Prozessbeginn in München:Falscher Arzt gibt lebensgefährliche Stromschläge in Auftrag

Lebensgefährliche Stromschläge - Falscher Arzt in München vor Gericht

Zum Beginn des Prozesses gegen den 30-jährigen Würzburger am Dienstag hat das Gericht die Öffentlichkeit von weiten Teilen der Verhandlung ausgeschlossen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Ein Würzburger soll sich als Uni-Mediziner ausgegeben und per Skype Frauen und Mädchen dazu gebracht haben, sich selbst Stromschläge zuzufügen - angeblich für eine Studie.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem versuchten Mord in 88 Fällen vor. Sein Motiv soll gewesen sein, sich selbst sexuell zu erregen.
  • Seit Dienstag steht der Mann in München vor Gericht. Die Öffentlichkeit wird von weiten Teilen der Verhandlung ausgeschlossen.

Von Andreas Salch

Er war nicht zu sehen, nur zu hören. Mehr als vier Jahre lang soll sich ein Informatikkaufmann im Chatprogramm Skype jungen Frauen gegenüber als Arzt ausgegeben und sie dazu gebracht haben, sich im Rahmen einer angeblichen Studie Stromschläge zuzufügen. Es ist ein außergewöhnlicher Fall, den das Schwurgericht am Landgericht München II seit Dienstag verhandelt.

Auf der Anklagebank sitzt David G. Den Kontakt zu seinen mutmaßlichen Opfern knüpfte der Informatikkaufmann laut den Ermittlungen über Onlineplattformen. Bei Frauen, die eine Anzeige für einen Minijob eingestellt hatten, meldete er sich. Diejenigen, die bereit waren, an der angeblichen Studie teilzunehmen, soll David G. später über Skype angewiesen haben, sich Elektroden unter anderem an den nackten Füßen anzubringen und sich Stromschlägen auszusetzen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich um einen "sexueller Fetisch" von David G. handle. Staatsanwalt Matthias Braumandl schreibt in der Anklage, dass der 30-Jährige den Tod seiner Opfer billigend in Kauf nahm - versuchter Mord also. Es geht um 88 Fälle.

Betroffen sind junge Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet. Dem Vernehmen nach soll es noch weitere Opfer geben, die aber bislang nicht ermittelt werden konnten. Zu Tode kam keine der Frauen. Wohl auch deshalb, weil manche nur so taten, als fügten sie sich einen Stromstoß zu. Frauen die sich tatsächlich Stromschläge beibrachten, erlitten strake Schmerzen oder wurden sogar kurzzeitig bewusstlos. So wie eine 16-Jährige aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck, die nach dem vermeintlichen Versuch von David G. im Klinikum Dritter Orden stationär behandelt werden musste. Erst durch diesen Fall wurden die Ermittler der Polizei auf den Mann aufmerksam.

Am 28. Januar 2018 soll sich der 30-Jährige erstmals bei der Schülerin gemeldet haben. Laut Anklage sagte er ihr, er führe eine Studie des Klinikums Fürstenfeldbruck in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München durch. Als die 16-Jährige Bedenken anmeldete, soll G. diese durch vermeintliches medizinisches Fachwissen zerstreut haben. Außerdem stellte er pro "Stromversuch" eine "Aufwandsentschädigung" in Höhe von 200 Euro in Aussicht. Schließlich willigte die 16-Jährige ein.

Am 30. Januar 2018 kam es zu einem Kontakt über Skype zwischen G. und der jungen Frau. Der Mann, der sich ihr als "Dr. Christian Vogel" vorgestellt hatte, sagte ihr, dass sie sich unter anderem zwei Münzen, die als Elektroden dienten, mit Tesa an den Schläfen befestigen solle. Zuletzt musste die 16-Jährige eine Verbindung zum Hausstromnetz mit einer Spannung von 230 Volt herstellen. Danach schloss sie mittels eines provisorischen Schalters den Stromkreis. Die junge Frau verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Anschließend soll David G. sein Opfer angewiesen haben, sich drei weitere Stromschläge an den Schläfen sowie einen an ihren nackten Fußsohlen zu versetzen.

Als G. die 16-Jährige aufforderte, die Stromstöße zeitlich zu verlängern, brach diese die Kommunikation mit dem vermeintlichen Arzt ab. Wie in allen anderen Fällen auch, filmte David G. den "Versuch" mit der Schülerin aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. Die Videosequenzen speicherte und archivierte er den Ermittlungen zufolge um sich damit jederzeit sexuell stimulieren zu können oder um sie im Darknet zu verkaufen.

Nach seiner Festnahme Anfang Februar 2018 kam G. zunächst in Untersuchungshaft. Ende September dieses Jahres wurde die einstweilige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Sollte der 30-Jährige strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, droht ihm eine zeitlich unbefristete Unterbringung in einer geschlossen psychiatrischen Klinik. Noch vor Verlesung der Anklage beantragte einer der Verteidiger den Ausschluss der Öffentlichkeit für weite Teile des Verfahrens. Das Gericht schloss sich dem Antrag an. Ein Urteil wird für Ende Januar erwartet.

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