Anstehende Meisterfeiern:Wer darf auf den Münchner Rathaus-Balkon?

Anstehende Meisterfeiern: Der erste Doppelsieg der FC-Bayern-Fußballer: 2015 präsentieren die Kapitäne Bastian Schweinsteiger und Lena Lotzen erstmals gemeinsam auf dem Rathaus-Balkon die Meisterschalen der Männer und Frauen.

Der erste Doppelsieg der FC-Bayern-Fußballer: 2015 präsentieren die Kapitäne Bastian Schweinsteiger und Lena Lotzen erstmals gemeinsam auf dem Rathaus-Balkon die Meisterschalen der Männer und Frauen.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Die Stadt bereitet wie immer eine Meisterfeier für den FC Bayern auf dem Marienplatz vor: Wer am Sonntag dann tatsächlich kommt, entscheidet sich dieses Mal erst kurzfristig. Vielleicht fällt die Party sogar ganz aus.

Von Joachim Mölter

So wie anno 1974 wird die Meister-Ehrung der Münchner Fußballer auf dem Marienplatz nicht ablaufen an diesem Sonntag, so viel ist sicher. Und das liegt nicht allein daran, dass den Kickern des FC Bayern vor fast einem halben Jahrhundert ein einzigartiges Triple gelungen ist mit Titelgewinnen auf nationaler, kontinentaler und globaler Ebene und es in diesem Jahr wohl nur ein Single geben wird.

Im Normalfall hat der Klub seinen erfolgsverwöhnten Anhängern ja nur eine deutsche Meisterschaft zu bieten, die der Frauen. Bestenfalls werden es zwei Meisterschaften, ein gemischtes Doppel sozusagen, wenn die Männer am Samstag, dem letzten Bundesliga-Spieltag der Saison, wider Erwarten noch an Tabellenführer Borussia Dortmund vorbeiziehen sollten. Schlimmstenfalls fällt die Party aus - dazu müssten die Frauen am Sonntag aber schon ihre letzte Partie gegen den Ligaletzten Turbine Potsdam verlieren.

Weil damit eher nicht zu rechnen ist, bereitet sich die Stadt auf einen Empfang im Rathaus vor, mit anschließender Präsentation der Meisterinnen und/oder Meister samt ihrer Trophäe(n) auf dem Rathaus-Balkon. Zur Einstimmung gibt es auf dem Marienplatz erstmals ein Public Viewing eines Bundesliga-Spiels der Frauen. Ab 14 Uhr wird die Partie gegen den Absteiger live auf einer Großleinwand übertragen. Die Maskottchen Berni (Männer) und Mia (Frauen), zwei Bärchen, sollen zusätzlich für Stimmung sorgen. Im Erfolgsfall erwartet Oberbürgermeister Dieter Reiter, ein bekennender FC-Bayern-Fan, die Mannschaft(en) dann ab 17.30 Uhr im Großen Sitzungssaal.

Fans werden mit Bussen in die Innenstadt gekarrt

Bereits ab 11 Uhr gilt ein Glas- und Pyrotechnikverbot auf dem Marienplatz, Fahrräder und E-Tretroller dürfen dort weder benutzt noch abgestellt werden. Die U-Bahn-Ausgänge Rindermarkt, Fischbrunnen und Dienerstraße bleiben geschlossen. In einem Radius von 300 Metern rund um den Marienplatz werden vorsichtshalber Absperrungen vorbereitet, die je nach Andrang dann eingerichtet werden. Eine Webcam zeigt den aktuellen Überblick über die Lage (muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/webcam.html), außerdem informiert die Stadt auf ihrem Twitter-Kanal (#TitelfeierFCB; www.twitter.com/StadtMuenchen).

Wie groß der Andrang sein wird, ist eine spannende Frage. Der FC Bayern hat zwar Busse organisiert, mit denen die Fans nach dem Frauen-Spiel vom 2500 Zuschauer fassenden Campus in die Innenstadt gekarrt werden sollen. Aber ob die Frauen allein die Massen anziehen, muss man sehen. Selbst bei den Männern hat die Begeisterung zuletzt ja nachgelassen, möglicherweise die Folge einer gewisser Gewöhnung. Als Thomas Müller und Co. vor einem Jahr die zehnte Meisterschaft in Serie holten, feierten 10 000 Menschen auf dem Marienplatz mit. 2019, beim letzten Rathaus-Besuch vor der Corona-Pandemie, sahen sich die Profis noch 15 000 Fans gegenüber. Und als 2015 erstmals Fußballer und Fußballerinnen des FC Bayern gemeinsam vom Balkon winkten, wurde die Zuschauerzahl auf zwischen 15 000 und 20 000 geschätzt.

Anstehende Meisterfeiern: Gute alte Zeit: Der heutige Sportvorstand Hassan Salihamidzic präsentiert 1999 noch als Spieler die Meisterschale, neben dem aktuellen Vorstandschef Oliver Kahn (rechts).

Gute alte Zeit: Der heutige Sportvorstand Hassan Salihamidzic präsentiert 1999 noch als Spieler die Meisterschale, neben dem aktuellen Vorstandschef Oliver Kahn (rechts).

(Foto: Frinke/Imago)

Das ist kein Vergleich zu 1974, als die FC-Bayern-Elf um Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, Uli Hoeneß, Paul Breitner und Georg Schwarzenbeck vom ersten Gewinn des Europapokals der Landesmeister nach Hause kam. Weil in Brüssel das erste Finale gegen Atletico Madrid auch nach Verlängerung unentschieden endete (1:1) und damals noch kein Elfmeterschießen vorgesehen war, gab es zwei Tage später, an einem Freitagabend, ein Wiederholungsspiel. Das gewannen die Münchner 4:0.

