Regionale Lebensmittel:Auf die Felder, fertig, los

Biotop Oberland, Solidarische Landwirtschaft

Im Biotop Oberland findet solidarische Landwirtschaft statt.

(Foto: Biotop Oberland)

Erzeugergenossenschaften haben einen hohen Zulauf. Die Organisationen binden die Verbraucher in viele Produktionsschritte ein - vom Anbau bis zur Ernte.

Von Katrin Kurz

Conguita-Melonen, sibirischer Staudenkohl oder das Salzkraut Agretti - inzwischen braucht es keine langen Lieferwege mehr, um solch exotische Sorten in die heimische Küche zu bringen. Bis zu 70 verschiedene, teils ausgefallene Obst- und Gemüsekulturen baut das Kartoffelkombinat in seiner Naturland-Gärtnerei nahe Mammendorf an. Die Ernte wird jedoch nicht über den Lebensmittelhandel an Kunden vermarktet, sondern gelangt auf direktem Weg vom Feld zum Verbraucher.

Genau genommen: zu den Mitgliedern der Genossenschaft. Das Kartoffelkombinat orientiert sich dabei an den Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft (Solawi). Anbau, Ernte und Verteilung werden dabei eigenständig innerhalb der Gemeinschaft organisiert. "Unser Ziel ist eine selbstverwaltete, nachhaltige und lokale Grundversorgung", sagt Vorstandsmitglied Daniel Überall, mit der man sich unabhängig vom Lebensmittelhandel mache.

Gleichzeitig schaffe dieses Modell einen Gegenentwurf zu konventionellen, stark industrialisierten Landwirtschaftsbetrieben, die bei der Vermarktung ihrer Produkte oft übermächtigen Handelskonzernen gegenüberstehen. Die Folgen sind Preisdumping, Billiglöhne oder Konkurrenzdruck aus dem Ausland. "Davon sind wir völlig frei", sagt Überall, denn man wirtschafte ausschließlich nach den eigenen ökonomischen und ökologischen Grundsätzen.

Die angestellten Gärtner erhalten eine übertarifliche Entlohnung. Kosten für Anbau, Logistik, Löhne und Saatgut werden von der Genossenschaft getragen, mit rund 75 Euro monatlich beteiligen sich die Mitglieder an der Unternehmung. Im Beitrag enthalten ist der eigene Ernteanteil, der wöchentlich in Form einer Kiste mit saisonaler und regionaler Bio-Ware über Verteilstationen im Stadt- und Landkreisgebiet ausgegeben wird. Seit Gründung im Jahr 2012 haben sich 1800 Haushalte angeschlossen, die Warteliste ist lang.

Solch transparente Alternativen zum teils undurchsichtigen Supermarkt-Angebot finden bayernweit hohen Zuwachs, inzwischen gibt es rund 60 offizielle Vereine, Gruppen oder Genossenschaften, die sich auf diese Weise selbst versorgen. Steigende Mitgliederzahlen zählt auch das Biotop Oberland in Lenggries, bei der Gründung diente das Kartoffelkombinat durchaus als Vorbild. "Gerade am Anfang war der Austausch untereinander sehr wichtig", betont Vorstand Nick Fischer, besonders bei Fragen zum Anbauplan, der Logistik oder zu rechtlichen Themen. Innerhalb des Netzwerks voneinander lernen und so die Landwirtschaft wieder "auf einen natürlichen Boden bringen" sei schließlich das gemeinsame Ziel aller Solawis, sagt Fischer.

Auch innerhalb der Genossenschaft herrscht reger Austausch, die Mitglieder werden aktiv in Entscheidungen eingebunden: Angefangen von der Auswahl der Sorten bis hin zur freiwilligen, aktiven Mithilfe auf dem Feld. So rücken Verbraucher und Erzeuger wieder näher zusammen, das Bewusstsein und die Wertschätzung für das Produkt werde enorm gestärkt. "Unser Komposthaufen ist mini, wir werfen quasi nichts weg", sagt Fischer, denn von den monatlichen Einnahmen werde ein bedarfsorientierter Anbauplan erstellt.

Was aber, wenn es zu unerwarteten Ernteausfällen kommt oder das Wetter nicht mitspielt? Das unternehmerische Risiko tragen dann alle Beteiligten gemeinsam, der straffe Finanzhaushalt erlaube nur wenig Flexibilität, beispielsweise beim Nachkauf von Jungpflanzen. Aktuell versucht sich das Biotop Oberland im Anbau von grünem Spargel, über ihren Ernteanteil können sich die Mitglieder jedoch frühestens in drei Jahren freuen. Doch der Blick in die Zukunft lohnt: Das Kartoffelkombinat beispielsweise sucht dringend einen zweiten Betrieb, um weitere Mitglieder in die Genossenschaft aufnehmen zu können.

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