Streit um neue Geschäftsordnung:FDP und ÖDP klagen gegen die Stadt - und verlieren

Streit um neue Geschäftsordnung: Das Münchner Kindl am kleinen Sitzungssaal im Neuen Rathaus: Um einflussreiche Posten in der Stadtpolitik drehte sich der Streit.

Das Münchner Kindl am kleinen Sitzungssaal im Neuen Rathaus: Um einflussreiche Posten in der Stadtpolitik drehte sich der Streit.

(Foto: Robert Haas)

Vor etwa zwei Jahren setzten die großen Stadtratsfraktionen eine neue Zuteilung der Ausschussplätze durch, die tendenziell stärkere Parteien begünstigt. Dagegen wollten sich die kleinen Fraktionen am Verwaltungsgericht wehren - vergebens.

Von Anna Hoben

Knapp zwei Jahre ist es her, dass der Stadtrat bei seiner konstituierenden Sitzung seine neue Geschäftsordnung beschloss. Dabei setzten die großen Fraktionen Grüne, CSU und SPD durch, dass die Zuteilung der Plätze in den Ausschüssen nach dem Verfahren von D'Hondt berechnet wurde. Sie mussten dafür heftige Kritik von den kleineren Parteien und Fraktionen einstecken, denn die Rechenmethode begünstigt tendenziell stärkere Parteien zum Nachteil schwächerer.

Am Mittwoch ist der Konflikt vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München ausgetragen worden. Die Fraktionen ÖDP/München-Liste und FDP/Bayernpartei hatten wegen des aus ihrer Sicht ungerechten Verfahrens gegen die Stadt München geklagt - und haben am Ende verloren.

Zuvor war in München 36 Jahre lang das Hare-Niemeyer-Verfahren zur Anwendung gekommen. Der Wechsel zu D'Hondt bedeutete: weniger Ausschusssitze für die kleineren Fraktionen. Und es bedeutete, dass die AfD mit ihren drei Mandaten in keinen einzigen Ausschuss und auch nicht in den Ältestenrat einziehen durfte.

Die Argumentation der damaligen Sitzungsvorlage für den Wechsel: Die zunehmende Zersplitterung des politischen Spektrums mache es für die in Regierungsverantwortung stehenden Parteien und Gruppierungen schwierig, die in der Vollversammlung bestehenden Mehrheiten auch in den Ausschüssen zu wahren.

Mit ihrer Klage beantragten ÖDP/München-Liste und FDP/Bayernpartei nun eine neue Berechnung, nach dem Verfahren von Sainte-Laguë-Schepers, das nach aktuellem Stand der Wissenschaft den Wählerwillen am genauesten widerspiegele. Oder eben, wie bisher, nach der Methode Hare/Niemeyer. Dies solle nicht nur für die Besetzung der Ausschüsse gelten, sondern auch für die der Aufsichtsräte von städtischen Beteiligungsunternehmen.

In der Klageschrift stehen viele Zahlen

Auch da hatte der Stadtrat 2020 entschieden, auf D'Hondt umzusteigen. Mit der Folge, dass in den Aufsichtsräten kein Mitglied der kleineren Oppositionsfraktionen vertreten ist. Die Argumentation der Sitzungsvorlage für den Wechsel: Bei einer Berechnung nach Hare/Niemeyer wäre die Mehrheit der Regierungskoalition in manchen Aufsichtsräten nicht mehr abgebildet, in anderen wären die Mehrheitsverhältnisse der Oppositionsfraktion stark verzerrt. Das Verfahren nach D'Hondt spiegele den Wählerwillen am gerechtesten wider.

Genau das bezweifeln die Fraktionen ÖDP/München-Liste, zu der bis vergangenen Sommer noch zwei Stadträte von den Freien Wählern gehörten, und FDP/Bayernpartei. In ihrer Klageschrift wird viel gerechnet: wie viele Aufsichtsräte für eine sogenannte Entsendungsgemeinschaft, wie sie sie gern zusammen bilden würden, nach welchem Verfahren jeweils möglich wären. Die Stadt indes hält die Klage im Hinblick auf die Besetzung von Aufsichtsräten gar nicht für zulässig.

Doch warum sind die Sitze in den Kontrollgremien der städtischen Beteiligungsunternehmen überhaupt so wichtig? Im Mai 2020 entschied der Stadtrat über die Benennung und Entsendung von 130 Aufsichtsratsmitgliedern für 27 städtische Beteiligungsunternehmen - je nach Unternehmen zwei bis zehn Personen. Vieles werde in diesen Gremien vorentschieden, sagt FDP-Stadträtin Gabriele Neff. Es gehe also darum, "ein Stück weit mitzugestalten".

Sind die Regeln gezielt gegen die AfD gerichtet?

FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann und ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff verweisen darauf, dass es im Stadtrat gern heiße, dies oder jenes habe man bereits im Aufsichtsrat besprochen - weitergegeben werden dürften die Informationen aber nicht. "Wir schauen dann in die Röhre", so Ruff.

Es gehe um "nicht weniger als um den Erhalt der Demokratie und Chancengleichheit für alle Parteien", hatte die ÖDP/München-Liste vor dem Gerichtstermin mitgeteilt. Der Oberbürgermeister und die großen Fraktionen hätten ihre Macht "dafür missbraucht, völlig willkürlich ihren Einfluss radikal auszuweiten und die kleineren Fraktionen von Informationskanälen und Aufsichtsräten auszuschließen."

Nur kurz blitzt am Mittwoch in der Diskussion am Verwaltungsgericht der "Elefant im Raum" auf. ÖDP-Stadtrat Ruff nennt es so, er meint die AfD-Gruppierung im Stadtrat, die vor Gericht beigeladen ist und durch Stadtrat Markus Walbrunn vertreten wird.

Es sei "zumindest anzunehmen", so Ruff, dass der Wechsel auf D'Hondt deshalb erfolgt sei, um die AfD aus den Gremien herauszuhalten. Das müsste die AfD dann aber auch selbst geltend machen, entgegnet die Vorsitzende Richterin Christine Gibbons, die klagenden Fraktionen treffe dies "nur indirekt". Die Vertreter der Stadt sowie CSU-Stadträtin Evelyne Menges, die ihre Fraktion zugleich als Anwältin vertritt, weisen die Vermutung von Ruff entschieden zurück.

Der Stadtrat kann die Berechnungsverfahren grundsätzlich frei wählen

Richterin Gibbons äußert Verständnis für das Anliegen der klagenden Fraktionen, macht aber schließlich klar, dass die Auffassung des Gerichts sich an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs orientiere, und die sei eindeutig. Grundsätzlich könne der Stadtrat frei zwischen den Berechnungsverfahren wählen; ein solches sei nur dann unzulässig, "wenn es sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet". Dazu gebe es in dem Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

Dass große Fraktionen also ein Verfahren wählten, das sie begünstige, sei hinzunehmen. Bei der Besetzung der Aufsichtsräte sei zudem Gerechtigkeit kein Maßstab, "so hart das klingt". Anwesend war von den großen Fraktionen am Mittwoch mit Menges nur eine Vertreterin der CSU, von den Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt war niemand gekommen.

ÖDP/München-Liste und FDP/Bayernpartei wollen nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Dann wolle man entscheiden, ob das Verfahren in die nächste Instanz gehen soll, kündigten sie an.

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