Von Anfang an mit dabei: die 38-jährige Susanne Preiß. Floorball sei zwar durch das viele Rennen richtig anstrengend, mache ihr aber großen Spaß, sagt sie: „Einfach laufen, abziehen und zack – Tor.“ Gemeinsam mit ihren Mitbewohnern Stefan Bauer und Tobias Zörntlein besucht Preiß freitags auch das Inklusionstraining. Hier können alle Spielerinnen und Spieler des Vereins trainieren. Egal, wie alt sie sind, wie gut sie spielen und ob sie eine Behinderung haben oder nicht.
Für Preiß, Bauer und Zörntlein sind die anderen Spieler beim Freitagstraining „richtige Profis“. Aber auch die drei Mitbewohner haben seit dem ersten Training viel dazugelernt. „Am Anfang war das mit den Schüssen und dem Annehmen noch schwieriger, aber inzwischen läuft es gut“, sagt Preiß. Als das Team Ende Juni dann zu seinem ersten Turnier antrat, sei er etwas nervös gewesen, erzählt Bauer. Drei Specials Teams aus Linz, Voralberg und Memmingen waren angereist, um am Rande der deutschen Meisterschaft der U15 gegen die Münchner anzutreten. „Die spielen schon deutlich länger als wir und haben uns dementsprechend abgezogen“, resümiert Trainerin Grimpen.
„Ich hatte trotzdem viel Spaß“, sagt Bauer. Sie seien am Turniertag vor 300 Zuschauern in die Halle eingelaufen. Auch Familien, Freunde, Mitbewohner und Betreuer seien zum Anfeuern gekommen. Und im letzten Spiel des Tages habe die Mannschaft bereits etwas gelernt gehabt und nur noch mit 4:2 verloren. „Nächstes Mal gewinnen wir“, hofft Tobias Zörntlein. Tim Auerbach, einer der Jüngsten im Team, habe sich im Turnier besonders hervorgetan, lobt Bauer. „Tim hat in der Abwehr überragend gespielt. Er hat mir jeden Ball weggenommen.“
Der Zwölfjährige sei über seine Schwester, die schon länger Floorball spielt, zum Team gekommen, erzählt sein Vater. Später habe er seinen Freund Emil Messerschmidt zum Training mitgenommen. Doch während Tims Spezialität die Verteidigung ist, sagt Emil, dass er lieber Tore schießt. Der Sport sei ein guter Ausgleich für die beiden, erklärt sein Vater. Denn Hin- und Rückweg zu Förderschule und Nachmittagsbetreuung seien mit langer Fahrzeit verbunden. Abends kämen die Kinder erst gegen 17 Uhr nach Hause.
Lust auf Floorball hätten sie dann trotzdem noch. Und so fahren ihre Eltern fast jeden Mittwoch mit ihnen von Berg am Laim nach Riem zum Training. „Wenn es nicht genug Spieler sind, spielen wir auch mit“, erzählen die Väter, die an diesem Abend dabei sind. Und das kommt nicht selten vor. Denn das Team ist immer auf der Suche nach Spielern, die Floorball ausprobieren wollen.