Open-Air-Festival:Raus aus dem Wohnzimmer, rein in den Englischen Garten

Open-Air-Festival: Schrägen Elektro-Klassik-Folk-Mix von Taz Chernill gibt es beim "375 Hektar"-Festival.

Schrägen Elektro-Klassik-Folk-Mix von Taz Chernill gibt es beim "375 Hektar"-Festival.

(Foto: Taya Chernyshova)

München hat ein neues Open-Air-Festival namens "375 Hektar". Der Titel bezieht sich auf die Größe des Englischen Gartens. Genau dort, an vielen Orten, gibt es Live-Musik, Literatur und Theater.

Von Jürgen Moises, München

Was gibt es Schöneres als Nachts um Eins auf dem Bordstein eines Provinzparkplatzes zu sitzen, auf dem es ein paar Stunden zuvor statt brummender Autos ein öffentliches Konzert gab? Für Till Hofmann nicht sehr viel. Höchstens noch, den Englischen Garten in München zu bespielen. Ein Traum, den viele schon mal hatten, und diesen endlich wahr werden zu lassen: das hat der Münchner Veranstalter, Kulturmanager und Gastronom nun vor. Und zwar in Form von "375 Hektar", einem Festival, das als Teil der Initiative "Bayern spielt" von 26. August an Musik, Theater und Literatur in den Englischen Garten bringt und auch nach Corona Bestand haben soll. Tatkräftige Unterstützer dafür hat Hofmann im Haus der Kunst, der Milla, dem Tams-Theater und Pepe Arts gefunden.

Der Bordstein in der Provinz, der Englische Garten mit seinen 375 Hektar. Für Hofmann gehört beides zusammen. Denn neue Plätze aufzutun, Orte für die Menschen, für Kunst und Kultur neu zugänglich zu machen, das ist ein Ziel, das Hofmann schon seit längerem verfolgt. So hat er etwa zunächst "aus der Not heraus" den Innenhof des Deutschen Museums für seinen "Eulenspiegel Flying Circus" erobert, hat den schönen Garten von Schloss Suresnes als Kleinkunstbühne aufgetan. Er hat eine Wanderbühne an Orte wie die Klöster Raitenhaslach und Niederaltaich geschickt, hat innerhalb eines Jahres rund 200 Open Airs veranstaltet. Und zusammen mit seinen Mitstreitern hat er für "Bayern spielt" statt der erhofften 250 ganze 1200 Plätze als mögliche Auftrittsorte in Bayern gefunden (auf www.bayernspielt.info sind alle mit Kontaktdaten aufgezählt). Sein Motto: Man muss neu denken! Man muss weiter denken! Man muss es versuchen. Die Nischen sind unendlich.

Das mit dem "weiter denken" sagt Hofmann immer wieder, als er beim Gespräch mit Andrea Lissoni, dem Leiter des Hauses der Kunst, auf dessen Terrasse sitzt. Die Terrasse, sie wird eine der Festivalbühnen sein. Hinzu kommen die "Seebühne" am Kleinhesseloher See, eine Bühne am Rumfordschlössl sowie eine Bühne am Bolzplatz an der Sportanlage Hirschanger. Sie alle stehen für "den Versuch, den Fuß in den Garten zu bekommen", so Hofmann. Denn das gibt er zu: Die "375 Hektar", sie sind erstmal eine Behauptung. Stadt und Land habe er zwar hinter sich, aber die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen hat bisher nur drei Bühnen im Garten genehmigt. Und dieser nun zu beweisen, dass man den Englischen Garten auch "sanft bespielen" kann, das gehöre ebenfalls zu den Zielen.

Open-Air-Festival: Die Vielfalt ist groß: Auch Artistik wird geboten.

Die Vielfalt ist groß: Auch Artistik wird geboten.

(Foto: Rüdiger Baumann)

Eine weitere Absicht: Bewusst im Sommer etwas zu machen, also dann, wenn in München gemeinhin kulturelle Flaute herrscht. Dass das so ist, wollte Andrea Lissoni gar nicht glauben, als er 2020 als neuer Direktor des Hauses der Kunst hierher kam. "Die Leute brauchen etwas", sagt er, und meint damit Touristen genauso wie die Münchner. "Und wenn wir nur fünf Prozent des Oktoberfests gewinnen würden, dann wären das 300 000 Leute." Ob das mit "Secret Garden" gelingt? So heißt die Veranstaltung, die das Haus der Kunst mit der Milla auf der Terrasse macht. Eingeladen sind dazu Künstlerinnen wie das Produzentinnenduo Emiranda (26./27.8.), die aus Augsburg stammende DJ Sedef Adasi (26.8.), die viel gelobte Sophia Kennedy aus Hamburg (28.8.), die Berlinerin Charlotte Brandi, die mit dem Duo Me And My Drummer bekannt wurde, oder die aus Köln und Moskau stammenden Taz Chernill mit ihrem schrägen Elektro-Klassik-Folk-Mix (29.8.). Mit Anna Gschnitzer und Caitlin van der Maas sind zudem zwei Schriftstellerinnen an Bord (28.8.).

Literatur, die gibt es auch am Rumfordschlössl, wo vier Tage lang verschiedene Lesereihen wie "Lix" (26.8.), "Wepsert" (27.8.) oder die "Werk[statt]" (28.8.) gastieren. Auf der Bühne am Bolzplatz bietet Pepe Arts unter dem Motto "Cirque Nouveau" Corona-konformes Zirkustheater, darunter die Produktion "Isola+ion". Und das TamS Theater führt auf der Bühne am Seestadl drei Tage lang "Till Eulenspiegel" auf. Außerdem gibt es ein Konzert mit Ardhi Engl und Ruth Geiersberger (29.8.) sowie einen musikalischen Geschichtenabend über "Seeweiber" (27.8.).

Open-Air-Festival: Auch die Hamburgerin Sophia Kennedy gibt in München ein Konzert.

Auch die Hamburgerin Sophia Kennedy gibt in München ein Konzert.

(Foto: Rosanna Graf)

Parallel dazu macht der Eulenspiegel Flying Circus mit seinem Musik- und Kabarettprogramm im Schlosspark Suresnes weiter, und die Lach- und Schießgesellschaft veranstaltet im Garten der Seidlvilla "Cabaret Soiréen". Auch das läuft unter "375 Hektar", und ein Stück weit dockt ebenfalls der "Pleasure Garden" hier an: Ein Performance- und Musik-Programm mit Isabel Lewis, zu dem das Haus der Kunst vom 2. bis 4. September einlädt. Der Ort dafür ist zwar nicht der Englische, sondern der Allianz-Garten. Aber auch da ist man an den 375 Hektar sehr nah dran.

375 Hektar-Festival, 26. August bis 12. September, verschiedene Orte. Alle Infos, Termine und Tickets gibt es unter https://375hektar.de/

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