Nachruf:Literatur war sein Leben

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Im Oktober 2020 saß Eugen Hillenbrand zum letzten Mal an der Kasse seines Buchladens. Damals hatte er das Geschäft an Thomas Voglgsang übergeben. Mit ihm verbrachte er am Tag seines Todes noch einige Stunden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Eugen Hillenbrand war 61 Jahre lang Buchhändler. Jetzt ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.

Von Michael Bremmer

Am Ende hat Eugen Hillenbrand seinen Frieden gefunden. Am Dreikönigstag hat er mit Thomas Voglgsang das Kloster Schäftlarn besucht, sie haben über die Geschichte des Klosters gesprochen, er hat sogar ein Gebet gesprochen. "Ich habe ihn zum ersten Mal beten gesehen", sagt Thomas Voglgsang. Später am Abend ist Eugen Hillenbrand, langjähriger Buchhändler in München, im Alter von 82 Jahren in seiner Wohnung gestorben.

Wer früher häufig in der Münchner Innenstadt unterwegs war, kannte den Buchhändler. Meist war er ganz in blau gekleidet, trug einen blauen Schal und stand schon mal mit seiner Prinz-Eisenherz-Frisur auf der Straße, wenn in seinem Laden im Ruffinihaus nichts los war. "Er war eine Ikone", sagt Thomas Voglgsang, ebenfalls Buchhändler, 30 Jahre jünger als Hillenbrand. Am Ende hat er den Laden seines "väterlichen Freundes" übernommen.

Eugen Hillenbrand, geboren am 3. März 1939, wuchs in Hünfeld in Hessen auf. Er machte eine Buchhändlerlehre in Göttingen. Über Stuttgart kam er nach München, arbeitete zunächst in der Akademischen Buchhandlung an der Universität. Später war er Chefeinkäufer im Hugendubel für modernes Antiquariat, bevor er sich 1978 selbständig machte. "Bücherpreisparadies" nannte Hillenbrand sein Geschäft damals. "Preisparadies - das klingt natürlich nicht so anspruchsvoll. Aber der Laden war ja für den Schnitt der Leute da, deshalb war es schon richtig", sagte Hillenbrand einmal der Süddeutschen Zeitung.

Die Geschäftsidee war grandios einfach und erfolgreich. Wenn ein Verlag ein Buch aus dem Programm nehmen wollte, weil es sich schlecht verkaufte oder der Lagerplatz zu teuer war, kaufte Eugen Hillenbrand das Werk. Wenn möglich palettenweise, immer zu niedrigen Preisen. Weil für solche Bücher die Preisbindung aufgehoben ist, konnte Hillenbrand das Buch günstig an den Kunden weiterverkaufen. Hillenbrand glaubte an Bücher, deren Verlage sie schon längst abgeschrieben hatten. Zum Beispiel der Bildband über den Dackel, eine gebundene Ausgabe mit vielen Fotos, früher verkauft für 34,95 Euro, bei Hillenbrand gab es das Werk für 9,95 Euro, "ein unschlagbarer Preis", wie der Buchhändler immer sagte. Viele seiner Bücher hat er auf selbstgemalten Schildern beworben. "Potztausend! Hochwertige Literatur", hat er etwa über Robert Musil und Johann Nestroy geschrieben - beide Bücher für je 2,95 Euro.

Die Kunden waren dankbar für diese Idee. Sie hätten ihm die Bücher aus den Händen gerissen, hat Hillenbrand mal über seine Anfänge erzählt. Er eröffnete damals eine Filiale nach der anderen, 14 waren es insgesamt. Eine Zeitung habe ihn in den Achtzigerjahren den "König von München" genannt. In Buchhändlerkreisen galt er als "berühmt-berüchtigt", als "Pionier", als "Legende". Als das Geschäft mit den Billigbüchern immer schwieriger geworden war, verkaufte Hillenbrand seine Filialen - nur den Laden im Ruffinihaus behielt er. "Shakespeare & Co" hat sein antiquarischer Buchladen am Ende geheißen, immer noch eine Institution.

Als das Ruffinihaus restauriert wurde, zog Eugen Hillenbrand vorübergehend in das Stadtmuseum. Mit etwa 16 000 Büchern. Bis Oktober 2020. Schon damals war in ihm die Idee gereift, das Buchgeschäft aufzugeben, den Laden nach der Rückkehr ins Ruffinihaus zu übergeben. An Thomas Voglgsang, den er mal bei einer Messe für Modernes Antiquariat kennengelernt hatte. Voglgsang kann sich noch gut an diesen Moment erinnern. Hillenbrand habe reihenweise Bücherpaletten gekauft. "Was ist das denn für ein Größenwahnsinniger?", habe er sich damals gedacht. Er konnte nicht ahnen, dass er mal Hillenbrands Nachfolger würde. Und ein guter Freund.

Auf dem Weg von seiner Schwabinger Wohnung zum Buchladen sei Hillenbrand immer bei ihm vorbeigeradelt und habe ihm zugewunken oder kurz mit ihm geplaudert, erinnert sich Thomas Voglgsang. Ein "totaler Freigeist" sei Hillenbrand gewesen, ein höchst "nachdenklicher und sprachmächtiger Mensch", eine "eindrucksvolle Persönlichkeit". Als Hillenbrand nach 61 Jahren als Buchhändler in den Ruhestand ging, sei er zunächst in ein Loch gefallen, sagt sein Nachfolger. Bücher waren sein Leben, was anderes habe es für ihn nicht gegeben. Aber mit der Zeit sei er dabei gewesen, "Frieden zu finden", sagt Thomas Voglgsang. "Er fehlt mir sehr."

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