Bayerns größer Flohmarkt:"So ein Retro-Teil findet man nur hier"

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Endlich wieder Flohmarkt auf der Theresienwiese: In zwei Jahren Pandemie hat sich viel Krimskrams angesammelt bei den Verkäufern. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim Neustart des Flohmarkts auf der Theresienwiese gibt es wieder jede Menge Trödel und Trophäen zu erbeuten. Der Andrang nach zwei Jahren Corona-Pause bleibt allerdings überschaubar. Ein Besuch.

Von Joachim Mölter

Das Hirschgeweih an der Wand war einmal Insignie deutschen Spießertums, von daher passt so was nicht in die Hand von Fabian Künast. Der sieht gar nicht spießig aus, sondern mit seinem Vollbart so, wie man sich heute gemeinhin einen Hipster vorstellt. Trotzdem trägt er das Geweih fröhlich für seine Freundin Antonietta Morello, die die Trophäe erbeutet hat bei der Schnäppchenjagd auf der Theresienwiese. Dort hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) nach zwei Jahren Corona-Pause am Samstag wieder seinen traditionsreichen Flohmarkt organisiert, den größten im Freistaat.

Antonietta Morello hat eine Sammlung mit rund 40 Geweihen, ihr Freund Fabian Künast trägt das neueste Exemplar über den Flohmarkt. (Foto: Stephan Rumpf)

Für Antonietta Morello endlich wieder Gelegenheit, ihre Sammlung aufzustocken, rund 40 Geweihe hat sie schon, schätzt sie. "Die werden alle gepimpt", also aufgehübscht, sagt Künast. Morello nimmt die Trophäen auseinander, trennt Knochen vom Brett, lackiert und verziert alles neu, mit Steinchen, mit Moos in den Augenhöhlen. Ein "skurriles Hobby" sei das, manche Exemplare verschenke sie zu Weihnachten oder Geburtstagen, erzählt sie. Heute habe sie gut gehandelt: "Der Verkäufer ist erst von 80 Euro runter auf 50, dann haben wir uns bei 35 getroffen. Eigentlich wollte ich nur 30 zahlen."

Christopher Feldmann hat einen Puppenwagen für den Nachwuchs gekauft. (Foto: Stephan Rumpf)

Noch weniger hat Christopher Feldmann ausgegeben, für einen Puppenwagen. "Zehn Euro!", sagt er in einem Ton, in dem das Staunen mitschwingt, so günstig weggekommen zu sein. Er ist mit seiner schwangeren Frau unterwegs, "wir sind extra wegen Kindersachen hier, weil es bald soweit ist", erzählt er. In den Puppenwagen soll später Spielzeug des Nachwuchses rein. "So ein Retro-Teil findet man nur hier", sagt er.

Während nebenan die letzten Reste des Corona-Testzentrums abgebaut werden und auf dem Frühlingsfest die Fahrgeschäfte Schwung aufnehmen, kommt auch der Flohmarkt-Betrieb wieder in Gang. Der Start war noch verhalten, "ein Rekordjahr wird's heuer nicht", bilanziert BRK-Sprecherin Andrea Frauscher: "Aber wir sind sehr froh, dass wir es überhaupt wieder haben machen können."

Der Start nach zwei Jahren Corona-Pause war verhalten, vielleicht auch wegen des eher mauen Wetters. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Flohmarkt war für weniger Anbieter konzipiert als sonst: Die Zahl war auf 1600 begrenzt, früher waren es schon mal mehr als 2000. Neben alten Dingen - "besonders seltenen Werkzeugen", antiken Landkarten, gusseisernen Öfen - boten professionelle Händler zum Teil auch originalverpackte Ware an oder ein bestimmtes Sortiment von Geschirr, Kleidung, Fahrrädern, Handyzubehör. Die Abstände zwischen den Stellflächen waren trotzdem größer als gewohnt, und dazwischen taten sich Lücken auf, die es früher nicht gab. Die Resonanz "ist immer auch wetterabhängig", erklärt Frauscher. Für Samstag war Regen angekündigt, was wohl etliche Verkäufer abschreckte; es nieselte dann aber nur.

Flohmarkt-Händler Walter Paulus fand die Nachfrage "nicht so berauschend". (Foto: Stephan Rumpf)

Die Bilanz der Händler fiel so durchwachsen aus wie das Wetter. Walter Paulus fand die Nachfrage "nicht so berauschend". Dabei hatte er eine komplette Ritterrüstung als Blickfang an seinem Stand aufgebaut. Die war bei einer Wohnungsauflösung übriggeblieben, berichtet der Chef einer Umzugsfirma. Aber bei einer Ritterrüstung stellt sich halt auch die Frage des Abtransports.

Darüber musste ein Verkäufer aus Freising nicht nachdenken, er verhökerte mit seiner Mutter Flohmarkt-typischen Kleinkram. Bei ihnen laufe das Geschäft besser als bei der letzten Auflage 2019, resümiert der junge Mann: "Damals hat's von Anfang an geregnet." Er glaubt, dass auch die deutliche Erhöhung der Standgebühren für die Lücken auf der Stellfläche verantwortlich war. Für ihre zwei Stände hätten sie insgesamt 120 Euro bezahlt, trotzdem habe es sich gelohnt: "Wir haben auch mehr verkauft." Sie hatten aber auch mehr dabei: Während der Pandemie hatte sich eine Menge Krimskrams angesammelt, der nun den Besitzer wechselte.

Philipp Rupprecht und Karoline Kadletz sind stolz auf ihren Fund. Um was es sich dabei genau handelt, wissen sie allerdings nicht. (Foto: Stephan Rumpf)

Philipp Rupprecht und Karoline Kadletz sind nun die neuen Besitzer einer Holztafel mit zwei fest installierten Würfelreihen, von der sie nicht wirklich wissen, wozu sie dient: zum Zählen beim Billard, vermuteten sie wegen der Aufschrift "Biliardi Mari". Egal, für Kadletz war das "Italo-Flair" wichtig, und für nur 35 Euro - warum nicht? Das Paar hatte da bereits eine Fuhre von Funden verstaut. "Da war ein wunderschönes Fahrrad dabei, das wollten mir auf dem Weg zum Auto schon drei Leute abkaufen", erzählt Kadletz. 8o Euro habe das Rad nur gekostet, insgesamt hätten sie zwischen 300 und 350 Euro ausgegeben, schätzt Rupprecht, "verteilt auf ziemlich viel Kleinscheiß": eine Blechkiste, einen Traktorsitz, eine Lampe, eine japanische Puppe.

Auch Birgit Köhler zieht mit altem Spielzeug davon, einem Holzpferd für 60 Euro. Daheim im Wohnzimmer steht schon ein ähnliches, auf Kufen. Das neue Pferdchen, mit Rädern unten dran, "darf die Herde erweitern", sagt sie, ehe sie weiter auf Schnäppchenjagd geht: "Ich schaue mal, ob mir noch mehr Pferde zulaufen."

Florian Finkel hat ebenfalls 35 Euro für ein neues Schmuckstück bezahlt, eine Box, die er als Weekender sieht; früher hat man darin das Notwendigste für einen Wochenendausflug verstaut. "Einen Koffer in der Größe findet man nicht so oft", sagt Finkel. Fürs Verreisen ist der Kasten aber nicht gedacht, nur als Deko-Objekt. Er weiß nur noch nicht, wohin damit: "Ich hoffe, nicht in den Keller."

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