Erneut ist es an einem Bahnübergang im Münchner Stadtteil Fasanerie zu einem Beinahe-Zusammenstoß zwischen einem Zug und einem Pkw gekommen. Die Bundespolizei ermittelt gegen Bahn-Mitarbeiter - wegen der Versäumnisse, die um ein Haar zur Katastrophe geführt hätten, aber offenbar auch, weil der Vorfall unter den Tisch gekehrt werden sollte.
Nach einem Unfall im vergangenen August ist die Schranke an dem Übergang noch immer nicht repariert. Mitarbeiter der Bahn müssen den Übergang mit Flatterband absperren, wenn sich ein Zug nähert. Offenbar ziehen sich Reparatur und Beschaffung von Ersatzteilen in die Länge, erst Mitte des Jahres soll die Schrankenanlage wieder voll funktionsfähig sein. Veraltete Übergänge, die aktuell per Hand bedient werden, gibt es auch in der Gemeinde Sauerlach im Münchner Süden.
Unmittelbar nördlich des erneut betroffenen Übergangs ist der S-Bahn-Haltepunkt Fasanerie. Erst am 3. Januar war ein Unfall mit einer einfahrenden S-Bahn an dieser Stelle nur mit viel Glück vermieden worden.
Am Dienstagnachmittag wäre nun beinahe eine Regionalbahn mit einem Wagen kollidiert. Der Autofahrer wollte gerade den Bahnübergang überqueren, als ihn ein lautstarker Achtungspfiff in letzter Sekunde warnte. Der Lokführer leitete eine Schnellbremsung ein. Der Regionalexpress RE 4078 Richtung Regensburg war gegen 16.30 Uhr vom Haltepunkt Feldmoching zur Fasanerie unterwegs. Da er, anders als eine S-Bahn, dort nicht halten muss, fährt er auf dem Streckenabschnitt bis zu 140 Stundenkilometer schnell.
Ein Warnpfiff und eine Schnellbremsung
Der Zug war gemeldet, die Schrankenanlage nach Angaben der Bundespolizei jedoch geöffnet. Trotz Schnellbremsung kam der Zug erst auf Höhe des Bahnsteigs des Haltepunktes zum Stehen. Der Autofahrer, gewarnt vom schrillen Pfiff, hatte noch rechtzeitig wegfahren können.
Warum der verantwortliche Schrankenwärter nicht reagierte und seinen beiden Sicherungsposten keine Anweisungen zum Schließen des Übergangs gab, ist derzeit offen. Alkohol war nicht im Spiel. Es handelt sich aber um denselben Schrankenwärter, der laut Bundespolizei schon den Beinahe-Zusammenstoß am 3. Januar verursacht hatte. Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner spricht von "menschlichem Versagen", ermittelt wird wegen Gefährdung des Bahnverkehrs.
Vieles deute darauf hin, dass dem Schrankenwärter, wie auch schon am 3. Januar, zwei Züge gemeldet worden waren und er nach Durchfahrt des ersten Zugs die Schrankensicherung durch die Posten aufheben ließ - ohne den zweiten Zug zu beachten. Einige Sekunden nachdem die Sicherungsbänder entfernt worden waren, kam der Regionalexpress 4078.
Besonders brisant: Die Bahn unterließ es, die Bundespolizei über den gravierenden Vorfall zu informieren. Erst auf Umwegen erfuhr die zuständige Inspektion am Hauptbahnhof überhaupt davon. Augenzeugen hatten über den Notruf 110 die Münchner Polizei alarmiert, diese dann ihre für die Bahnstrecken zuständigen Kollegen. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. So ist bis jetzt unklar, wie viele Menschen in dem Regionalexpress saßen. Die Bundespolizei (Telefon 089/ 51 55 50 - 11 11) sucht Zeugen des Vorfalls, darunter den bislang unbekannten Autofahrer.
Schienenverkehr:Flatterband, Warndreieck und hoffen, dass alles gut geht
Rund um die Uhr stehen an einem Bahnübergang in München Mitarbeiter und sperren mit einem Seil die Gleise, wenn ein Zug kommt. Seit einem Unfall vor sieben Monaten geht das so - und die Reparatur der Schrankenanlage lässt auf sich warten.
Auch über den Vorfall zum Jahresbeginn war die Bundespolizei erst mit großer zeitlicher Verzögerung am nächsten Morgen informiert worden. Jetzt steht der Verdacht der Strafvereitelung im Raum, ermittelt wird deshalb "gegen mindestens einen weiteren DB-Mitarbeiter".
Die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung wurde von der Bundespolizei ebenso informiert wie das Eisenbahnbundesamt. Der zweite Beinahe-Crash binnen drei Monaten könnte Konsequenzen für den Bahnverkehr haben. Die Bundespolizei kann anordnen, dass Züge auf dem Streckenabschnitt nur noch langsam fahren dürfen.