Typisch deutsch:Beim Eisstockschießen ist Schuss mit lustig

Typisch deutsch: Wintersportler beim Eisstockschießen auf dem zugefrorenen Nymphenburger Schloßkanal.

Wintersportler beim Eisstockschießen auf dem zugefrorenen Nymphenburger Schloßkanal.

(Foto: Catherina Hess)

Auf den Eisbahnen lassen sich Parallelen zur Golfszene erkennen. Um mithalten zu können, müssten sich die Golfer allerdings warm anziehen.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Ich habe einige Leidenschaften, Schießen ist keine davon. Das hat damit zu tun, dass Schießen oft Leiden schafft. So gesehen wird man mich beim Oktoberfest nicht an der Schießbude stehen sehen. Um Teilnahme an Lasertag- oder Paintball-Gefechten reiße ich mich ebensowenig. Beim Fußball indes finde ich Schießen okay, zumal man dabei kein Gewehr in der Hand trägt. Und es gibt eine weitere Disziplin.

Im Münchner Hirschgarten sieht man selten Hirsche. Im Winter handelt es sich um das Reich einer anderen, speziellen Spezies. Diese Leute hantieren mit seltsamen Gebilden, die aussehen wie schmucklose Vasen, wenngleich diese Vasen besonders stabil und mobil wirken. Menschen, weitestgehend Männer, schleudern die umgedrehten Massiv-Vasen über Eisbahnen. Die entscheidende Frage: Sind diese Leute verrückt oder betrunken?

In Syrien gibt es ja so gut wie nie Schnee, und wenn doch, so ist es ein außerordentliches Ereignis und Anlass für eine Schneeballschlacht. Solchen Schlachten wohne ich freiwillig und aktiv bei, es wird ja nicht geschossen sondern geworfen. Ein bisschen so, wie die Männer mit den umgedrehten Massiv-Vasen. Sogenannte Eisstockschützen, ergab meine Recherche. Anders als in meiner Wahrnehmung werden die Eisstöcke nämlich im Fachjargon nicht geworfen, sondern geschossen.

Mein Nachbar, der sich auf Eis bewegen kann wie ein Tänzer auf einer Bühne, hatte mir diese winterliche Disziplin empfohlen. Also probierte ich sie aus. Sonderlich ausgeprägtes sportliches Geschick muss man indes nicht mitbringen. Wichtig ist die richtige Schwingbewegung mit dem Arm und das rechtzeitige Loslassen des Stocks, wobei man dabei möglichst tief in die Knie geht, damit der Stock wie am Schnürchen gezogen geschmeidig über den Boden gleitet. Ich vermag bis heute, Parallelen zum Golfen zu erkennen. Bevor ein Golfer jedoch gegen einen Eisstockschützen anträte, müsste er sich warm anziehen.

Nun, ich war zwar dick eingepackt. Beim ersten Wurf jedoch rutschte ich aus. Erkenntnis: Eis als Untergrund hat ganz andere Eigenschaften als Steine oder Holz. Aber auch eine Gemeinsamkeit: die Härte. Ich spürte, wie mein Körper an mehreren Stellen blau und gelb zu schillern begann. Auf syrisch sagen wir: Der Rücken hat sich in eine bunte Landkarte verwandelt.

Über die Jahre kam mir natürlich zu Ohren, dass Eisstockschießen von manchen als Altherrensport gesehen wird, das ist nicht gerade als Kompliment gemeint. Wer das behauptet, wird allerdings einsehen müssen, dass es sich um einen Irrtum handelt. Denn einen kindlich-jugendlicheren Sport gibt es nicht. Hinweise darauf lieferte schon meine Zeit im großen Flüchtlingslager im Libanon. Auch da lag Schnee - und so stopften die Kinder ihn in eine leere Colaflasche, stellten sie auf und ließen Holzstöckchen über den Schnee Richtung Flasche sausen. Wer die Flasche berührte, gewann.

Zurück in den Münchner Hirschgarten: Dort habe ich inzwischen einige eisige Einlagen hinter mich gebracht. Wenn ich einen Eisstock Richtung Bahn schwingen lasse, lege ich meine Hände auf die Augen und vermeide, dem Geschoss hinterherzuschauen. Eventuell hätte mir damals eine Trainingseinheit bei den Kids im Flüchtlingscamp gut getan.

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