Am Ende sind alle eingeladen, auf die Brücke zu gehen, wo Körbe voller Blütenblätter stehen. Einer nach dem anderen kommt von der Wiese nach oben, viele mit Surfbrett unterm Arm, und wirft Blüten ins Wasser des Eisbachs. Schnell verschwinden sie, in ihrer Welle. Viele Surfer sind am Sonntagnachmittag in den Englischen Garten gekommen, um ihrer Mitsurferin zu gedenken. Der jungen Frau, die vor gut einer Woche in dieser Welle verunglückt ist und nicht überlebt hat. Die IGSM, die Interessengemeinschaft Surfen in München, hat zum Treffen auf einer Wiese geladen, nur wenige Meter unterhalb der Welle.
Dort steht ein Surfbrett, so befestigt, dass es wie eine Gedenkstele wirkt. Die untere Hälfte ist schwarz bemalt, als Zeichen der Traurigkeit. Die obere Hälfte weiß – für Dankbarkeit und Hoffnung. Das sagt einer von drei Surfern, die zur Community sprechen. Geschätzt etwa 200 Menschen haben sich versammelt, meist junge Leute, einige haben kleine Kinder dabei. Zwei Lautsprecher haben sie aufgebaut, sie spielen Songs, um an die Verunglückte zu erinnern, sie waren auf der Liste ihrer Lieblingslieder.
Ein Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft bittet die Presse um Zurückhaltung und alle Surfer, die Identität der Verunglückten nicht preiszugeben, es sei den Angehörigen sehr wichtig. Er erzählt von seiner Hoffnung und seiner Verzweiflung in den vergangenen Tagen, als die Surferin im Krankenhaus lag. Hätte mir auch passieren könne, das dächten sich viele, die jetzt unter den großen Bäumen sitzen. Und bald vielleicht, wenn die Welle nicht mehr gesperrt sein wird und die Surfer auf beiden Seiten des Wassers wie all die Jahre in der Schlange stehen und sich ärgern, dass es so lange dauert, bis man drankommt, dann, sagt er, werde sich mancher wünschen, dass die Schlange um genau eine Surferin länger wäre.
Ein anderer Surfer sagt, die Welle, ihre Welle, habe die Unschuld verloren, habe ihre finstere Seite gezeigt. Er wünscht der Community, dass nach der Zeit der Trauer die Dankbarkeit durchkomme. Dass sie dankbar sein könnten für liebe Menschen, für ihren wunderbaren Sport, für Wasser, Bäume, Sonne und Natur. Und fürs Miteinander in der Surf-Community.
Es folgt ein Moment der Stille, niemand spricht, zu hören ist jetzt nur das Rauschen des Verkehrs – und das Plätschern des Eisbachs. Zwei Jugendliche springen ein paar Meter entfernt ins Wasser, zum Baden. Ob sie wissen, warum gerade so viele Menschen schweigen?
Dann soll es laut werden. Alle sind eingeladen, auf ihre Surfbretter zu klopfen. Das Klopfen ist in der Community das Zeichen für Anerkennung, für ein Wow. Sie klopfen, wenn es einer oder eine auf der Welle toll gemacht hat. Er denke an die Verstorbene, sagt einer am Mikro, und hoffe, dass sie dort, wo sie jetzt ist, die beste Welle überhaupt reite. Das Klopfen beginnt, Dutzende Bretter stehen senkrecht. Aus dem Klopfen wird ein Trommeln, es ist ein lauter Gruß der Münchner Surf-Community.