Süddeutsche Zeitung

Millionenklage gegen die Stadt:"Das ist ein Wahnsinns-Baupfusch!"

Zwölf Hausbesitzer aus Feldmoching ziehen vor Gericht. Ihre Keller laufen mit Wasser voll, seit die Stadtentwässerung einen neuen Kanal gebaut hat.

Von Stephan Handel

Der ganze Ärger stammt aus dem Jahr 2010, das Aktenzeichen des Gerichtsverfahrens zeigt das Jahr 2016, die erste Verhandlung fand 2018 statt - und nun, noch einmal drei Jahre später, schaut es immer noch nicht so aus, als könnten die zwölf Kläger aus Feldmoching bald mit einer Entscheidung rechnen: Muss ihnen die Stadt München 1,7 Millionen Euro für Schäden an ihren Häusern bezahlen?

Im Jahr 2010 vollendete die Münchner Stadtentwässerung den Nord-West-Kanal in Feldmoching, eine Röhre von vier Metern Durchmesser, die in der Lage sein sollte, noch den stärksten Starkregen aufzunehmen und abzutransportieren. Das tut sie wohl - allerdings zusätzlich noch etwas anderes, unerfreuliches: Sie staut einen Grundwasserstrom und weil dieses Wasser ja irgendwo hin muss, läuft es den Anwohnern in die Keller. Zwölf von ihnen haben sich zusammengetan und klagen vor dem Landgericht gegen die Stadt.

Die stellt sich bis jetzt auf einen einfachen Standpunkt: Die Anwohner seien selber schuld, dass sie beim Bau der Häuser die Keller nicht ausreichend abgedichtet hätten. Da kommt Benno Ziegler, dem Anwalt der Kläger, eine brandneue Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gerade recht: Der hatte bei einem Streit um den Neubau eines Hotels in der Schillerstraße geurteilt, dass der Nachbar es nicht hinnehmen müsse, wenn nebenan Grundwasser gestaut werde und dadurch seine Immobilie Schaden nehmen könnte.

"Wir diskutieren hier Paragrafen, aber das ist das Problem eines ganzen Stadtviertels"

Es geht dann in der Verhandlung um Eigentumseingriff und Pflichtverletzungen, um die Frage von Richter Frank Tholl an die Vertreter der Stadt, ob es denn dieses Mal die Bereitschaft zu einem Vergleich gäbe - Antwort: Nein - und inwieweit die Häuser denn immer noch feucht werden. Das wenigstens: Es wurden Pumpen eingebaut, was aber auf Dauer natürlich auch keine Lösung ist, vor allem, weil die Einschalt-Automatik nicht funktioniert und die Bewohner selber aufpassen müssen. "Wenn Sie bei jedem Regen fürchten müssen, dass der Keller vollläuft, geht das auch an die Nerven", sagt Ziegler.

Ein Gutachten über die Ausstattung der Keller wird in der Verhandlung nicht weiter thematisiert - dass die beim Bau in den 60er-Jahren nicht so abgedichtet wurden, wie man es heute machen würde, ist mehr oder weniger unstreitig.

Anwalt Ziegler wird dann, nach all der juristischen Diskussion, fast pathetisch: "Das ist ein Wahnsinns-Baupfusch! Wir diskutieren hier Paragrafen, aber das ist das Problem eines ganzen Stadtviertels." Noch viel mehr Hausbesitzer sind ebenfalls geschädigt, aber nicht alle können sich die Beteiligung an der Klage leisten. Ziegler selbst scheint auch eher an eine andere Lösung zu glauben, auf eine andere Lösung zu hoffen als auf die juristische: "Irgendwann wird das der Oberbürgermeister zu entscheiden haben."

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SZ/sim/kafe
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