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Institut für Chemische Epigenetik:Modernste Geräte und eine professorenfreie Zone

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Das Institut für Chemische Epigenetik der LMU bezieht seinen Neubau in Martinsried. Dort wollen Forscher die letzten Geheimnisse der genetischen Codes lüften.

Von Martina Scherf

Der Campus Großhadern/Martinsried ist um einen weiteren wichtigen Baustein gewachsen. In dem schicken neuen Hightech-Gebäude werden künftig Spitzenwissenschaftler aus aller Welt die genetischen Grundlagen des Lebens untersuchen. Am Montag wurde das Institut für Chemische Epigenetik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) nach vier Jahren Bauzeit eingeweiht.

LMU-Präsident Bernd Huber freute sich beim Festakt festzustellen, dass dies nun schon der fünfte von Bund und Freistaat Bayern gemeinsam geförderte Forschungsbau auf dem Campus sei. Beide teilten sich die Baukosten von gut 40 Millionen Euro, bei der technischen Ausstattung im Wert von 5,6 Millionen Euro zeigte sich der Freistaat großzügig. Dafür durfte der neue Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) den Dank entgegennehmen.

Blume gab unumwunden zu, dass dieser Besuch in Martinsried in seinem Kalender unter "besonders schöne Termine" eingetragen war. Es sei beeindruckend zu sehen, wie aus dem einstigen Dorf Martinsried heute ein weltweit anerkannter Campus für Spitzenforschung in den Lebenswissenschaften geworden sei.

Geistiger Vater des neuen Gebäudes ist der Chemiker Thomas Carell. Das Spezialgebiet des umtriebigen Professors, der schon mit einigen der wichtigsten Wissenschaftspreise ausgezeichnet wurde, ist die chemische Epigenetik. Sie interessiert sich für die Vorgänge im Inneren der Zellen. Die DNA ist erforscht, aber viele Fragen sind noch offen. Warum entwickeln sich im Embryo aus dem gleichen genetischen Code unterschiedliche Zellen? Welches Programm lässt die Zellen Augen, Lunge oder Zehen bilden? Wie kommt es, dass eineiige Zwillinge dennoch zu unterscheiden sind? Warum werden einzelne Gene stillgelegt oder wieder aktiviert, und welche Rolle spielen dabei Umwelteinflüsse?

Antworten auf solche Fragen können Meilensteine für die Medizin bedeuten. Auch der RNA-Impfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus wäre ohne diese Art Forschung nicht möglich gewesen. Womöglich könnte die Forschung eines Tages auch dazu beitragen, dass Krebs geheilt, Depressionen oder Diabetes verhindert werden. Und vielleicht lässt sich damit auch die uralte Menschheitsfrage beantworten: Wie ist überhaupt das erste Leben entstanden?

Spitzenforschung ist auch ein Standortfaktor. Philip Tinnefeld, Dekan der Fakultät für Chemie und Pharmazie, betonte das hervorragende Umfeld seiner Institute. Grundlagenforschung und Anwendung gingen hier Hand in Hand, weil mit Biologie, Materialwissenschaften, Medizin und Dutzenden etablierter Firmen und Start-ups ein ständiger Austausch möglich sei.

Thomas Carell überließ das erste Wort seiner Nachwuchswissenschaftlerin Franziska Traube. Sie schwärmte von den Bedingungen an dem neuen Institut, das sie schon im Herbst bezogen haben. An anderen Unis bekämen Jungforscher erstmal die ausgedienten Geräte und zu hören: "Und wenn ihr dann Geld eingeworben habt, kriegt ihr mehr." Hier sei es umgekehrt: "Wir dürfen an modernsten Geräten forschen, schon während wir unsere Anträge schreiben." Das ganze Erdgeschoss erklärte Carell zudem zur "professorenfreien Zone". Er will, sagte er, möglichst viel Austausch, viel Diversität, die Wissenschaft sei darauf angewiesen, die klügsten Köpfe aus aller Welt nach München zu holen.

Carell hat den Bau maßgeblich begleitet, bis ins Detail. So ist der Seminarraum mit modernsten Wandpaneelen ausgestattet, weshalb der Professor nicht mal ein Mikrofon braucht. Der Entwurf stammt vom Staatlichen Bauamt München II, Fritsch&Tschaidse-Architekten gaben dem Baukörper sein individuelles Aussehen. Architektonisch korrespondiert das vierstöckige Gebäude mit seinem Nachbarn, dem 2016 errichteten Gen-Zentrum, auch Biosys-M genannt. Mit seinen umlaufenden dunklen Fensterbändern und weißen Glasflächen setzt es eigene Akzente.

Im Keller kam das zentrale Elektronenmikroskop der LMU unter sowie modernste Geräte zur Genomsequenzierung. Flure und Terrassen sollen den informellen Austausch fördern. Auch energetisch sei das Gebäude auf neuestem Stand: mit Photovoltaik auf dem Dach, Wärme- und Kälterückgewinnung und Fernwärme. Bei solch guten Bedingungen, meinte der Minister dann noch, seien wohl auch in Zukunft exzellente Forscherleistungen zu erwarten.

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