Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Schlag gegen falsche Polizisten: Acht Personen festgenommen

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Sie geben sich als Beamte aus und bringen vor allem betagte Senioren um ihre Existenz - nun wurden acht Häuser von Betrügern in Südbayern durchsucht.

Von Andreas Salch

Marcus da Gloria Martins, Sprecher der Münchner Polizei, ist sich sicher: "Wir wissen, dass die Täter eine Medienanalyse machen." Und sollten deren Hintermänner am Donnerstagvormittag den Livestream der Pressekonferenz im Polizeipräsidium auf Facebook und Twitter verfolgt haben, dann erfuhren sie es aus erster Hand: Den Polizeipräsidien München, Oberbayern Nord und Oberbayern Süd ist ein Schlag gegen zwei Gruppen sogenannter falscher Polizisten gelungen.

In den frühen Morgenstunden durchsuchten Einsatzkräfte am Donnerstag im gesamten südbayerischen Raum acht Objekte. Sechs Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 41 und 55 Jahren wurden festgenommen. In vier Fällen ergingen bereits Haftbefehle. Die anderen vier Beschuldigten seien vorläufig festgenommen worden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I, Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Ob auch gegen sie Haftbefehl ergeht oder ob sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden, entscheide sich im Laufe des Tages. Die "konzentrierte, behördenübergreifende Aktion" gegen die Täter wurde von der auf falsche Polizisten spezialisierten "Arbeitsgruppe (AG) Phänomene" des Polizeipräsidiums München koordiniert.

Die Festgenommenen werden verdächtigt, Bargeldbeträge, Wertsachen - darunter eine Goldmünzensammlung - bei ihren Opfern abgeholt beziehungsweise als Kuriere Geldbeträge in die Türkei zu Hintermännern transferiert zu haben. Zwei der acht Beschuldigten sollen als sogenannte Logistiker unter anderem dafür verantwortlich gewesen sein, Unterbringungsmöglichkeiten für Mitglieder der Bande zu organisieren. Über einen der beiden Logistiker sollen die zwei Gruppen miteinander in Verbindung gestanden haben.

Ab Ende vergangenen Jahres sei die Zahl der Betrugstaten durch falsche Polizisten "wieder enorm nach oben gegangen," sagte der Leiter der AG Phänomene, Hans-Peter Chloupek. Binnen weniger Monate sei es jedoch gelungen "verschiedene Personen" zu ermitteln - darunter auch Mitglieder der zwei Gruppen, die am Donnerstagmorgen festgenommen wurden. Der Logistiker wiederum habe Kontakte in die Türkei gehabt, wo die Hintermänner sitzen und von Callcentern aus ihre potenziellen Opfer in Deutschland anrufen.

Die Masche, der sich die Täter bedienen, ist meist dieselbe. Ein vermeintlicher Polizist ruft ein Opfer an und behauptet, dessen Name stehe in einem Notizbuch eines Täters, der in unmittelbarer Nachbarschaft eingebrochen sei, jedoch festgenommen werden konnte. Aus Sicherheitsgründen, so empfiehlt der falsche Polizist, würde deshalb ein Kollege vorbeikommen und die Wertgegenstände abholen.

In nur etwa einem von hundert Fällen hat diese perfide Masche Erfolg, sagt der Sprecher der Münchner Polizei, da Gloria Martins. Doch für den Betroffenen, oftmals hochbetagte Senioren, bedeute dies angesichts des finanziellen Schadens "das Ende der wirtschaftlichen Existenz". Die "soziale Dramatik ist durch nichts mehr zu überbieten", so da Gloria Martins. "Eine Tat zerstört Existenzen."

In der Zeit zwischen November 2019 und Februar dieses Jahres registrierte die Polizei in München 1800 Fälle mit falschen Polizisten. Dabei machten die Täter Beute in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Dann kam die Corona-Pandemie. Die Einschränkungen im öffentlichen Leben führten zu einem "Einbruch" bei den Betrugsfällen durch falsche Polizisten, so der Leiter der AG Phänomene. Denn die Abholer der Beute konnten nicht mehr nach München reisen. Nachdem die Reisebeschränkungen wieder aufgehoben wurden, sei jedoch auch die Zahl der Betrugsfälle durch falsche Polizisten wieder angestiegen, sagt Chloupek.

An die Täter wolle man ein "klares Signal" senden, erklärte Oberstaatsanwältin Leiding. Vor Gericht müssten auch diejenigen, die erstmals straffällig geworden sind, mit einer Haftstrafe ohne Bewährungs rechnen. Werde eine Vollzugsstrafe beantragt, "bekommen wir die auch" von den Gerichten, so Leiding, weil die Vorgehensweise der Täter in diesen Fällen besonders perfide sei.

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SZ vom 03.07.2020
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