Süddeutsche Zeitung

Mehrfach vorbestrafter Angeklagter:Prozess wegen Vergewaltigung im Maisfeld begonnen

Der Angeklagte soll im Juli vergangenen Jahres in Feldmoching eine 48-Jährige vom Rad gestoßen, geschlagen und sie vergewaltigt haben. Das Opfer leidet noch immer unter Angstzuständen.

Von Susi Wimmer

Richter Gilbert Wolf wartet auf dem tristen Gerichtsgang, um die Zeugin persönlich in Empfang zu nehmen. Er führt die zierliche Frau in ein Nebenzimmer, wo schon eine Videokamera aufgebaut ist. Hier, abgeschirmt von den Blicken des Angeklagten, soll die 48-Jährige erzählen, wie ein Mann sie im Juli vergangenen Jahres in Feldmoching vom Rad stieß, sie schlug, in ein Maisfeld zerrte und vergewaltigte. Dieser Mann soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Pietro P. sein. Ein mehrfach vorbestrafter Münchner, der erst vier Wochen vor der Tat in Feldmoching aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden war. Bei einer Verurteilung durch die achte Strafkammer am Landgericht München I drohen dem 36-Jährigen eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren sowie eine erneute Sicherungsverwahrung.

Gleich am ersten Verhandlungstag wird die Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen. Erika Lorenz-Löblein, die die Geschädigte vertritt, möchte, dass die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandantin gewahrt bleiben. Die 48-Jährige leidet bis heute unter Angstzuständen, Panikattacken und befindet sich deshalb immer noch in ärztlicher Behandlung. Damit die Videovernehmung der Frau vom Nebenzimmer in den Gerichtssaal übertragen werden kann, muss die Kammer vom Landgericht in einen Saal des Amtsgerichts umziehen. Am Landgericht gebe es keine Säle, die auf eine Videovernehmung ausgerichtet seien, sagt Gilbert Wolf. Und in dem kleinen Saal am Amtsgericht dürfen laut Corona-Vorgaben nur 17 Personen sitzen. "Das wird eng", sagt der Vorsitzende.

Als Staatsanwältin Christine Kleider die Anklage verliest, schüttelt Pietro P. kurz den Kopf. Der Mann mit den braunen kurzen Haaren und den auffallend hellen Augen ist offenbar mit dem Inhalt nicht ganz einverstanden. Er soll am 30. Juli 2020 gegen 18.30 Uhr auf der Pappelallee, kurz vor der Einmündung zur Röhrichtstraße, die Frau von ihrem Fahrrad gestoßen haben. "He, was soll das? Du hast mein Geld genommen. Zeig mir deine Taschen", soll er sie angeschrien haben. Die Frau leerte perplex ihre Taschen und zeigte ein Handy und einen Zehn-Euro-Schein. Daraufhin soll Pietro P. ihr mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen und sie in das angrenzende Maisfeld gedrängt haben.

Am Boden liegend soll er der Frau gedroht haben, sie zu würgen. Außerdem habe er ein Messer und werde sie umbringen. Die Geschädigte habe unter Todesangst gelitten, sagte Staatsanwältin Kleider. Nach der Vergewaltigung soll der Täter die Frau gezwungen haben, mit ihm zum nahen Feldmochinger See zu fahren. Auf dem Weg dorthin kamen sie an einem Bach vorbei. Hier soll der Angeklagte die Frau angewiesen haben, sich im Bach zu waschen, um mögliche DNA-Spuren zu beseitigen. Erst als die Frau versichert habe, nicht zur Polizei zu gehen und ihrem Mann nichts zu erzählen, soll er sie haben gehen lassen. Sie befand sich fast eine Stunde in seiner Gewalt und erlitt an äußerlichen Verletzungen Hämatome, Schürfwunden und Schwellungen. Nach Informationen der SZ fand die Rechtsmedizin etliche DNA-Spuren von Pietro P., die in Zusammenhang mit der Tat im Maisfeld stehen.

Pietro P. ist nun angeklagt wegen Vergewaltigung mit Gewaltanwendung in Tateinheit mit Körperverletzung und Nötigung. Ihr Mandant werde von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch machen, ließen seine Verteidiger Marc Wederhake und Olaf Groborz zum Auftakt der Verhandlung verlauten. Der Prozess wird in dieser Woche fortgesetzt, ein Urteil soll am 26. Mai gesprochen werden. Kommt das Gericht zu einem Schuldspruch, steht neben einer Gefängnisstrafe eine erneute Sicherungsverwahrung im Raum. Diese schließt sich an eine zu verbüßende Haftstrafe an. Ziel der Sicherungsverwahrung ist es, die Allgemeinheit vor einem besonders gefährlichen Täter zu schützen. Jedes Jahr wird überprüft, ob von dem Betreffenden noch eine Gefahr ausgeht. Bei Pietro P. hatten die Gutachter dies zuletzt verneint.

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SZ vom 18.05.2021/van/syn
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