Energieversorgung:München giert nach Wärmepumpen

Lesezeit: 4 min

Der Trend geht eindeutig zu Wärmepumpen. (Foto: Sander Koning/picture alliance / ANP)

Gas-Krise und steigende Rohstoff-Kosten: Die Energieberater der Stadtwerke registrieren 400 Prozent mehr Anfragen als vergangenes Jahr. Schnell können sie nur selten helfen - und manche Umstellungen sind gar nicht möglich.

Von Lea Kramer

Es ist kurz nach neun Uhr, da fährt ein Zwölftonner auf den Gehweg. Eine Person steigt aus der Führerkabine, anschließend rollt sie einen Schlauch über den Gehsteig zu einem Kellerfenster. Offenbar ist es schon wieder soweit: Im Nachbarblock muss der Heizöltank aufgefüllt werden. Es ist ein Vorgang, der in Zukunft immer seltener zu beobachten sein wird. Die Stadt hat die Energiewende eingeleitet, bis im Jahr 2035 will sie klimaneutral werden. Dazu gehört auch der Umbau der Wärmeversorgung. Gelingt der wie geplant, würde in 13 Jahren überhaupt keine Heizung in München mehr mit Öl betrieben werden. Ein entsprechendes Zukunftsszenario hatten Öko-Institut, Hamburg Institut, Intraplan und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) in einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie Ende 2021 entworfen.

Noch ist es nicht soweit, deutschlandweit gab es 2021 nach Angaben des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks noch 5,2 Millionen Anlagen, die mit Öl beheizt wurden. Die Landesinnung der Kaminkehrer in Oberbayern zählte Ende 2021 in München 18 183 Ölheizungen. Die Besitzer dieser und anderer Heizanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sind aufgeschreckt. Zum einen, weil sie durch das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) in die Pflicht genommen werden, alte Heizungstechnik auszutauschen. Zum anderen haben der Ukraine-Krieg, steigende Rohstoffpreise sowie mögliche Lieferstopps aus Russland viele Münchnerinnen und Münchner verunsichert. Die Sorge ist groß, im Winter im kalten Kämmerlein zu sitzen. Das alles führt dazu, dass Energieberatungen momentan massiv nachgefragt sind.

18 183 Ölheizungen gab es Ende 2021 in München. (Foto: Patrick Pleul/dpa-tmn)

Gegenüber dem ersten Quartal 2021 haben zum Beispiel die Stadtwerke München (SWM) einen 400-prozentigen Anstieg an Beratungsgesprächen verzeichnet. "Früher wollten die Kunden weg von fossilen Energien, weg von der Ölheizung", sagt SWM-Energieberater Stefan Memminger, "jetzt ist das große Thema die Versorgungssicherheit." Die Anrufer - die Stadtwerke beraten seit Beginn der Pandemie größtenteils am Telefon - würden wissen wollen, wie viel Gas denn noch in den Gasspeichern sei, die die Stadt München versorgen. "Oder es wird gefragt, wann der Hahn zugedreht wird", sagt Memminger. Sein Kollege Matthias Schütt fügt hinzu: "Darauf können wir natürlich keine Auskunft geben, aber wir können beraten, wie sich der eigene Verbrauch senken lässt oder eine bestehende Anlage umgerüstet werden kann."

Was in den kommenden Monaten auf dem Energiemarkt passieren wird, darüber mutmaßen nicht nur die Experten in München, sondern auch Verantwortliche in Berlin. Gerade hat der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, die Vermutung geäußert, dass Gaslieferungen aus Russland ausbleiben könnten. Seit Montag wird die Pipeline Nord-Stream-1 routinemäßig gewartet. In der Regel dauern die Arbeiten zehn Tage. Ob die Wartung politisch instrumentalisiert wird, bleibt abzuwarten. Nach Angaben der SWM werden in München gut die Hälfte aller Gebäude mit Erdgas beheizt. Die städtische Tochter hat demnach 178 000 Gaszähler, die an ihrem Netz hängen. 33 Prozent der Haushalte würden mit Fernwärme, neun Prozent mit Öl und ein Prozent mit Stromspeicher beheizt. Umweltwärme, Wärmepumpen und Solar seien mit weniger als einem Prozent noch sehr selten.