Nach einer durchfeierten Nacht reisten sie weiter nach Mönchengladbach, wo sie am Samstagnachmittag ihr letztes Bundesliga-Spiel 0:5 verloren, was aber nicht weiter schlimm war, weil sie die Titelverteidigung schon eine Woche vorher perfekt gemacht hatten. Als die müden Männer am Samstagabend schließlich in München eintrafen, säumten Tausende die Straßen vom Flughafen in die City, wo auf dem Marienplatz bereits rund 30 000 Menschen warteten, dazu ein Esel namens Seppi, das damalige Maskottchen. Viel mehr passen da nicht drauf, es handelt sich immerhin um die Bevölkerung einer ganzen Kleinstadt.

Zu sehen bekamen die Fans damals freilich so gut wie nichts, zum einen, weil es mittlerweile dunkel geworden war, zum anderen, weil die Mannschaft auf einem nur etwa fußhohen Podium stand. Einige Wochen später, als die Nationalmannschaft mit dem halben FC Bayern auf dem Feld im Münchner Olympiastadion den WM-Titel gewann, bekamen die Leute noch weniger von den Fußball-Helden zu sehen, nämlich gar nichts: Die Spieler wollten nach dem Finale schleunigst in den Urlaub, ihr Triumphzug entfiel - zum Frust der Fans.

Anstehende Meisterfeiern: Der Beginn einer langen Tradition: Der damalige Trainer Dettmar Cramer präsentiert 1975 erstmals auf dem Rathaus-Balkon eine gewonnene Trophäe der FC-Bayern-Fußballer - den Europapokal der Landesmeister.

Der Beginn einer langen Tradition: Der damalige Trainer Dettmar Cramer präsentiert 1975 erstmals auf dem Rathaus-Balkon eine gewonnene Trophäe der FC-Bayern-Fußballer - den Europapokal der Landesmeister.

(Foto: Sven Simon/Imago)

Als Lehre aus dem Jahr 1974 durften sich die FC-Bayern-Profis 1975 erstmals ausgeruht auf dem Rathaus-Balkon zeigen, nachdem sie den Landesmeister-Pokal erneut gewonnen hatten (durch ein 2:0 gegen Leeds United). Es war zwar der einzige Erfolg in jenem Jahr, in der Bundesliga kam das Team bloß auf Platz 10 (in Worten: zehn), aber dieser Balkon-Besuch begründete die bis heute gepflegte Tradition.

Eine feste Regelung dafür gibt es nicht, und wenn die Stadt bzw. der Oberbürgermeister erfolgreiche Sportler zum Empfang ins Rathaus einlädt, ist das auch "nicht automatisch verbunden mit einer Fan-Feier auf dem Marienplatz", wie das Presseamt der Stadt mitteilt. So war beispielsweise das Eishockeyteam des EHC München unlängst nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft ins Rathaus geladen. Auf dem Balkon wurde zwar auch ein Foto gemacht, aber darunter fehlten die Fans, im Grunde kein Wunder: Es war an einem Dienstagvormittag.

Anstehende Meisterfeiern: Es muss nicht immer Fußball sein: Oberbürgermeister Dieter Reiter (links) hat kürzlich auch die Vertreter des Eishockeymeisters EHC München auf den Rathaus-Balkon geladen - Trainer Don Jackson, Kapitän Patrick Hager und Sportdirektor Christian Winkler (von links).

Es muss nicht immer Fußball sein: Oberbürgermeister Dieter Reiter (links) hat kürzlich auch die Vertreter des Eishockeymeisters EHC München auf den Rathaus-Balkon geladen - Trainer Don Jackson, Kapitän Patrick Hager und Sportdirektor Christian Winkler (von links).

(Foto: Heike Feiner/Imago/Eibner)

Gelegentlich dürfen auch gewöhnliche Menschen einen Blick vom Balkon werfen, allerdings nur zu besonderen Anlässen. Etwa wenn die Landeshauptstadt einen Tag der offenen Tür anberaumt hat, oder bei Rathaus-Führungen des München-Tourismus. Aber um Massenaufläufe auf dem Marienplatz zu generieren, müssen sich dort oben schon Sportler zeigen. Außer Fußballer haben sich dort auch erfolgreiche Olympia-Teilnehmer ihrem Publikum präsentieren. Aber Meisterschaften und Medaillen sind keine zwingende Voraussetzungen, sonst hätten es die Löwen ja nie auf den Rathaus-Balkon geschafft - dort durfte der TSV 1860 jedoch die Bundesliga-Aufstiege 1977 und 1994, die Zweitliga-Aufstiege 1991 und 1993 mit seinen Fans feiern.

Anstehende Meisterfeiern: Es müssen auch nicht immer Meisterschaften sein: 1991 feiert Trainer Karsten Wettberg mit dem TSV 1860 München den lang ersehnten Aufstieg von der Bayernliga in die 2. Liga.

Es müssen auch nicht immer Meisterschaften sein: 1991 feiert Trainer Karsten Wettberg mit dem TSV 1860 München den lang ersehnten Aufstieg von der Bayernliga in die 2. Liga.

(Foto: Werek/Imago)

Als die Mannschaft des TSV 1860 im Jahr 1966 ihre einzige deutschen Meisterschaft gewann, gab es die Tradition mit dem Rathaus-Balkon jedenfalls noch nicht. Auch für die Meisterlöwen war nur ein kleines Podium hergerichtet, auf dem man sie im strömenden Regen vor lauter aufgespannten Schirmen so gut wie nicht gesehen hat.

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