Stadtplanung in München:Der zerschnittene Park

Stadtplanung in München: Der Biergarten am Kleinhesseloher See ist ein beliebtes Ausflugsziel. Nördlich davon verläuft der viel befahrene Mittlere Ring.

Der Biergarten am Kleinhesseloher See ist ein beliebtes Ausflugsziel. Nördlich davon verläuft der viel befahrene Mittlere Ring.

(Foto: imago/Westend61)

1966 wurde durch den Englischen Garten eine mehrspurige Stadtautobahn gebaut, auf der täglich mehr als 100 000 Autos fahren. 50 Jahre später beschloss der Stadtrat, diese Wunde zu heilen. Doch nun steht das Projekt wieder infrage.

Von Andreas Schubert

Metropolen wie New York oder London mögen spektakuläre Konzerthäuser und Wolkenkratzer haben, ihre Stadtparks aber sind nichts als bessere Schrebergärten - zumindest aus Münchner Sicht. Denn während der Central Park knapp 350 Hektar groß ist und der Hyde Park gerade mal 142 Hektar misst, umfasst der Englische Garten stolze 384 Hektar. Deshalb ist er neben dem Oktoberfest, der Frauenkirche und dem TSV 1860 der Münchner ganzer Stolz.

Das hielt die Stadt allerdings nicht davon ab, 1966 mitten durch die historische Anlage den Mittleren Ring zu bauen - eine mehrspurige Stadtautobahn, auf der täglich mehr als 100 000 Autos unterwegs sind. Seither ist der Park in einen Nord- und einen Südteil zerschnitten. Das störte viele Münchner, doch erst 2010 riefen zwei von ihnen eine Initiative zur Wiedervereinigung ins Leben. Die Idee des Architekten-Ehepaars Petra Lejeune und Hermann Grub: Ein an der Oberfläche üppig bepflanzter Tunnel sollte die so jäh in die Landschaft geschlagene Wunde zumindest teilweise heilen.

Die beiden warben eifrig für das Projekt, sammelten Millionen an Spenden ein, überzeugten die CSU-geführte Staatsregierung und den damals schwarz-rot dominierten Stadtrat, der sich 2017 einstimmig für das Projekt aussprach. Alles schien auf einem guten Weg zu sein: Die Stadt zeichnete die Initiatoren mit einer Verdienstmedaille aus, die Bundesregierung spendierte 2,7 Millionen Euro für die Planung. Und selbst Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, in dessen Amtszeit der Mittlere Ring gebaut worden war, reihte sich bei den Befürwortern ein.

Doch nun steht das nach damaliger Schätzung 125 Millionen Euro teure Projekt auf der Kippe. Am heftigsten stemmen sich die Grünen als inzwischen stärkste Fraktion im Stadtrat gegen den Tunnel - und begründen das ausgerechnet mit dem Klimaschutz. Denn für die Baustelle müssten etwa 900 große Bäume gefällt werden, so hat es die Baubehörde ausgerechnet. Dazu komme der CO₂-Ausstoß durch die Herstellung und den Transport von Beton. Die SPD zieht als kleinerer Koalitionspartner mit, auch SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter lehnt den Tunnel inzwischen ab.

Die Initiatoren und auch die CSU kritisieren, dass die Baubehörde nicht erklärt, wie sie zu ihren Zahlen gekommen ist. Nach der vertieften Studie eines Planungsbüros und nach Berechnungen der Initiatoren müssten nicht einmal halb so viele Bäume weichen. Einige Befürworter vermuten hinter der Entscheidung der Stadträte politisches Kalkül, weil Tunnel teuer sind und die grün-rote Stadtregierung lieber den Autoverkehr reduzieren möchte. Sie hat deshalb noch drei weitere Tunnelprojekte beerdigt - an Orten, an denen viele Anwohner davon profitiert hätten. Würde die Stadt eine Röhre durch einen unbewohnten Park bauen, käme sie wohl in Erklärungsnot.

Die Initiatoren lassen indes nicht locker und bereiten nun eine Petition vor. Unterstützung ist ihnen gewiss: Die meisten Lokalpolitiker des Stadtteils Schwabing, in dem der Englische Garten zum Teil liegt, stehen hinter ihnen. Und die meisten Münchner wohl auch - bei einer Infratest-Umfrage vor neun Jahren hatten sich 83 Prozent für den Tunnel ausgesprochen.

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