Sie residierten gerade mal zwei Wochen in ihrem neuen Büro, da schien das ganze Feierwerk schon über ihnen einzustürzen. Das Kulturzentrum an der Hansastraße sei baufällig, so wurde im Stadtrat gewarnt. Der Kommunalausschuss nahm die beiden Baukörper auf in die „Kategorie der höchsten Priorität“, das heißt, für sie stehe „konkret eine Sanierung“ an. Julia Viechtl und Andreas Huber, die zum 1. Januar 2025 die Geschäftsführung des Feierwerks übernommen hatten, blieben ruhig, Absperrband mussten sie nicht aufspannen. „Wir würden niemals die Gesundheit unserer Besucher und der Mitarbeiter riskieren“, sagen sie. So schlimm wie um die im selben Zusammenhang genannten anderen schon arg bröckelnden Jugend-Kulturstätten Tröpferlbad und Kafé Marat stehe es ums Feierwerk nicht.
Dass es allerdings durchaus Handlungsbedarf gibt, hatten sie auch schon kurz nach Amtsantritt im Januar erfahren: Ihre neue Aufgabe startete mit einem Heizungsausfall im Konzert- und Party-Saal Orangehouse. Überhaupt sei der „energetische Zustand der ganzen Anlage schwierig“, sagt Viechtl, was wiederum wegen der gestiegenen Heizkosten ihr Budget angreife. „Wir begrüßen eine Generalsanierung, es ist vieles unerledigt, was nötig wäre“, sagt Huber.
Aber dafür müsste die Stadt erstmal Geld freigeben. Und man muss gemeinsam mit dem zuständigen Baureferat einige Schwierigkeiten aus dem Weg räumen: Außer dem Denkmalschutz, unter dem Teile dieses einstigen Sitzes der Baufirma Moll stehen, gilt es vor allem, den Betrieb am Laufen zu halten. Schließlich nutzen in allen Stätten des Feierwerks jährlich eine Viertelmillion Kinder, Jugendliche und Erwachsene 6000 Angebote. Auch bei einer abschnittsweisen Sanierung brauche man also einen Interimsort. Einige Quartiere habe man besichtigt, aber die eigneten sich nicht, etwa das katakombenreiche ehemalige Unionsbräu an der Einsteinstraße, erklärt Viechtl: „Da sind Wohnungen drüber. Und laut werden wir immer bleiben.“
Momentan prüfe die Stadtverwaltung die Lage, „es liegt nicht in unserer Hand“, sagen die beiden neuen Geschäftsführer. Vieles allerdings können sie von nun an durchaus gestalten. Und das ist weit mehr, als vielen Münchnern bewusst sein dürfte. Das Feierwerk, das sind nicht nur an der Hansastraße die bekannten Clubs Kranhalle, Orangehouse, Hansa 39 und Sunny Red, wo jedes Jahr 1000 Künstler und Künstlerinnen 500 Konzerte spielen, sowie der Dschungelpalast, in den viele Eltern mit ihren Kindern zum Basteln kommen. Denn dazu kommen verteilt aufs ganze Stadtgebiet fünf Jugend-Freizeitstätten, ein Nachbarschaftstreff, ein Radiosender, eine Skateanlage, der Ausstellungsraum Farbenladen, die Fachstelle Pop und die Fachinformationsstelle für Rechtsextremismus München (Firm).

Es wird viel über hochdotierte Intendanten von städtischen Theatern oder Leiter von üppig ausgestatteten Orchestern diskutiert – der Aufgabenbereich von Julia Viechtl und Andreas Huber ist sicher vergleichbar, wenn nicht sogar umfangreicher. Die sehr tatendurstig wirkenden neuen Geschäftsführer stehen allerdings nicht auf städtischen oder staatlichen Gehaltslisten, sie sind eingesetzt vom gemeinnützigen Feierwerk Verein. Dem wiederum bezahlt die Stadt über das Sozial- und das Kulturreferat für die Erfüllung diverser Aufgaben jährlich 2,2 Millionen Euro.
Das reicht höchstens fürs Nötigste und ein Team aus 60 festen und 140 freien Mitarbeitern. Zumal die Stadt die Zuschüsse 2024 nicht erhöht hat, obwohl die Kosten generell stark gestiegen sind. Für 2025 haben die Geschäftsführer noch keine Zahlen von der Stadt bekommen, sie hängen in der Luft, überhaupt wünschen sie sich mehr Planungssicherheit. „Die städtische Haushaltslage und somit die Förderungen aus dem Kultur- und dem Sozialreferat bereiten uns wie auch allen anderen Kulturakteurinnen große Sorgen“, mahnen sie. „Jugendkultur und -freizeit sind enorm wichtig für die Demokratisierung, aber gerade da ist von der Förderung her noch viel Luft nach oben. Diese dritten Orte wie unsere sind wichtig für die Entfaltung der Jugendlichen zu mündigen Bürgern.“

