Familienbericht:So familienfreundlich ist München

Familienbericht: In 147 000 Münchner Haushalten leben Kinder unter 18 Jahren.

In 147 000 Münchner Haushalten leben Kinder unter 18 Jahren.

(Foto: Adobe Stock/SZ)

Wie steht es um die Münchner Familien? Was fehlt, damit sie besser zurechtkommen? Ein 146-seitiger Report zeigt nun, dass noch viel getan werden muss. Vor allem für jene, die nicht dem stereotypischen Bild entsprechen.

Von Kathrin Aldenhoff

Familien sind vielfältig. Das sind Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, Kinder, die mit ihrer Mutter und deren neuem Partner zusammenleben, mit Geschwistern und Stiefgeschwistern. Familie, das sind Alleinerziehende und Regenbogenfamilien, also Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern, kinderreiche Familien und Familien mit Kindern mit Behinderungen. Auf 146 Seiten beschreibt der Münchner Familienbericht die Situation der 147 000 Haushalte mit Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren und fragt: Was läuft gut, was schlecht? Und was fehlt, damit München noch familienfreundlicher wird?

Einen Schwerpunkt legt der Bericht auf Familienformen, die von der typischen Familie - Vater, Mutter und ein oder zwei Kinder - abweichen. Außerdem beleuchtet er die Situation von Familien mit Kindern mit Behinderung während der Pandemie. Im Bericht finden sich lange Listen mit vielen Verbesserungsvorschlägen. Zum Beispiel sollte Schulsozialarbeit zum Standard in jeder Schule werden, sollte es mehr Orte geben, an denen sich Jugendliche treffen und auch mal laut sein können, sollten Kurzzeitpflege-Angebote ausgebaut werden.

Der Bericht sei eine relativ breite und gute Analyse der Problemlage, sagt Susanne Otter vom Verein Siaf, der sich für die Interessen alleinerziehender Frauen einsetzt. Sie und ihre Kollegin Roswitha Zirngibl haben einen Beitrag zum Familienbericht geleistet, haben ein Interview gegeben und einen Gastbeitrag geschrieben. Die Ideen im Bericht seien sinnvoll, sagt Otter. "Die Frage ist nur, was jetzt damit passiert."

Alleinerziehende sind besonders stark von Armut bedroht

18 Prozent der Familien mit Kindern sind Alleinerziehende-Haushalte. Und diese Familien werden gegenüber klassischen Familien in vielen Situationen benachteiligt, sagt Otter. Es gebe zum Beispiel in Freizeiteinrichtungen, in Theatern oder Museen meist keine vergünstigten Familientickets für einen Vater oder eine Mutter mit Kindern, sondern nur für zwei Erwachsene mit Kindern. Bei der Vergabe von Kita-Plätzen wird die Situation Alleinerziehender nicht berücksichtigt, ebenso wenig bei der Vergabe von sozial gefördertem Wohnraum.

Das ist problematisch, weil Alleinerziehende-Familien besonders stark von Armut gefährdet sind. Das hat der Münchner Armutsbericht 2017 gezeigt: 42 Prozent der Alleinerziehenden sind von Armut bedroht oder betroffen. Bei den Zwei-Eltern-Familien sind es nur 14 Prozent.

"Bei der Vergabe von Kitaplätzen muss berücksichtigt werden, ob jemand alleinerziehend ist", sagt Roswitha Zirngibl. Sie spricht da nicht gerne von einer Bevorzugung, sondern von einem Nachteilsausgleich. Schon lange seien sie zu dem Thema im Gespräch mit der Stadt. Im Moment spüre sie eine große Offenheit, sagt sie. "Am Ende ist aber die Frage, wie es die Behörde umsetzt."

"Es macht einen finanziellen Unterschied, ob in einer Familie ein oder zwei Erwerbstätige leben."

Beim Thema Wohnen fordert Susanne Otter Vorrangpunkte für Alleinerziehende, wenn kommunal geförderter Wohnraum vergeben wird. "Es macht einen finanziellen Unterschied, ob in einer Familie ein oder zwei Erwerbstätige leben."

Der Familienbericht wird an manchen Stellen ganz grundsätzlich. So heißt es etwa: "Alleinerziehende müssten als Ein-Eltern-Familien einen stärkeren Eingang in das Bewusstsein der Allgemeinheit finden." Das klingt gut, nur: Wie schafft man so etwas? Susanne Otter schlägt Workshops und Schulungen für die Mitarbeiter von städtischen Einrichtungen vor, in denen sie mit ihren Werten und Vorstellungen konfrontiert werden. "Wir erleben immer wieder, dass Alleinerziehende an Punkte stoßen, wo es wenig Verständnis für diese Familienform gibt."

Wie wichtig es ist, zu verstehen, dass die verschiedenen Familienformen unterschiedliche Bedürfnisse haben, wird im Familienbericht deutlich. Dass zum Beispiel Patchworkfamilien und kinderreiche Familien größere Wohnungen brauchen als andere. Dass es für Alleinerziehende sehr wichtig sein kann, dass Kitas auch zu Randzeiten Kinder betreuen. Und dass Regenbogenfamilien wiederum häufig die gleichen Themen bewegen wie andere Familien, dass sie anerkannt werden und sich nicht ständig rechtfertigen wollen.

Oft sind es nicht nur konkrete Dinge, die sich im Alltag verändern sollten. Bei allen Familienformen geht es auch darum, das Bild, das andere von ihnen haben, zu verbessern. Und sie als selbstverständlich anzusehen. Manchmal reichten schon eine Formulierung oder ein Bild, um die Vielfalt abzubilden, sagt Marion Lüttig, Mitarbeiterin der Münchner Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien. Zum Beispiel, indem in Kita-Flyern steht, dass man offen für alternative Familienmodelle ist oder indem auf der städtischen Internetseite die Vielfalt der Familien dargestellt wird. Wer dort den Bereich Familie und Kind öffnet, der sieht als Bild einer glücklichen Familie im Moment aber: Vater, Mutter, Kind.

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