Film zum Holocaust-Gedenktag:Vom Glück des Überlebens

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Filmemacher Max Kronawitter (re.) beim Filmdreh mit dem Auschwitz-Überlebenden Peter Gardosch. (Foto: Ikarus-Film)

Max Kronawitter war Filmemacher aus Leidenschaft, bis ein Gehirntumor sein Leben radikal veränderte. Aber sein letztes Werk über den Auschwitz-Überlebenden Peter Gardosch wollte er noch fertigstellen. Nun ist Premiere.

Von Katja Auer

Diesen Film wollte Max Kronawitter unbedingt noch zeigen. Zum einen, weil ihm der Inhalt wirklich am Herzen liegt, das bewegte Leben des Auschwitz-Überlebenden Peter Gardosch. Zum anderen, weil es sein letzter Film ist. Der Filmemacher Kronawitter kann keine Filme mehr machen. Ein Gehirntumor hat sein Berufsleben von heute auf morgen beendet.

Vor ein paar Jahren stieß Kronawitter, der in Eurasburg lebt, auf den Namen Gardosch, als er einen Film über den Todesmarsch von Dachau drehte, 75 Jahre danach. Kronawitter ist ein Experte für das Gedenken, viele Filme hat er schon gemacht, viele Menschen porträtiert. Peter Gardosch war ihm bis dahin unbekannt, er hatte lange geschwiegen über die Zeit im Konzentrationslager, über die Ermordung seiner Familie und sein Überleben. Kronawitter war fasziniert von diesem Mann und seiner Geschichte, dass er ohne Verbitterung war und schließlich eine deutsche Frau heiratete. „Das ist doch der Ausdruck von Versöhnung schlechthin“, sagt Kronawitter.

Am Sonntag, zum Internationalen Holocaust-Gedenktag, hat der Film nun Premiere, im City-Atelier Kino. Vor vier Jahren haben sich die beiden zum ersten Mal getroffen, erzählt Kronawitter, es folgten mehrere Interviews in Berlin, Kronawitter fuhr mit dem körperlich schon gebrechlichen Mann nach Kaufering, nach Fürstenfeldbruck, nach Ettal, an die Stationen seiner KZ-Haft und seiner Flucht. Nach Auschwitz wollte Gardosch nicht mehr reisen.

Max Kronawitter. (Foto: Christian Klenk)

Gardosch wird 1930 in eine gut situierte jüdische Familie in Siebenbürgen geboren, wo er mit seiner kleinen Schwester eine glückliche Kindheit erlebt. 1944 wird die Familie nach Auschwitz verschleppt, seine Mutter und die kleine Schwester werden direkt nach der Ankunft vergast.

Der Gedanke an seine Mutter habe ihn durch sein Leben getragen, sagt Gardosch. Sie habe im Moment ihres Todes bestimmt an ihn, den damals 13-jährigen Sohn gedacht. „Dieser Gedanke hat mein Leben gerettet“, sagt Gardosch.

Einen beeindruckenden Mann erlebt der Zuschauer in dem Film, einen, der sich das Leben von den Nazis nicht hat zerstören lassen. Der sagt, dass er viel Glück gehabt habe im Leben. Das hat auch Kronawitter beeindruckt. „Er hatte die faszinierende Fähigkeit, überall das Positive zu sehen.“

Als Junge kommt Gardosch mit seinem Vater aus Auschwitz ins Arbeitslager nach Kaufering. Unterirdische Rüstungsanlagen sollten dort gebaut werden für Hitlers vermeintliche Superwaffe, Gardosch und sein Vater gehören zu den ersten ungarischen Juden, die dort ausgebeutet werden. „Das war tödlich“, erzählt Gardosch. Dort sei Vernichtung durch Arbeit praktiziert worden.

Peter Gardosch im ehemaligen Konzentrationslager Kaufering. Dorthin wurde er als 13-jähriger Junge von den Nazis gebracht. (Foto: privat)

„Ich war fest überzeugt, dass wir nie wieder rauskommen“, sagt er. Aber wieder hat er Glück. Als jemand gesucht wird, der Deutsch spricht, meldet er sich und wird zum Gehilfen in der Kommandatur, wo er sauber machen sollte, Stiefel polieren, den Garten pflegen.

Im Frühjahr 1945, als die amerikanischen Truppen näher rücken, bereiten die Nazis die Räumung des Lagers vor. Der Todesmarsch führte von Kaufering über Dachau bis nach Waakirchen, wo die Häftlinge von den Amerikanern befreit wurden. Peter Gardosch und sein Vater können fliehen, sie kommen ins Kloster Fürstenfeldbruck, wo sie Prior Pater Emmanuel Haiß aufnimmt. Ein Mann, der den jüdischen Jungen stark prägt. Bis zur Befreiung bleibt Gardosch dort, später besucht er Pater Emmanuel oft in Kloster Ettal.

Seiner zweiten Frau verschweigt er die Vergangenheit

Nach dem Krieg geht Gardosch zurück in die Heimat, er wird Reporter in Rumänien, später Hotelpage in Israel, 1962 geht er mit Frau und Kind zurück in das Land, das den größten Teil seiner Familie ermordet hat. Aber für ihn sei Deutschland das Land von Goethe, Schiller und Beethoven gewesen, sagt Gardosch. Die NS-Zeit nennt er eine „schwere Krankheit“, die das Land befallen hatte. Dass er Jude ist, verschweigt er bei seiner Rückkehr. Aus Feigheit, sagt er.

Er wird Unternehmer, kann sich etwas leisten, er liebt Frauen und große Autos. In Deutschland lernt er seine zweite Ehefrau kennen, „die Liebe seines Lebens“, heißt es im Film. Doch dass er in Auschwitz war, verschweigt er sogar ihr. Erst nach sieben Jahren erzählt er ihr davon. Danach schrieb er einen Roman, erzählte an Schulen von seinen Erlebnissen.

Im Herbst 2022 war der Film fertig, Vorpremieren waren schon geplant. Dann starb Peter Gardosch, er war 92 Jahre alt. Max Kronawitter reiste zur Beerdigung, die beiden waren Freunde geworden - und erhielt zwei Wochen später eine lebensverändernde Diagnose. Ein Glioblastom, ein bösartiger Gehirntumor, eine Woche später wurde er operiert. Danach war alles anders. Kronawitter darf nicht mehr Auto fahren, er muss mühsam wieder lesen lernen. „Nach der Operation wusste ich nicht mehr, was ein Joghurt ist“, erzählt er. „Ich habe die Namen meiner Kinder vergessen. Ich wollte mich rasieren und wusste nicht, wofür die Sachen in meinem Kulturbeutel gut sind.“

All das ist wieder besser geworden, aber Filme machen kann er nicht mehr. Dieser eine Film jedoch, der ließ ihn nicht los. Mit Unterstützung seines Sohnes hat er ihn nun doch noch fertiggestellt.  „Ich habe schon viele Geschichten erzählt, aber das ist eine der stärksten“, sagt Kronawitter. Nun kann sie jeder sehen.

„Von Auschwitz nach Landsberg, von Jerusalem nach Berlin - das bewegende Leben des Peter Gardosch“. Filmpremiere am Sonntag, 26.1. um 11 Uhr im City-Atelier Kino, Sonnenstr. 12. Karten: 12 Euro. Max Kronawitter ist anwesend.

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