Ab 2024 sollen jährlich eine halbe Million Wasserpumpen installiert werden

Im städtischen Bauzentrum München, wo ehrenamtlich tätige Fachleute Beratungen vornehmen, ist die Nachfrage ebenfalls merkbar gestiegen. 45 Anfragen für Energie- und Sanierungsberatungen würden dort wöchentlich gestellt, heißt es aus dem Referat für Klima- und Umweltschutz, dem das Bauzentrum zugeordnet ist. Häufig würden sich Eigentümerinnen oder Wohneigentümergemeinschaften über den Einbau von Wärmepumpen und Solarthermie oder die Installation von Photovoltaik-Anlagen sowie Möglichkeiten der Dachsanierung informieren wollen. Welche Fördermittel es gibt, werde zudem häufig nachgefragt. Damit die Münchner Gebäude möglichst bald umweltschonender werden, hat der Stadtrat Ende Juni das Förderprogramm "Klimaneutrale Gebäude" beschlossen, Mitte Juli tritt es in Kraft.

"Seit ziemlich genau sechs Wochen steigen die Nachfragen insbesondere von Eigentümern selbst bewohnter Immobilien nach alternativen Versorgungsmöglichkeiten für Raumwärme", sagt Gesa Lenhardt. Als Architektin kann sie im Bauzentrum zu vielen Themen rund ums Sanieren und Bauen Auskunft geben, momentan werde sie aber deutlich häufiger als Energie-Effizienz-Expertin angefragt. In den Gesprächen hat sie ebenfalls festgestellt, dass Gas- und Ölheizungen wegen der steigenden Preise "reichlich unbeliebt" würden.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Noch vor ein paar Monaten wurde ihre Expertise meist verlangt, wenn so oder so saniert werden sollte. Lenhardt begleitete die Vorhaben, ordnete Kosten ein oder suchte nach Maßnahmen mit Energiesparpotenzial, um die Bauarbeiten zu ergänzen. Heute wollten die Menschen "allesamt zuerst eine Einschätzung haben, ob ich weiß, welches Heizungssystem in Zukunft das wirtschaftlichste ist," sagt sie. Nur sehr wenige wollten wissen, wie sie akut Energie sparen könnten - ohne neue Geräte anzuschaffen.

Das Wort der Stunde aber lautet: Wärmepumpe. Die sind momentan noch eine Randerscheinung. Vor allem in Bayern gibt es dafür großes Potenzial, da noch viel mit Gas und Öl über teils Jahrzehnte alte Anlagen geheizt wird. Außer im Wasserschutzgebiet Waldtrudering ist eine Umrüstung mit grundwasser- oder luftbetriebenen Wärmepumpen zumindest theoretisch in fast allen Münchner Stadtvierteln möglich. "Eine Eins-zu-eins-Umstellung geht aber nicht immer", sagt Matthias Schütt von den Stadtwerken München. Es brauche eine Flächenheizung oder entsprechende Heizkörper, damit die Wärmepumpe sinnvoll sei.

Dem hohen Leidensdruck steht eine hohe Leidensfähigkeit gegenüber

90 Prozent seiner Beratungen würden sich momentan um dieses Thema drehen. Dabei ist es zuletzt zu langen Lieferzeiten in diesem Bereich gekommen, nur wenige Betriebe haben überhaupt Kapazitäten, die Geräte ans Netz anzuschließen. "Das kann ein bis zu zwei Jahren dauern in der jetzigen Zeit, bis das Gebäude umgerüstet ist", sagt Schütt. Das wüssten die meisten Beratenden aber schon, "die sind vorinformiert, wollen aber eine optimale Alternative zu ihrer Heizung", sagt er.

Bei Architektin Gesa Lenhardt ist das ähnlich. Ihr sei noch kein Fall untergekommen, wo ein Bauherr seine Pläne wegen Materialengpässen aufgebe. "Dem Leidensdruck steht eine hohe Leidensfähigkeit gegenüber", sagt sie.

Bis die Wärmeversorgung in einem Haus umgestellt ist, kann es also einige Monate dauern. Steigen die Kosten für Gas und Öl weiter, werden das Mieter und Mieterinnen mit der nächsten Nebenkostenabrechnung zu spüren bekommen. Erst dann dürfen die Vermieterinnen und Vermieter die Vorauszahlungen für die Nebenkosten erhöhen.

Die Münchner Wohnbaugesellschaft Gewofag hat Mieterinnen und Mieter bereits vorgewarnt. Der Deutsche Mieterbund rät, ein Polster für etwaige Nachforderungen anzusparen. Für einkommensarme Menschen haben die Stadtwerke einen Härtefallfonds angelegt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEnergiekrise und Ukraine-Krieg
:"Den wahren Schock erwarten wir erst 2023 oder 2024"

Gas gilt jetzt als knappes Gut, im Großhandel haben sich die Preise bereits verfünffacht. Münchens Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach erklärt, was auf die Verbraucher zukommt.

Interview von Heiner Effern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: