Neues Entlastungspaket:Kompliziert, komplizierter, Wohngeld

Neues Entlastungspaket: Die Münchner Mieten überfordern immer mehr Menschen.

Die Münchner Mieten überfordern immer mehr Menschen.

(Foto: Florian Peljak)

Schon jetzt warten 16 000 Münchner teilweise ein Jahr auf die Bescheide. Doch künftig wären wohl drei Mal so viele berechtigt. Die Idee der Bundesregierung, unbürokratische Abschlagszahlungen zu gewähren, ist laut Sozialreferat "nicht zu realisieren".

Von Thomas Anlauf

Christian B. wusste sich nicht mehr zu helfen. Als Sozialwissenschaftler hat er monatlich 1500 Euro netto zur Verfügung. Allerdings muss er davon noch mehr als 900 Euro Kaltmiete für seine relativ kleine Münchner Wohnung zahlen. Also hat er im Sommer Wohngeld beantragt, da "ich nicht mehr über die Runden komme und ungern selbst Bewohner der Notunterkunft für Obdachlose werden möchte, für die ich arbeite". Das schrieb B. in einem Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter, um ihn auf die prekäre Wohnsituation für viele Menschen in München hinzuweisen.

Christian B. kann womöglich geholfen werden. Das Wohngeld ist für jene Menschen gedacht, die kein Arbeitslosengeld II, keine Sozialhilfe, Altersgrundsicherung, Erwerbsminderung oder Sozialhilfe erhalten. Bei diesen Gruppen sind diese staatlichen Leistungen schon enthalten. Es geht um alle anderen, die darauf keinen Anspruch haben, aber trotzdem mit ihrem Geld nicht über die Runden kommen. Wann der Münchner allerdings einen Bescheid erhält, ist völlig offen.

Schon jetzt warten etwa 16 000 Anspruchsberechtigte bis zu ein Jahr auf eine Antwort aus dem Sozialreferat. Die Wartezeit könnte sich nun aber noch weiter verlängern: Das dritte Entlastungspaket des Bundes sieht vor, dass künftig fast drei Mal so viele Betroffene mit relativ geringem Einkommen Wohngeld beantragen können. Bundesweit wären das statt bisher 700 000 Wohngeldberechtigte zwei Millionen. Für München würde das bedeuten, dass bald etwa 50 000 Menschen die staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen könnten.

Doch schon in der Vergangenheit hatte das Sozialreferat zu wenig Personal, um die Anträge zügig bearbeiten zu können. Wenn die Menschen, die auf die Wohngeld-Unterstützung angewiesen sind, endlich einen Bescheid erhalten, heißt das nicht, dass sie auch Geld bekommen. Denn bis dahin wird lediglich geprüft - und oftmals fehlen Angaben der Antragsteller oder es gibt andere Nachfragen der Referatsmitarbeiter. Sollte sich die Zahl der Menschen, die künftig antragsberechtigt sind, nahezu verdreifachen, müsste eigentlich auch das für die Bearbeitung zuständige Personal entsprechend aufgestockt werden.

Viel zu wenig Personal für eine schnelle Bearbeitung der Anträge

Die Idee der Bundesregierung, den Betroffenen eine unbürokratische Abschlagszahlung zu gewähren, ist laut Sozialreferat "Stand heute nicht zu realisieren, da Vorschüsse nur ausgezahlt werden können, wenn die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen". Das teilt Sozialreferentin Dorothee Schiwy auf SZ-Anfrage mit. Das würde die aktuellen Wartezeiten für die Betroffenen "nochmals verlängern". Wer allerdings dringend auf Wohngeld angewiesen ist, braucht so schnell wie möglich Unterstützung und nicht erst nach einem Jahr oder länger.

Grundsätzlich hält Schiwy die Reform des Wohngeldgesetzes "für dringend geboten". Sie habe entsprechende Forderungen immer wieder an den Bund gerichtet. So schrieb sie Ende Juli: "Das Sozialreferat begrüßt die vom Bundeskanzler angekündigte umfassende Wohngeldreform." Allerdings sollte die Zielrichtung sein, dass die Bearbeitung vereinfacht und der Aufwand durch automatisierte IT-gestützte Arbeitsprozesse reduziert werde. Damit die Wohngeldempfänger von der Unterstützung profitieren könnten, müssten zunächst die Rahmenbedingungen für die Verwaltung deutlich verbessert werden.

Bereits vor einem Jahr beklagten Sozialreferentin Schiwy und der zuständige Leiter des Amts für Wohnen und Migration, Gerhard Mayer, dass es viel zu wenig Personal für eine schnelle Bearbeitung der Anträge gebe, außerdem sei das Verfahren zu kompliziert. Die Grünen-Fraktion will deshalb in dieser Woche eine Anfrage stellen. Sie will wissen, wie viel mehr Personal nötig wird, wenn die Reform des Wohngelds am 1. Januar 2023 greift. Auch sehen die Grünen durchaus Potenzial, wie über eine bessere Digitalisierung der Wohngeldbeantragung die Verfahren beschleunigt werden könnten. Schließlich gehe es bei dem Wohngeld um eine Soforthilfe, die noch in diesem Winter bei den Menschen ankommen sollte.

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