Es sind die Schwächsten der Gesellschaft und auch die schutzlosen Menschen, die ohne Obdach sind, unter Brücken oder in Parks nächtigen, und die Opfer von Gewalttaten werden. Als im November vergangenen Jahres ein 78 Jahre alter Mann in seinem provisorischen Lager unter der Fußgängerbrücke am Isarring verbrannte, hielt es die Mordkommission für möglich, dass Hass gegen Obdachlose das Motiv sein könnte. Von Mittwoch an steht allerdings ein 57-jähriger Mann vor dem Landgericht München I, der sich für die Tat verantworten muss: Es ist Geza V., ebenfalls obdachlos. Er soll den älteren Mann aus Habgier getötet und ihn ausgeraubt haben.
„Mein Mandant bestreitet die Tat“, sagt sein Verteidiger Christian Gerber vorab der SZ. Zwar sei Geza V. in der Nähe des Tatorts gewesen, habe versucht zu helfen und sich bei der Polizei als Zeuge zur Verfügung gestellt. Für den Tod des Opfers sei er aber nicht verantwortlich, erklärt der Rechtsanwalt.
Doch von Anfang an: Es ist der Abend des 23. November. Unterhalb der Kleinhesseloher Brücke werden Passanten auf ein Feuer aufmerksam. Mehrere Zeugen versuchen laut Polizei, die Flammen zu löschen und wählen den Notruf. Doch als der Notarzt eintrifft, kann er nur noch den Tod eines Mannes feststellen, der dort unter der Brücke sein Lager aufgeschlagen hatte.
Wenige Tage nach der Tat kann die Polizei den Mann aufgrund von Zeugenaussagen identifizieren. Es ist Raimund A., 78 Jahre alt, der seit einigen Jahren bereits als Obdachloser in München lebt. Zeugen erinnern sich, dass er in Schwabing immer mit seinem roten Fahrrad unterwegs war. Auch an jenem 23. November sei er noch in der Ungerer- und der Leopoldstraße gesehen worden, berichtet die Polizei. Sie schließt nicht aus, dass – wie in vielen anderen deutschen Städten auch – die Tat Obdachlosen-Hassern zugeschrieben werden könnte.
Dass der Tod von Raimund A. ein wie auch immer gearteter Unfall sein könnte, schließen die Ermittler bald aus. Denn der verbrannte Leichnam weist etliche Spuren von stumpfer Gewalt am Kopf auf. Die „Ermittlungsgruppe Isarring“ nimmt mit 17 Beamten ihre Arbeit auf. Wie immer gehen die Polizisten quasi in konzentrischen Kreisen vor: Erst das enge Umfeld des Opfers untersuchen, dann den Radius erweitern. Und ins Visier der Mordkommission gerät so rasch ein anderer Obdachloser, Geza V. Er, so teilte die Polizei damals mit, sei als Erster am Tatort gewesen, habe versucht, die Flammen zu löschen und sich komisch verhalten. Und: Der damals 56-Jährige hatte sein Lager nur wenige hundert Meter entfernt von dem des Raimund A. aufgeschlagen.
Die Polizei durchsucht die Habseligkeiten des Obdachlosen und findet unter anderem eine Lupe, eine Zange und einen Schraubenzieher. Gegenstände, die die Ermittler aufgrund der DNA-Spuren dem Getöteten zuordnen können. Drei Wochen nach der Tat erlässt ein Ermittlungsrichter Haftbefehl gegen Geza V. Er sitzt seitdem in der Justizvollzugsanstalt in Stadelheim und wartet auf seinen Prozess.
Die 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I hat bis kurz vor Weihnachten 16 Verhandlungstage für den Indizien-Prozess angesetzt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass V. den alten Mann mit einem hammerähnlichen Gegenstand geschlagen und gewürgt haben soll, um an die Habseligkeiten des Obdachlosen zu gelangen. Anschließend soll er den Leichnam angezündet haben, um seine Spuren zu vernichten. Die Staatsanwaltschaft sieht zwei Mordmerkmale als erfüllt an. Zum einen die Habgier, zum anderen das Töten, um eine andere Straftat zu ermöglichen, in diesem Fall wäre das der Raub.