Film- und Fernsehproduktionen:"Ohne Location geht nix, da kann das Drehbuch noch so gut sein"

Film- und Fernsehproduktionen: Ob Werbung, Kino oder Fernsehserie: München und die Region sind regelmäßig zu sehen, wenn Regisseure eine besonders schöne Kulisse für ihre Aufnahmen haben wollen.

Ob Werbung, Kino oder Fernsehserie: München und die Region sind regelmäßig zu sehen, wenn Regisseure eine besonders schöne Kulisse für ihre Aufnahmen haben wollen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Werbespot mit der deutschen Fußballnationalmannschaft am Isartor? Der Dreh einer Geiselnahme in einem Münchner Bus? Location-Scout Herbert Jarczyk-Kalman macht's möglich.

Interview von Thomas Becker

Herbert Jarczyk-Kalman ist Location-Scout, sein Job ist es, Drehorte für Film- und Fernsehproduktionen zu finden. Der Gründer des "Bavarian Scout Teams" ist seit 30 Jahren im Geschäft und hat schon für unzählige Werbespots, TV-Serien und Filme - von "Jenseits der Stille" bis "Fack ju Göhte" - die passenden Orte ausgekundschaftet.

SZ: Wie funktioniert Location Scouting in München?

Herbert Jarczyk-Kalman: Angenommen, Sie brauchen einen Biergarten für ein Foto-Shooting, einen Film oder eine Werbung. Zunächst wird über die Finanzen gesprochen und der Aufwand abgeschätzt. Wenn der Biergarten urban sein soll samt Dachterrasse, im Park und in der Nähe einer Straße liegen soll, machen wir zunächst eine Archiv-Recherche, und Sie bekommen erst mal Fotos von zehn, 15 Dachterrassenwohnungen. Dann radeln wir los und machen aktuelle Bilder von möglichen Park-Situationen ...

... das ist ja uferlos. Wo fängt man da an?

Tja, da haben wir natürlich so unsere Erfahrungen. Aber ein gemütlicher Job ist es nicht. Ich bin auch noch Produktionsleiter, sitze sozusagen auf beiden Seiten des Tisches, kann mich also selbst engagieren.

Also weiter: ein Biergarten samt Park und Dachterrasse.

Da bietet sich der Rosengarten im Westpark an. Nur: Welche Behörde ist für den Westpark zuständig? KVR? Baureferat? Schlösser- und Seenverwaltung? Das sind die ersten anstrengenden Wege.

Und wer ist zuständig?

Das Gartenbaureferat. Da muss man einen schriftlichen Antrag stellen. Je nach Zeitvorgabe der Behörde geht es bei Fotoshootings schneller, bei Filmaufnahmen deutlich langsamer.

Wie langsam?

Kommt darauf an. Gerade wird eine Folge von "München Mord" gedreht - sehr populär, aber immer mit schwierigen Themen, wodurch auch die Drehorte schwierig sind. Eine Folge spielt rund ums Sechzger-Stadion, es geht um Randale in der Fan-Szene. Da ist der Vorlauf deutlich länger, weil das mehrere Behörden sowie die Polizei betrifft. Es gibt ja das Film-Büro im KVR, das für Drehgenehmigungen zuständig ist. Da lautet die Zeitvorgabe bei Filmaufnahmen: Minimum 14 Tage vorher. Bei Werbung ist das schwierig: Die rufen heute an und wollen nächste Woche drehen. Da muss man auf Motive außerhalb Münchens ausweichen: Grünwald oder Pullach, wo es eigene Gemeinden gibt. Oder Locations auf privatem Gelände finden. Das ist unser Job: Locations anbieten, die organisierbar, bezahlbar und machbar sind.

Film- und Fernsehproduktionen: Herbert Jarczyk-Kalman.

Herbert Jarczyk-Kalman.

(Foto: privat)

Wie hoch ist Ihre Gage?

300 bis 450 Euro am Tag, je nachdem, ob es eine TV-Produktion für ZDF oder ARD ist, wo die Gelder nicht da sind, oder für eine private Werbung, wie für die Commerzbank mit der deutschen Fußballnationalmannschaft - das sind dann ganz andere Gelder. Wir haben diesen Spot organisiert, als die Nationalmannschaft vor ein paar Jahren durch München gejoggt ist. Das ist dann ein Bonbon, wo komischerweise plötzlich doch vieles geht - weil das auch für die Stadt sehr populär ist. Wenn wir sagen, wir machen einen Spot für die Commerzbank und fünf Angestellte laufen durch die Stadt, interessiert das keinen Menschen. Aber wenn die Nationalmannschaft durch die Fußgängerzone läuft, gehen Dinge, die sonst nie gehen. Die Stadt bemüht sich schon sehr, möglichst viel umzusetzen. Aber manchmal gibt es Wünsche, die nicht realisiert werden können.

Welcher Kunde war denn besonders anstrengend?

Tipico. Die Spezialisten für schwierige Dreharbeiten.

Oli Kahn an der Bushaltestelle?

Genau, die mussten wir letztes Jahr suchen. Da gab es ganz spezielle Vorgaben: Im Hintergrund mussten unbedingt Stadt und beleuchtete Gebäude zu sehen sein, was am Ende im Dunkeln kein Mensch mehr sieht. Gefunden haben wir die Haltestelle dann in der Riesstraße in Moosach.

Schätzen Sie mal: Wie viele Drehteams sind gerade in der Stadt unterwegs?

Das können zehn sein oder zwanzig - oder gar keins. Letzte Woche hatten wir Fahraufnahmen für einen Reifenhersteller, das kriegt kein Mensch mit. Wenn aber der Verkehr eingeschränkt wird, ist es schon schwieriger. Da müssen wir geeignete Straßen oder Kreuzungen suchen, die man für einen Verkehrsunfall auch mal den ganzen Tag sperren kann. Im Frühjahr gab's in "München Mord" eine Geiselnahme im Bus. Da muss man wissen: Ist die Straße groß genug? Gibt's viele Querstraßen? Kommen Kinder aus der Schule? Ist da ein Supermarkt, wo viele hin müssen?

Eine komplizierte Arbeit.

Jemand, der das noch nie gemacht hat, wird sich schwer tun - der denkt an diese Sachen gar nicht. Und dann ist da der Faktor Zeit: Beim Dreh mit der Nationalmannschaft hatten die viel beschäftigten Stars nur vier Stunden, und wir mussten fünf Locations mit fünf verschiedenen Teams organisieren - 150 Leute, ein Monsteraufwand. Die Rückseite des Literaturhauses haben wir in eine Bankfiliale verwandelt. Es brauchte eine eigene Genehmigung, dass die VIP-Fahrzeuge des DFB durch den Englischen Garten fahren dürfen, weil die sonst am Ring im Stau stehen würden. Oder die Szene, als sie durchs Isartor laufen: Da geht's ja nicht nur um 20 Fußballer, sondern um zehn Busse vom DFB und von der Security, die parken müssen. Dazu 10 000 Neugierige. Ein Total-Chaos. Mit Basti Schweinsteiger, den ich privat kenne, stand ich da und sagte: "Schau mal, was da los ist! Wegen euch paar Fußballern!" Und er so: "Mei, is doch lustig." Sage ich: "Für dich schon, aber nicht für die anderen."

Wie wird man Location Scout? Gibt es eine Ausbildung?

Leider nicht. Auf der Filmhochschule würde es zumindest nicht schaden, dass die Leute, die später in der Produktion arbeiten wollen, damit anfangen. Denn ohne Location geht nix, da kann das Drehbuch noch so gut sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: