Legionellen im Trinkwasser:Wenn Energiesparen zum Problem wird

Legionellen im Trinkwasser: Legionellen kommen weltweit in Gewässern vor. Bei Temperaturen zwischen 25 und 50 Grad können sie sich gut vermehren.

Legionellen kommen weltweit in Gewässern vor. Bei Temperaturen zwischen 25 und 50 Grad können sie sich gut vermehren.

(Foto: Science Photo Library/imago images)

Die Energiepreise steigen, und manch ein Hausbesitzer senkt daher die Temperatur beim Warmwasser. Ein Fall in München zeigt, dass das nicht immer eine gute Idee ist.

Von Lea Kramer

In einer Etagenwohnung im Münchner Osten steht seit geraumer Zeit eine Sprudelwasserflasche neben dem Waschbecken. Einfach den Hahn aufdrehen und die Zähne mit Leitungswasser putzen, ist gerade keine besonders gute Idee. Die Rohrleitungen im gesamten Haus sind von Legionellen befallen. Der Bakterienbefall ist das Ergebnis einer Sparmaßnahme, denn aufgrund steigender Energiepreise hatte ein Hausverwalter die Vorlauftemperatur der Warmwasseranlage im Gebäude auf weniger als 50 Grad reduziert. Experten warnen davor, mit solchen Eingriffen zu versuchen, die Nebenkosten zu senken.

In größeren Wohnanlagen kommt es immer wieder vor, dass die Grenzwerte für Legionellen überschritten werden. "In den Monaten August und September 2022 war es im Stadtgebiet München in insgesamt 32 Fällen erforderlich, eine Nutzungseinschränkung im Sinne eines Duschverbots auszusprechen", sagt ein Sprecher des Gesundheitsreferats. Ein zu hoher Legionellen-Bestand im Trinkwasser ist meldepflichtig, Labore sind verpflichtet, die Gesundheitsbehörde zu kontaktieren, wenn sie erhöhte Werte feststellen. Dann teilt die Behörde der Hausverwaltung mit, was sie zu tun hat, um die Belastung zu beseitigen.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei nicht erkennbar, dass in München ein Häufung von Fällen auftrete, die mit einer Absenkung der Wassertemperaturen in Verbindung steht, sagt der Referatssprecher. Darüber hinaus gebe es übers Jahr gesehen immer mal wieder Schwankungen. So registrierte das Gesundheitsreferat beispielsweise von Anfang August bis Ende September vergangenes Jahr 26 Fälle, in denen die Legionellen-Konzentration so hoch war, dass eine Nutzungseinschränkung ausgesprochen werden musste. Im Juni und Juli dieses Jahr waren es 45 Fälle.

Bakterien, die sich gerne in Wasserleitungen aufhalten

Legionellen sind Bakterien, die weltweit in oberirdischen Gewässern oder dem Grundwasser vorkommen - aber auch an anderen feuchten Stellen. Wassertemperaturen zwischen 25 und 50 Grad bieten ideale Verhältnisse für die Mikroorganismen. Bei diesen Temperaturen breiten sie sich sprunghaft aus. Oberhalb von 60 Grad werden sie abgetötet, unterhalb von 20 Grad vermehren sie sich kaum noch. In vielen Wasserleitungen von Gebäuden, in Ablagerungen und Belägen des Rohrsystems, finden die Keime gute Bedingungen. Doch auch Schwimmbäder, Whirlpools oder Klimaanlagen sind regelmäßig befallen.

In belasteten Anlagen können sich Menschen zum Beispiel beim Duschen oder Reinigen am Waschbecken infizieren, indem sie feinste Wassertröpfchen einatmen. Beim Trinken ist eine Ansteckung nicht ausgeschlossen, findet aber nur selten statt, heißt es bei der die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gelangen die Erreger in die Lunge, können sie eine grippeähnliche Erkrankung, das sogenannte "Pontiac-Fieber" oder schwere Lungenentzündungen, auch als Legionellose oder Legionärskrankheit bekannt, auslösen. Besonders gefährdet sind immungeschwächte und ältere Menschen, aber auch Raucher. Männer erkranken häufiger als Frauen.

Legionellen im Trinkwasser: Trotz Energiekrise: Experten raten, Warmwasser auf mindestens 55 Grad oder 60 Grad einzustellen.

Trotz Energiekrise: Experten raten, Warmwasser auf mindestens 55 Grad oder 60 Grad einzustellen.

(Foto: Florian Peljak)

Insgesamt treten in Deutschland pro 100 000 Einwohnern zwischen 18 und 36 Infektionen jährlich auf, schätzt das Robert-Koch-Institut (RKI). Vor allem in den Herbst- und Sommermonaten steigen die Fallzahlen. Wird die Legionärskrankheit nicht behandelt, kann sie tödlich verlaufen. Nach Angaben des RKI ist das bei fünf bis zehn Prozent der Erkrankten der Fall. Mehr Erkrankte also sonst um diese Zeit stellen die München-Kliniken - die Fachabteilungen für Legionellen in den Häusern in Bogenhausen, Schwabing und Harlaching unterhalten - jedenfalls nicht fest. "Aktuell beziehungsweise in den vergangenen Wochen konnte keine Häufung in irgendeiner Form beobachtet werden", sagt ein Sprecher.

Eigentümer sind verpflichtet, dass das Trinkwasser die Gesundheit nicht gefährdet

"Für die Bereitstellung von Warmwasser werden durchschnittlich rund zwölf Prozent des gesamten Energieverbrauchs der privaten Haushalte in Deutschland benötigt", heißt es beim Umweltbundesamt. Es ist also kein unwesentlicher Posten im Haushaltsbuch, bei dem sich vermeintlich sparen ließe. Da Energiesparen und Hygiene allerdings nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sind, gibt es gesetzliche Vorgaben. Nur deshalb ist die Legionellen-Belastung im Mehrfamilienhaus im Münchner Osten überhaupt aufgefallen. Großanlagen zur Trinkwassererwärmung müssen nämlich seit der Änderung der Trinkwasserverordnung 2012 regelmäßig auf Legionellen überprüft werden. Von der Regelung sind Mietshäuser betroffen, in denen es mehr als zwei Wohneinheiten gibt. In den vergangenen zehn Jahren sind dem Gesundheitsreferat nach eigenen Angaben an die 10 000 Gebäude im Stadtgebiet gemeldet worden, die Legionellen-Probleme hatten oder noch haben.

Im Mehrfamilienhaus muss nach einer Mitteilung aus dem Umweltbundesamt "am Austritt des Trinkwassererwärmers" eine Temperatur von 60 Grad dauerhaft eingehalten werden, im gesamten Wasserkreislauf dürfen Temperaturen von 55 Grad nicht unterschritten werden. "Der Schutz der menschlichen Gesundheit steht eindeutig über der Intention zur Energieeinsparung", schreibt das Bundesamt. Die Wassertemperatur im Mehrfamilienhaus herabzudrehen, ist also eigentlich gar nicht erlaubt. Anders sieht das in Ein- und Zweifamilienhäusern aus. Dort gibt es keine gesetzlich vorgegeben Prüfintervalle oder Vorgaben zur Mindesttemperatur. Sowohl das Umweltbundesamt als auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches sowie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit empfehlen auch bei kürzeren Leitungswegen, dass das Wasser den Boiler nicht mit weniger als 55 Grad verlässt.

In der Wohnung im Münchner Osten wird die Sprudelflasche neben dem Waschbecken noch eine Weile stehen bleiben. Während sich Legionellen relativ schnell einnisten, dauert es, sie wieder loszuwerden - üblicherweise mehrere Monate.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKatastrophenschutz
:Pläne für den Blackout

Angesichts von Ukrainekrieg und Energiekrise steigt die Angst vor einem flächendeckenden Stromausfall. Viele Kommunen in Bayern treffen dafür Vorkehrungen, und manche empfehlen das nun auch ihren Bürgern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: