München:Fenster mit Ansicht

Katharina Konte verwandelt die Glasfronten von Geschäften, Cafés oder Hotels in Gemälde

Von Franziska Gerlach

Bei Lodenfrey sollten es zur Weihnachtszeit Schneeflocken sein, bei Hirmer die Silhouette von München, zum Jubiläum einer Friseurkette dachte sich Katharina Konte dann eine Katze im Look von Karl Lagerfeld aus, aber auch Fische, Oktopusse und natürlich jede Menge florale Muster hat die Illustratorin schon an Münchner Schaufenster gezeichnet. Und während Konte, 34 Jahre alt und in Schwabing aufgewachsen, so aufzählt, wo in der Stadt sie schon überall gemalt hat, scheint sie es selbst kaum glauben zu können. "Ehrlich, ich dachte erst, ich werde nie einen Groschen verdienen mit meiner Kunst."

München: Hinterglasmalerei der besonderen Art: Katharina Konte, ausgebildete Grafikdesignerin gestaltet Schaufenster mit ihren femininen, manchmal sogar verspielten Illustrationen.

Hinterglasmalerei der besonderen Art: Katharina Konte, ausgebildete Grafikdesignerin gestaltet Schaufenster mit ihren femininen, manchmal sogar verspielten Illustrationen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Frau mit langem geflochtenen Zopf sitzt in einem Café an der Barer Straße vor einer leergetrunkenen Tasse. Dann sagt die Mutter eines achtjährigen Sohnes diesen Satz mit dem Traum vom Malen, der für sie Wirklichkeit geworden sei. Auch wenn sie natürlich weiß, dass solche Sätze etwas abgedroschen klingen. "Aber inzwischen läuft's." Vier Jahre ist es nun her, dass eine Freundin Katharina Konte gefragt hat, ob sie denn nichts tun könne, damit ihr kleiner Laden in der Türkenstraße den Passanten mehr auffalle. Also malte Katharina Konte ihr Blumen ans Schaufenster, die wiederum fielen einer Mitarbeiterin von Lodenfrey auf, es folgte ein nächster Auftrag, und dann noch einer, weil jemand sie weiterempfohlen hatte. Nun, und heute hat sie nicht nur mehr als 100 Schaufenster gestaltet, in kleinen und großen Geschäften, die meisten davon in München. Sie hat sich auch als Illustratorin einen Namen gemacht in der Stadt. Und das liegt nicht nur daran, dass Konte ihre Werke so gerne signiert.

München: Die Motive sind ausgefallen und aussagekräftig.

Die Motive sind ausgefallen und aussagekräftig.

(Foto: Catherina Hess)

Zwar sieht man gerade in so ziemlich jeder europäischen Hauptstadt Läden oder Bars, die ihre Angebote in kindlicher Typgrafie ankündigen, selbst die Münchner Metzger schreiben mit schnörkellosen, weißen Pinselstrichen ins Schaufenster, was die Leberkässemmel kostet. Konte aber malt nicht einfach nur mit zumeist weißem Stift. Sie setzt ihre femininen, manchmal sogar verspielten Illustrationen auch einem Zeitgeist entgegen, der sich zuletzt für manchen Geschmack doch etwas zu viel skandinavische Kühle im Design auferlegt hatte. Und das kommt offenbar an: Ein Modelabel will die Kundinnen seines Events illustrieren lassen, damit diese am Ende ein kleines Präsent erhalten? Katharina Konte wird gebucht. Die Münchner Modefirma Hallhuber möchte ihren Pop-Up-Store in Berlin verschönern lassen? Katharina Konte ist dabei. Den Auftrag, zwei Hotelzimmer in Amsterdam zu gestalten, bescherte ihr dann der Zufall. Der Manager des Hotels hatte sie beim Zeichnen im Englischen Garten beobachtet und angesprochen, sie gibt ihm ihre Visitenkarte. Als der dann einige Wochen später junge Künstler sucht, ruft er sie an, und schwups, reist Katharina Konte in die Niederlande.

München: Am liebsten würde Konte einmal eine komplette Hauswand bemalen.

Am liebsten würde Konte einmal eine komplette Hauswand bemalen.

