Mangel an Fachkräften:Katholische Kirche streicht jede vierte Stelle

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Die Zahl derjenigen, die sich in der Erzdiözese zum Priester weihen lassen wollen, sinkt. Die Kirche zieht daraus Konsequenzen. (Foto: Marco Einfeldt)
  • Grund für den Stellenabbau sind nicht Kirchenaustritte, sondern fehlende Bewerber, sagt Personalchef Klaus Peter Franzl.
  • Viele pastorale Mitarbeiter gehen in Rente, zudem ist auch die Kirche vom Fachkräftemangel betroffen.
  • Die Münchner Erzdiözese will sich nun vermehrt an Hochschulen präsentieren, um Mitarbeiter zu werben.

Von Bernd Kastner, München

Die Katholiken in der Erzdiözese München und Freising müssen sich auf tief greifende Veränderungen einstellen. Das Ordinariat baut die Stellen in der Seelsorge deutlich ab. Gut ein Viertel aller sogenannten Pastoralstellen soll in den kommenden zehn Jahren wegfallen, weil die Kirche nicht genügend Fachkräfte findet. Die Zahl der Priester dürfte sogar um ein Drittel sinken. Das sieht der neue Stellenplan vor. "Es tut uns weh", sagt Klaus Peter Franzl, Personalchef der Diözese.

Der seit Januar geltende Stellenplan umfasst Pfarrer, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten. Sie erfüllen eine der Kernaufgaben der Kirche, sind in direktem Kontakt mit den Gläubigen und gestalten das Leben in den Pfarreien. Bislang sind für die Seelsorge 1200 Stellen vorgesehen. Diese sollen sich 2030 auf 891 reduzieren, sagt Franzl. Statt derzeit etwa 600 Priester dürften dann nur noch 400 in der Erzdiözese arbeiten. Grund seien nicht die vielen Kirchenaustritte und die sinkende Zahl der Katholiken oder Sparziele. Ursache seien vielmehr die demografische Entwicklung und der Arbeitsmarkt: Viele pastorale Mitarbeiter gehen in Rente, zudem leide die Kirche wie viele andere Arbeitgeber unter Fachkräftemangel.

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"Wir wollten einen realistischen Plan vorlegen", sagt Personalchef Franzl. Durchdacht wolle die Kirche schrumpfen: "Wir wollten nicht ins Jammern verfallen, weil wir mit weniger Personal rechnen müssen, und dann einfach Stellen rausstreichen." Das Ordinariat bemühe sich, systematisch für die Zukunft vorzusorgen. Rund 1,67 Millionen Katholiken lebten im Jahr 2018 in der Erzdiözese, deren Gebiet fast identisch ist mit dem Regierungsbezirk Oberbayern. In München gibt es 115 Pfarreien mit rund 477 000 Katholiken.

Abfedern will das Ordinariat den Personalmangel mit einer Werbeoffensive: "Vielen ist die Kirche als Arbeitgeber schlichtweg unbekannt", sagt Franzl. "Das wollen wir ändern." Obwohl die Kirche in der Erzdiözese insgesamt etwa 18 000 Menschen beschäftigt, in der Zentrale wie in den Pfarreien oder Kindergärten, sei weithin unbekannt, dass die Erzdiözese auch IT-Fachleute, Immobilien- oder Bürokaufleute ausbilde; und dass sie Juristen, Lehrer oder Journalisten beschäftige. Er erlebe sogar immer wieder, so Franzl, dass Theologiestudenten nicht wüssten, dass sie nach ihrem Abschluss bei der Kirche arbeiten könnten, auch ohne Pfarrer zu werden. Deshalb wolle sich die Erzdiözese nun verstärkt an den Hochschulen präsentieren, um Mitarbeiter zu werben.

Ändern wird sich die Struktur in der Seelsorge. So will das Ordinariat Stellen in den Pfarreien und thematische Funktionsstellen, etwa in der Krankenhaus-, Jugend-, Senioren- oder Gefängnisseelsorge, nicht mehr separat vergeben. Es solle möglich sein, dass Mitarbeiter, egal, ob Priester oder Laie, teils in einer Pfarrei, teils auf einer Funktionsstelle arbeiten. So wolle man die Bereiche besser verzahnen. Neu sei auch, dass fast die Hälfte der Stellen zu einem "Pool" gehören. Diese Mitarbeiter sollen flexibel eingesetzt werden. Als Beispiel nennt Franzl Neubaugebiete, in dem es Seelsorger brauche.

Öffnen wolle man die Seelsorge für weitere Berufe. So sollen künftig auch Theologen, Sozialpädagogen und Psychologen die Gläubigen begleiten. Diese Quereinsteiger sollen nicht erst langwierig ausgebildet werden, sie sollen rasch anfangen und sich während ihrer Arbeit qualifizieren. Einladen wolle man auch Senioren: Sie könnten länger arbeiten, über den offiziellen Rentenbeginn hinaus. Das Ordinariat werde beim Zuteilen der Pastoralstellen nicht mehr allein auf die Zahl der Katholiken in den Pfarreien, sondern auf den "ganzen Sozialraum" achten. Wenn etwa in einem Münchner Stadtteil die Katholikenzahl stark abnimmt, bedeute das nicht automatisch, dass man Seelsorger abziehe. Vielmehr wolle man Terrain zurückgewinnen.

"Wir wollen mit unserer Pastoral möglichst viele Menschen erreichen", sagt Franzl. Wie sich Stellenplan und diverse andere Reformprojekte konkret auf die Pfarreien und die thematische Seelsorge auswirke, sei noch offen. Kardinal Reinhard Marx hat den neuen Generalvikar Christoph Klingan beauftragt, einen Strategieprozess zu initiieren, um diverse Reformprojekte zu bündeln. So laufen drei Pilotversuche, etwa im Pfarrverband Neuaubing-Westkreuz, wo nicht mehr ein Priester den Pfarrverband leite, sondern ein Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen.

Generell sind die Stellenzahlen mit gewisser Vorsicht zu betrachten. Es handelt sich um Vollzeitstellen, nicht um Mitarbeiterzahlen; viele Beschäftigte arbeiten Teilzeit. Zudem seien jetzt schon längst nicht alle Stellen besetzt, so wie sich wohl auch in zehn Jahren nicht alle gewünschten Mitarbeiter finden lassen dürften, wie Franzl erwartet. Wegen der sinkenden Mitarbeiterzahl werde sich die katholische Kirche auf bestimmte pastorale Aufgaben fokussieren müssen, sagt der Personalchef. Zugleich werde man manches nicht mehr machen können. Franzl bereitet die Katholiken schon mal auf schwierige Zeiten vor: "Etwas loszulassen ist immer schmerzhaft. Es ist ein Prozess des Abschiednehmens. Es wird weh tun."

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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