Englischer Garten:Eine ziemlich perfekte Welle für den Eisbach

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Grüne Energie und Surfspaß planen Robert Meier-Staude (Zweiter von rechts) und seine Studenten. (Foto: Robert Haas)
  • Im Tucherpark, im Norden des Englischen Gartens, rauscht der Eisbach zwei Meter in die Tiefe.
  • Das ist der Ort mit dem größten noch verbliebenen Wasserkraftpotenzial in Bayern: 25 000 Liter pro Sekunde fließen konstant über die Schwelle.
  • Dort könnte ein Wasserkraftwerk und eine weitere Surferwelle entstehen - zumindest, wenn es nach den Studenten der Hochschule München geht.

Von Sabine Buchwald

Das Projekt klingt derart überzeugend, dass es am besten schon bei der nächsten Bachauskehr gebaut werden sollte. München hätte nicht nur eine Attraktion, nämlich eine Surferwelle mehr, sondern auch noch ein weiteres Wasserkraftwerk und einen neuen Ausflugsort für Schüler, die an dieser Stelle viel über Nachhaltigkeit lernen können. "Wir haben hier eine Win-win-win-Situation", sagt Robert Meier-Staude, Maschinenbauingenieur und Professor an der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München. Zusammen mit 15 enthusiastischen Studenten hat er am Dienstag in der Hochschule München (HM) ein Semesterprojekt vorgestellt, das in seiner Größenordnung und Nützlichkeit weit über die Stadtgrenzen hinaus leuchten könnte. Vorausgesetzt es bleibt nicht nur eine Vision.

Die Grundidee gibt es eigentlich schon länger. Meier-Staude aber hat sie um etliche Aspekte erweitert, sodass daraus mehr als Strom fließen könnte. Im Tucherpark, im Norden des Englischen Gartens, kurz vor dem Hilton-Hotel, rauscht der Eisbach zwei Meter in die Tiefe. Das ist nicht der Rheinfall von Schaffhausen und doch, so Meier-Staude, der Ort mit dem größten noch verbliebenen Wasserkraftpotenzial in Bayern. 25 000 Liter pro Sekunde fließen konstant über die Schwelle. Das entspricht einer Leistung von 500 Kilowatt (kW). Bereits vor einigen Jahren gab es eine Ausschreibung, um die Energie des Wassers dort zur Stromerzeugung nutzbar zu machen.

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Der Bauingenieur Johannes Titze hatte damals einen Entwurf mit zwei Wasserkraftschnecken vorgelegt, der von den Verantwortlichen der Stadt favorisiert worden war. Die Sache, so Titze, stand kurz vor der Genehmigung durch das Umweltreferat. Komplikationen aus technischer Sicht gab es keine, am Ende waren es juristische Einwände, die dazu führten, dass das Konzept bis heute nicht umgesetzt worden ist. Stattdessen hat Titze andere ähnliche Projekte im In- und Ausland realisiert. In München etwa die Schnecke an der Biedersteinerstraße, die seit 2018 in Betrieb ist.

Nun hat seine Idee neuen Schwung bekommen. Meier-Staude, selbst leidenschaftlicher Surfer, möchte den Eisbach zur Energiegewinnung nutzen, aber unterhalb des Kraftwerks auch zu einem Surfer-Hotspot machen. Überlegt euch, wie das möglich wäre, hat er seinen Studenten zum Beginn des Sommersemesters Ende März zugerufen. Sie hätten nur wenige Rahmenbedingungen bekommen, sagte einer der Studenten bei einer Ortsbegehung vor einigen Tagen. Ihr Prof habe sie ins kalte Wasser geschmissen. Dass sie kaum drei Monate später mit einem Modell von Kraftwerk und Welle, mit Titze und Green City AG als möglichen Bauherren an die Öffentlichkeit gehen könnten, hatte vermutlich nur Meier-Staude für möglich gehalten.