(Foto: Catherina Hess)

Solche Begegnungen sind natürlich eher die Ausnahme. Bis man sich als freischaffender Künstler halbwegs behaupten kann am Markt, braucht es in der Regel nicht nur ein Mindestmaß an Beharrlichkeit und Geduld, sondern auch Kontakte. Ein Netzwerk. Auch Konte verschickt ihr Portfolio an Verlage und Redaktionen. Sie kannte anfangs niemanden in der Branche, nicht einen dieser hippen Grafiker, die in den Münchner Bürogemeinschaften tagein, tagaus die Zukunft des Werbeflyers besprechen. Nach Abschluss der Realschule ließ sie sich zur Grafikdesignerin ausbilden, doch was sie da lernte, hat wenig mit ihrem Stil von heute zu tun. Überhaupt versteht sie Stil nicht als statische Größe, sondern als etwas, das einem ständigen Wandel unterliegt. Das sei ja auch das Schöne an der Kunst, ständig nehme man neue Eindrücke auf. Im Fall von Katharina Konte ist das in diesen Tagen ein Zusammenspiel von großflächigen, floralen Mustern und geometrischen Figuren wie zum Beispiel Dreiecken, manche ihrer Motive nehmen Züge des Art Deco an.

München: Schriftzüge kommen bei der Grafikdesignerin nicht zu kurz.

Schriftzüge kommen bei der Grafikdesignerin nicht zu kurz.

(Foto: Catherina Hess)

Bis Konte beruflich ankommt, sollte es allerdings noch eine Weile dauern. Die Münchnerin arbeitete als Praktikantin für große Werbeagenturen, doch es war nicht das Richtige für sie. Später organisierte sie für eine Agentur über Jahre hinweg die Produktionen von Fotoshootings in der Mode. Ein guter Job. Doch tief in ihr drin pocht die Lust aufs Zeichnen und Malen wie das Herz eines Schockverliebten. Sie konnte diese Sehnsucht nach einem kreativen Ausdruck nur lange Zeit nicht benennen, wusste noch nicht einmal, was Illustratoren konkret tun. Denn als sie sich vor sechs Jahren selbständig machte, war es noch nicht Usus, dass Instagram das Auge täglich mit Kunst jedweder Couleur flutete. Konte blieb damals nur das Blättern in Magazinen und Bildbänden und einem Buch über russische Tätowierkunst, der ehrfürchtige Blick auf die Arbeit anderer, mitsamt der Frage: Wie, um Himmels Willen, machen die das?

"Das schien mir alles unerreichbar", sagt die Münchnerin. "Also habe ich geübt, geübt, geübt." Konte zeichnet praktisch alles, was ihr vor den Stift kommt. Katzen, weil die etwas Feines haben. Fische, und zwar nicht unbedingt possierliche Guppys, sondern solche von der hässlichen Sorte, weil die mit ihren Glupschaugen und stacheligen Flossen so viele Details hergeben. Und immer wieder wird ihr München zum Motiv: der Tubaspieler am Chinesischen Turm oder ein Zamperl. Auch des Cafés an der Münchner Freiheit nimmt sie sich an, weil sie schon als Kind das Eis dort geliebt hat. Und einmal, da zeichnet sie einen Stadtplan aus einem Merian von 1957 ab. Es dauert Tage, bis sie jedes Detail erfasst hat. Das Rathaus, das Ufer der Isar, den Alten Peter und die Türme der Frauenkirche natürlich. Eines Tages würde sie am liebsten einmal eine komplette Hauswand bemalen. Kein Graffito, denn was diese Kunstform betreffe, sei München ja bereits recht gut aufgestellt, sondern ein richtiges Gemälde.

Den Hang zum Kleinteiligen und Filigranen, den hat sie wohl von ihrem Großvater, einem Arzt, der in seiner Freizeit Scherenschnitte fertigte. Doch wie ist das mit dem Gefühl für die Ästhetik des Weiblichen, kann man auch das lernen? Konte schiebt ihr Skizzenbuch über den Tisch, zarte Aquarelle und feine Linien, auf jeder Seite. Und plötzlich der Satz: "Don't be a Kardashian, be a Romy." Mit Romy ist die Schauspielerin Romy Schneider gemeint, von der sie "ein riesengroßer Fan" sei, wie Konte sagt. Wenn auch nicht so sehr in der Rolle der österreichischen Kaiserin Sisi. Doch dieses Foto, auf dem die Schauspielerin einen Turban und ein Spaghettiträgerkleid trage, das finde sie ganz fantastisch. Als Kind habe sie im Übrigen auch mal Hannelore Elsner und Uschi Glas aus Zeitschriften abgemalt. Sie lacht, als sie das erzählt. Eine, die genau weiß, dass man mit solchen Informationen keinen Blumentopf in Sachen Coolness gewinnt. Die aber gelassen genug ist, da drüberzustehen.

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