Verkehr in München:Die Flitzekisten starten durch

Verkehr in München: Radlhändler Paul Kefer mit einigen seiner Lastenräder. Das Modell links unten ist nicht größer als ein ganz normales Rad, trägt aber 200 Kilo Last.

Radlhändler Paul Kefer mit einigen seiner Lastenräder. Das Modell links unten ist nicht größer als ein ganz normales Rad, trägt aber 200 Kilo Last.

(Foto: Stephan Rumpf)

Lastenräder mit Elektromotor sind gefragt wie nie, bei den Händlern gibt es lange Wartezeiten. Tausende haben bereits das Förderprogramm der Stadt genutzt.

Von Andreas Schubert

Zum Starten braucht man ein bisschen Schwung. Aber wenn man mal in Fahrt gekommen ist, rollt das Gefährt mühelos vor sich hin, die stufenlose Schaltung und der Elektromotor mit 250 Watt Leistung lassen einen bequem und rasch auf 25 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Nur der starke Wind an diesem Tag bringt das 50 Kilo schwere Lastenrad bei der Probefahrt ein wenig ins Schlingern. Aber zur Sorge gibt es keinen Grund: Trotz seiner Ausmaße und des Gewichts lässt sich das Lastenpedelec auch von einem ungeübten Fahrer erstaunlich wendig manövrieren.

Die Lastenräder erobern langsam aber sicher die Stadt. Immer mehr Menschen fahren lieber emissionsfrei zum Einkaufen oder bringen ihre Kinder zur Kita. Inzwischen sind die Transportflächen vieler Lastenradmodelle so gestaltet, dass es sich mindestens zwei Kinder auf der Ladefläche bequem machen können, entweder auf Kindersitzen hinter der Fahrerin oder dem Fahrer oder, das ist das beliebteste Modell, vorne in einer stabilen Wanne mit Sitzen und Sicherheitsgurten.

Paul Kefer hat früher selbst seine Tochter so zur Kita und zur Schule gebracht, bis es ihr irgendwann zu uncool wurde. Sein Hund fährt dagegen gerne noch im Lastenradl mit. Seit 2012 betreibt Kefer den Fahrradladen Munix Finest Bicycles in Haidhausen, zur Probefahrt mit dem Modell "Urban Arrow" hat er in den neuen Ableger am Schwabinger Tor eingeladen. Dieses Modell hat er seit 2013 im Angebot. Und immer wenn er damals damit durch die Stadt kurvte wurde er darauf angesprochen. "Aber verkauft hab ich in dem Jahr kein einziges", erzählt Kefer. Im Jahr darauf waren es immerhin schon zehn, dieses Jahr rechnet Kefer mit 500 verkauften Lastenrädern.

Ob Eltern, die ihre Kinder durch die Gegend kutschieren, Hobbygartler, die sich im Gartencenter mit Pflanzen eindecken oder einfach Familien, die ihren Wochenendeinkauf erledigen - die Kundschaft ist bunt gemischt, denn Lastenräder werden vielseitig genutzt. Und viele, so erzählt Kefer, sind durchaus bereit viel Geld für das neue Gefährt auszugeben. Sehr einfache E- Modelle - Lastenräder ohne Motor sind weitaus weniger gefragt - gibt es schon ab 1500 Euro.

Wer aber einen leistungsstarken E-Antrieb will sowie eine komfortable und moderne Schaltung, gutes Fahrverhalten und gute Bremsen, muss dagegen schon 5000 Euro oder noch deutlich mehr investieren. Ein Dreirad vom Hersteller Butchers & Bicycles mit Neigetechnik kostet dann schon um die 7000 - so viel wie ein solides gebrauchtes Auto. Und wer sich das "Load 75" mit Rohloff-Schaltung von Riese & Müller in einer luxuriösen Ausstattung bestellt, legt schon mehr als 10 000 hin.

Kefer hat keine Billigmodelle im Angebot, ebenso keine Lastenräder ohne Motor. Der Preis spiele bei seinen Kunden meistens keine Rolle. Es ist eher das zunehmende Umweltbewusstsein und der knapp bemessene Platz in der Stadt, dessentwegen viele Münchner kein eigenes Auto mehr besitzen wollen. Menschen, die ein Auto abschaffen, sind denn auch häufig die Klientel, die bereit ist, so viel Geld in ein Lastenrad zu investieren. Dazu gehören Familien, die auf den Zweitwagen verzichten, auch wenn sie in einem Vorort oder auf dem Land wohnen und Familien in den Stadtzentren, die komplett ohne eigenes Auto leben wollen. Wer sich ein wenig zum Beispiel in der Isarvorstadt umsieht, wo Parkplätze etwas sehr Rares sind, findet vor den Häusern ganze Fuhrparks von Lastenpedelecs.

Die Nachfrage steigt. Versucht man bei einem Händler einen Termin für eine Beratung zu bekommen, muss man mitunter schon ein wenig Wartezeit einrechnen. Bei manchen klingelt man im Laden vergeblich durch, bei einem Händler in der Maxvorstadt kommt auf eine E-Mail die automatische Antwort, man werde sich etwa in einer Woche rühren. Dann kommt auch noch bei Modellen, die nicht vorrätig sind, eine längere Lieferzeit dazu. Und wie bei Autos, so berichtet Dietmar Wulff vom Lastenfahrrad-Zentrum München Süd in Sauerlach, haben einige Hersteller derzeit Probleme an bestimmte Bauteile zu kommen, was die Wartezeiten zusätzlich noch verlängert. Auch Wulff beobachtet, dass die Nachfrage derzeit steil nach oben geht. Die Kunden kommen sowohl als dem Landkreis als auch aus der Stadt München. Und auch er berichtet von einem Kundenmix quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.

Die Stadt München trägt ihren Anteil dazu bei, dass das Lastenrad immer beliebter wird. Seit 2016 gibt es ein Förderprogramm für Elektrofahrzeuge, in dessen Rahmen die Stadt bis zu einem Viertel des Kaufpreises und maximal 1000 Euro zuzahlt. Seit 2017 bekommen auch Privatleute einen Zuschuss. Nach Auskunft des Umweltreferats wurden inzwischen rund 6000 Förderanträge gestellt. Waren es 2017 noch 791 Anträge, ging deren Zahl kontinuierlich nach oben. 2020 waren es 1950 Anträge, bis Mai dieses Jahres 350.

Wer sich kein eigenes Lastenrad leisten kann oder will, kann sich in München übrigens auch eines kostenlos ausleihen. Der Verein Green City bietet zusammen mit der Initiative Freie Lastenradl aktuell vier Räder zur Leihe an und berichtet von einer regen Nachfrage. Bleibt es dabei, so ist zu hören, werde man das Angebot weiter aufstocken.

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