Dass junge Leute Freiräume haben, sich auszuleben, auszuprobieren und zu engagieren, war schon das Anliegen jener studentischen Projektgruppe, die den Verein 1983 gründete. Ernst Wolfswinkler baute das Feierwerk dann 40 Jahre lang zum weithin bekannten, größten Jugendkulturraum Münchens aus. „Er hat den Verein mit viel Herzblut und Verstand geleitet und ein starkes Fundament für die Zukunft geschaffen“, sagt Viechtl, vor allem die Vernetzung mit Politik und Verwaltung habe er unermüdlich vorangetrieben. Wolfswinkler wiederum kann nun beruhigt in den Ruhestand gehen, denn das neue „starke Team“ werde zeitgemäße Konzepte erarbeiten, neue Wege gehen und dabei weitere Räume für junge Kulturen erschließen, wie er sagt. „Ich bin sicher, dass sie das Feierwerk in eine spannende und erfolgreiche Zukunft führen werden.“
Viechtl und Huber kennen ihren Laden von innen heraus. Beide haben ihn schon als Kulturschaffende genutzt. Viechtl spielte als Bassistin der Band Fertig, los! schon vor 20 Jahren ein Konzert im Sunny Red; Huber veranstaltete eine Party im Orangehouse – genauso sehen sie das Feierwerk immer noch als erste Anlaufstelle für junge Menschen, die etwas auf die Beine stellen.

Und schon seit Jahren arbeiten sie hier: Der studierte Pädagoge Huber, 44, leitete sieben Jahre lang die Südpolstation-Filiale in Neuperlach und zuletzt zwei Jahre lang die gesamte pädagogische Sparte. Viechtl, 38, die nicht nur als Musikerin, sondern auch als Veranstalterin von Festivals und Symposien ihre Vision von München als „Music City“ verfolgte, war neun Jahre lang in der Fachstelle Pop aktiv, zuletzt als Leiterin. Als dann die Feierwerk-Leitung ausgeschrieben wurde, drehten die beiden zusammen eine Runde durch den Westpark und entschieden, ihre Kräfte gebündelt in einer Doppelspitze anzubieten.
Viechtl konzentriert sich aufs Kulturelle. Wobei sie das Programm „im Blick“ habe, ansonsten auf die „supertollen Leute“ im Buchungs-Team vertraue und auf die „Strahlkraft der Popularmusik“, der „spannendsten Gegenwartskultur“. Sie will mit Räumen, Workshops und Beratung vor allem jungen Münchner Musikerinnen und Musiker unterstützen. So wie sie mit der Fachstelle Pop schon 2023 den „Munich Music Booster“ angeschoben hat, mit dem Projekt kann sie jährlich mit 50000 Euro vom Kulturreferat ganz niederschwellig Albumaufnahmen oder Konzerte mit jeweils 250 bis 500 Euro ankurbeln.

Andreas Huber kümmert sich weiter um die soziale Jugendarbeit. Die Aufgabe wird immer heikler, berichtet er: Die Nachrichtenlage macht viele junge Besucher der Freizeitstätten traurig, AfD-Drohungen von „Remigration“ lösen Ängste aus bei hier geborenen Jugendlichen mit internationalem Familienhintergrund, Rechtsextremisten versuchen schon auf Kinder einzuwirken. „Wir sind politisch neutral, aber wir vermitteln in unserem Angebot die Werte der Demokratie und bekämpfen Desinformation“, sagt Huber.

Bei den Finanzen und den „großen Fragen“ seien sie gemeinsam in der Verantwortung. Die großen Dinge, das sind etwa das neue „Boom“ in Freiham. Und gerade haben sie erfahren, dass das Feierwerk der Träger einer Interims-Freizeitstätte Sendling-Westpark an der Garmischer Straße sein wird. Den Container-Bau will der Stadtrat zwar erst für 2026 in Auftrag geben, aber bis dahin sind sie dort „mobil unterwegs“, quasi als Interim-Interim. Schon gebaut ist das neue Probenraumzentrum „Amp“ an der Adi-Maislinger-Straße, das Oberbürgermeister Dieter Reiter einst zur Chefsache erklärt hat. Jetzt warten sie endlich auf grünes Licht, um es einrichten und betreiben zu dürfen – die Räume werden Bands, Musiker, DJs und Produzenten per App stundenweise buchen können.
Immer weiter ausbauen wollen sie Awareness, Safer Spaces und Barrierefreiheit („mega“ wäre ein Rollstuhlzugang für den Keller-Club Sunny Red). Ein Riesentraum wäre ein zusätzlicher größerer Veranstaltungsort wie einst die Mollhalle, in den Achtzigerjahren der zentrale Pop-Spielplatz Münchens. Auch ein frischeres Erscheinungsbild schwebt ihnen vor – wobei Julia Viechtl und Andreas Huber bewusst ist, dass es mit ein paar Eimern Farbe nicht getan sein wird.