Für ihn ist die Realisierung der Welle an der Floßlände ein guter Grund, auch an die Umsetzung des größeren, aber umfassend nachhaltigeren Projektes im Tucherpark zu glauben. "Ich fühle mich persönlich dazu verpflichtet, dass wir hier Strom aus Wasserkraft gewinnen", sagt der 50-Jährige und er wolle mit seinen Studierenden einen Beitrag dazu leisten.

Die Kraft des Wasser beträgt an dieser Stelle 500 Kilowatt. (Foto: Robert Haas)

Einer der Vorschläge der Studenten glich dem Projekt von Titze, sodass man sich letztendlich zusammentat. Der Einsatz der Schnecken bringt offenbar mehrere Vorteile. Sie verursachen keine Vibration und man kann sie ohne große bauliche Veränderungen ins Wasser einsetzen. Für eine Turbine müsste man das betonierte Flussbett aufreißen. Man könnte die Schnecken von der Brücke aus einsetzen, so Titze. Kein Baum auf den anliegenden Grundstücken, die der Hypo Vereinsbank gehören, müsste gefällt werden.

Ein weiterer Punkt: Die Schnecken, die wie große Schrauben aussehen, seien fischfreundlich. "Bei jedem Wasserkraftprojekt sind die Fische immer das Wichtigste", so Titze. Das Ziel sei, dass kein Tier zu Schaden komme. Kleinere Fische könnten durch die sich langsam drehenden Schnecken schwimmen, ohne "gehäckselt" zu werden. Größere Tiere würden über einen Nebenfluss abgeleitet und kämen mit den Surfern nicht in Kontakt. Auch eine sogenannte Fischtreppe ist geplant, die manche Tiere zum Aufstieg nutzen können.

Mit Wasserkraftschnecken könnte man Strom erzeugen. (Foto: Johanna Weber)

Von den 500 kW verbleiben aus solchen Gründen etwa 200 kW weniger zur Stromgewinnung, haben die Studenten errechnet. Auch der Betrieb der Welle reduziert die Leistung. Sie gehen davon aus, dass je nach Witterung von April bis November jeweils zwölf Stunden gesurft werden könne. Erzeugt wird der Surfmoment durch aufblasbare Schläuche, die wieder flach werden. Mit einem großen Tuch unter Wasser, das gehoben und gesenkt werden kann, wird ein Auffangbecken für die Sportler geschaffen. Das erleichtert den Ausstieg und verringert das Verletzungsrisiko. Auch das braucht Energie. So ergibt sich eine jährliche Leistung von immerhin noch 255 kW, haben die Studenten errechnet. Davon könnten etwa 690 Haushalte mit Strom versorgt werden. Das bringt Geld. Die Baukosten belaufen sich auf etwa drei Millionen Euro, die Green City übernehmen würde. Für Betriebskosten hat man 80 000 Euro veranschlagt.

Vielleicht gehen auch die Lichter und Klimaanlagen des Hilton mit dem Eisbach-Strom in Betrieb. Freek Valk, Betriebsleiter des Hotels, sieht das Projekt sehr positiv. "Es wäre doch toll unseren Gästen zu zeigen, das wir grüne, lokale Energie nutzen", sagt er. Von der Terrasse aus könne man dann den Stadtsurfern zusehen. Das ist ganz im Sinne von Meier-Staude. Kein Freizeitsport der Welt binde die Zuschauer derart mit ein, meint er. Die Handyfotos vom Eisbachsurfen, von der "E3", rund um den Globus geschickt, seien Werbung für München. Vor allem aber sollen Kraftwerk und Welle ein Lernort werden. Der Plan ist, die Schnecken in ein Glashaus zu stecken, sodass man deren Arbeit beobachten und auf Tafeln Erläuterungen lesen kann. Rund um die Uhr, rund ums Jahr, denn der Eisbach führt, selbst wenn die Isar nur flach ist, gleich viel Wasser.

Auch die Server der Hypo-Vereinsbank könnten mit grüner Energie laufen. Begeisterung für das Projekt war noch nicht so recht zu spüren. "Wir sind im Gespräch mit Meier-Staude und werden uns das Projekt gern erklären lassen", antwortete die Bank auf Nachfrage.

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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