Jeder wie er, jede wie sie mag. Haferlschuah und Lederhose, Funktionskleidung und Sneaker, High Heels und Ballerinas – ist alles erlaubt in der Fan-Zone im Olympiapark, wo sich Fußballfreunde und andere Münchner am Samstagnachmittag daran machen, das Ende der Europameisterschaft 2024 zu begehen. Am Sonntagabend noch das Endspiel – dann werden mehr als 650 000 Besucher zwischen Olympiahalle, -stadion und -see gefeiert, gespielt, gebangt und gejubelt haben. Von 51 EM-Spielen werden dann 50 hier gezeigt worden sein. Nur das Spiel Niederlande gegen Frankreich am 21. Juni wurde nicht übertragen – die Zuschauer wurden wegen Hagel, Sturm und Regen nach Hause geschickt.
Erwartungsgemäß waren die Spiele der deutschen Mannschaft am besten besucht, was die Veranstalter dazu brachte, das Olympiastadion zu öffnen, wo eine weitere Leinwand für 25 000 Zuschauer bereitstand. Am besten besucht war das Viertelfinalspiel gegen Spanien mit 53 000 Besucher. Am unteren Ende der Tabelle steht die Vorrunden-Partie Schweiz gegen Schottland, die nur sparsame 5000 Menschen sehen wollten.
Dieser, nun ja, Auftrieb kommt dem vom Samstag recht nahe. Aber natürlich, internationalen Fußball gibt’s heute nicht, außerdem ist es eher cool, ab und zu tröpfelt es. Das Ganze sieht eher nach Familientag aus, man trägt Casual Sportswear, aber wenige Nationaltrikots. Die wenigen, die dennoch den Adler auf der Brust tragen, geben sich rückseitig zumeist als Fans von Florian Wirtz oder Jamal Musiala zu erkennen, was auch zur Altersklasse der Träger passt.
Gleich am Eingang dürfen deren noch jüngere Geschwister ihre Geschicklichkeit schulen und beweisen: Auf einem Parcours gilt es zu jonglieren und zu balancieren, einen Balken in immerhin 30 Zentimeter Höhe unfallfrei zu überqueren, Platten mit Zeug drauf ohne Verlust von hier nach da zu tragen. Gelegentlich kommt es zu einem Stau, wenn ältere Kinder – und das meint hier sechs, sieben Jahre alt – vorankommen möchten, während andere im Kindergartenalter noch überlegen müssen, ob sie die schwindelerregende Herausforderung tatsächlich annehmen wollen.
Apropos Herausforderung: Die städtische Straßenreinigung, zum Baureferat gehörend, wollte ihre Kehrbesen nicht unter den Scheffel stellen und hat eine eigene Pressemitteilung zu ihrer Leistung bei der EM herausgegeben. Darin heißt es, bei den sechs Spielen in München wurden allein am Marienplatz 17,3 Tonnen Müll abtransportiert, beim Fanfest auf der Theresienwiese immerhin noch 2,4 Tonnen. Weitere größere Mengen an Müll, denen eine Abfuhr erteilt wurde, fielen an der Leopoldstraße und rund um den Hauptbahnhof an.
Der Olympiapark scheint am Samstag kein Hotspot in Sachen Müll zu sein – was wohl schlicht und einfach an der überschaubaren Zahl an Besuchern liegt. Auf der Bühne unten am See spielt die Band Welshly Arms gegen ein nicht sonderlich interessiertes Publikum an, außerdem gegen einen Brumm auf den Bassboxen. Weiter vorne gibt’s jede Menge Geschicklichkeitsspiele rund um den Fußball, so etwa die altbekannte Hüpfburg, die hier zur Trainingsanlage für Torleute erweitert wurde: Eine junge Freiwillige füttert eine Wurfmaschine, im Tor können 1,20 große Helden Hechten, Fausten und Fangen üben. Vor der Anlage prügeln sich derweil ihre Geschwister mit den gelben Luftballons, die ein Radiosender massenhaft verteilt.
Die Wertschöpfung in München durch und während der EM schätzt die Stadt auf etwa 150 Millionen Euro, die Hotels seien vor allem an den Spieltagen mit 79 bis zu 93 Prozent überdurchschnittlich ausgelastet gewesen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) teilt mit, das Sommermärchen, das sich viele erhofft hätten, sei es vielleicht nicht geworden. „Aber die Art, wie die deutsche Mannschaft aufgetreten ist, hat weit über den Fußball hinaus eine unglaublich positive Wirkung gehabt.“
Die Magie der Fan-Zone scheint auf jeden Fall funktioniert zu haben. Dafür, für die Magie, sind eventuell auch die beiden Frauen verantwortlich, die jetzt Richtung U-Bahn schlendern: Grüne Seidenmäntel, ebensolche Hüte, Krawatten, wie sie bei den Uniformen in der Zaubererschule von Hogwarts Pflicht sind, dazu jeweils einen Zauberstab unter dem Arm. Ach nein, die waren gar nicht in der Fan-Zone wie die ganzen anderen Muggels. Die waren in der Kleinen Olympiahalle bei der Harry-Potter-Ausstellung. Aber geschadet hat’s bestimmt nicht.